Wunderbare Käsewelt

Zwei Fachzeitschriften der Käsewirtschaft informieren das Käsefachpersonal- Käse-Theke und Milch-Marketing

Die meisten Berufsgruppen sind sehr gut darin, ein Bild von sich zu vermitteln, das mit der Wahrheit nur rudimentär zu tun hat. Mit der sprichwörtlichen Verschwiegenheit von Bankern ist es z.B. nicht viel weiter her als mit der von Friseuren - wo sich der Haarschneider beim Abendbrot mit der Familie über die unglaubliche Haarstruktur von Frau Müller ausläßt, wird ein paar Häuser weiter über das seltsame Finanzgebaren der Kundin Müller getratscht. Denn Banken sind keinesfalls die Orte der Diskretion, für die die Kontoinhaber sie halten.

Zu den Berufsgruppen, deren Bild in der Öffentlichkeit eher schlecht ist, gehören dagegen eindeutig die Verkäufer. Deutschland sei eine Service-Wüste, beklagen die großen Magazine immer wieder den angeblich mangelhaften Einsatz des Verkaufspersonals, wobei man jedoch die Käseverkäufer wohlweislich immer außen vor läßt. Denn damit, pünktlich den Dienst an der Käse-Theke anzutreten, um dem Verbraucher größtmögliche Mengen extrem fetthaltiger Molkereiprodukte anzudrehen, ist es beim Käseverkauf nicht getan. Das Fachpersonal muß den Käse in all seinen Vorkommensarten kennen, Zusatzangebote zubereiten und schwere Käserollen schleppen.

Bei dieser verantwortungsvollen Tätigkeit stehen den KäseverkäuferInnen gleich zwei Insider-Magazine zur Seite, die vierteljährlich erscheinende Käse-Theke, das "Magazin für das Fachpersonal in Bedienungsabteilungen", und Milch-Marketing, das "Magazin für den Handel mit Molkereiprodukten". Denn schon der kleinste Fehler kann verheerend wirken: "Ein gutes Image baut

sich langsam auf. Ein schlechtes Image braucht nur so lange, wie ihre Kundin Zeit benötigt, um mit ihren Freundinnen zu telefonieren", weiß das der Käse-Theke beiliegende Bresso Käse Journal, das neben "Frischen Nachrichten für die Käse-Theke" Tips bietet.

Zum Beispiel für das Kundengespräch: "Vermeiden Sie nichtssagende Begriffe wie 'schmeckt prima, gut oder toll'", ermahnt es zum richtigen Gebrauch spezieller "Käsevokabeln", die die Teigkonsistenz als "schnittfest" oder "schmelzend", den Geschmack als "nußig", "säuerlich" oder "typisch rustikal" beschreiben. Auswendig gelernt werden müssen sie aber nicht, so der "Kleine Tip", die Rückseite der Preisschilder kann nämlich als "Gedankenstütze" benutzt werden.

Vielleicht könnten dort auch die extra fürs Käseverkaufspersonal ausgearbeiteten Sätze zur Eröffnung eines Verkaufsgesprächs notiert werden. "Durch die richtige Fragetechnik überzeugt man Kunden", denn drei von vier potentiellen Käsekäufern entscheiden erst an der Käse-theke, "welchen Käse und wieviel sie davon kaufen möchten". Wichtig daher: "Niemals das Gespräch mit 'Was darf's denn sein?' beginnen. 'Womit kann ich helfen?' klingt viel freundlicher."

Aber nicht nur beim Direktkontakt mit dem Kunden passieren die Katastrophen. "Wann gehört Schimmel zum Käse, und wann ist er Zeichen von Verderb?" fragt Käse-Theke in Heft 3/1998 und antwortet: "Grundsätzlich wird beim Schimmel zwischen Eigen- und Fremdschimmel unterschieden." Der Eigenschimmel ist gut, Fremdschimmel dagegen böse, und nicht nur das: Er kommt in allen möglichen Farben vor. Während ein gereifter Saint-Maure de Tourraine eine blaugraue Rindenfarbe aufweist, deren Schimmel "ein Zeichen zunehmender Reife und durchaus erwünscht" ist, hat blauer oder grüner Schimmel auf Frisch- und Hartkäse grundsätzlich nichts zu suchen. Schwarzer Schimmel hingegen ist bei den meisten Käsesorten ein sicheres Zeichen für verdorbene Ware - außer bei den französischen Tomme-Arten und beim Saint Nectaire, wo er zur "Produkttypik" gehört.

Wenn auf Rotkultur-Produkten, auf deren roter Rinde nur weiße Schimmel wachsen dürfen, ein Malheur passiert ist und plötzlich grüne Schimmelflecken zu sehen sind, muß der betroffene Käse, wie in anderen Fremdschimmel-Fällen auch, nicht gleich weggeworfen werden: Man wäscht ihn einfach mit einer Salzwasserlösung ab ("2 EL Salz in 1 Liter Wasser auflösen. Ein sauberes Tuch mit der Lösung befeuchten."), und schon ist der Käse so gut wie neu.

Käse wird aber nicht nur von Schimmelpilzen bedroht: In einem Aufsatz der Ausgabe 3/98 erklärt Käse-Theke, "wie man Käsefehler vermeidet". Unterteilt nach Sorten, findet sich ein guter Überblick über Braunschmiere, die bei "Überalterung" von Weichkäsen auftritt, Bombagen, das sind "Reifungsgase durch zu hohe Lagertemperaturen", die jedoch nur verpackte Waren betreffen, oder das Kreidigwerden. Dieser "Reifestopp infolge zu niedriger Temperaturen", kann, wie die anderen Käsefehler auch, durch die richtigen "Qualitätsparameter in Lager und Theke" vermieden werden: "Jede Käsefachkraft (sollte) den Ehrgeiz entwickeln, diese Verlustquellen, die sonst unter dem Posten Abschreibungen verbucht werden, so weit es geht zu vermeiden."

Denn der Handel, so das monatlich erscheinende Milch Marketing, hat "jahrelang bei vielen Eckartikeln draufgezahlt und tut dies auch immer noch", wie Chefredakteur Stephan Camphausen im Editorial schreibt. "Am gesamtwirtschaftlichen Horizont sind leichte Hoffnungsschimmer auszumachen", resümiert er, und eine Umfrage zur Bedeutung von Käse ("Gute Karten für Käse") in der Publikumspresse scheint ihm recht zu geben. "Die Bedeutung von Käse", so erklärt beispielsweise Roswitha Schneider von essen und trinken, "hat nach Ansicht der Redaktion in letzter Zeit zugenommen". Beim Journal für die Frau "sieht man eine wachsende Bedeutung von Käse in der Küche". Auch Brigitte hält "das Thema Käse" für "nicht unbedeutend", lediglich der stern erklärte, nur dann über Käse zu berichten, "wenn es etwas wirklich Neues gibt (gesundheitliche Fragestellungen, auch Skandale etc.)".

Entwarnung für den Käsemarkt konnte man bei Milch-Marketing 1998 jedoch nicht geben, denn "Frischkäse: Der Markt stagniert". 1997 wies so "trotz historischer Tiefstpreise die geringste Steigerung der letzten Jahre" auf, aber Grund, sich Sorgen zu machen, besteht für das Käsefachpersonal nicht: "Trotz Stagnation auf der Absatzseite ist die Innovationskraft der Hersteller im Segment Frischkäse in beiden Absatzkanälen ungebrochen."

Im selben Jahr zeigte die Seminarstatistik des Ausbildungszentrums "Milchland Niedersachsen" zudem eine steigende Motivation der Käseverkäufer; "die Gesamtzahl der veranstalteten Schulungen" konnte, so Käse-Theke mehr als verdoppelt werden, "zum Schulungsangebot gehört neuerdings auch das, auf die erste Stufe ('Köstliche Käse - frisch aus der Theke') aufbauende Seminar II 'Der Käsespezialist - Plattenservice'." Aus dem Bankenbereich ist Ähnliches nicht bekannt.