Umstrittene Finanzierung der EU-Fonds

Deutsche Verschwörung

Der spanische Sozialist Manuel Mar'n weiß genau, wer den Mißtrauensantrag im Europäischen Parlament initiiert hat: Von einer "Verschwörung" innerhalb der Europäischen Union (EU) berichtete der stellvertretende Vorsitzende der Europäischen Kommission vergangene Woche der spanischen Tageszeitung El Pa's.

Bei dem Mißtrauensantrag gegen sechs Kommissionsmitglieder, darunter der 49jährige, sei es vor allem um eines gegangen: die Interessen Deutschlands. Zusammen hatten sich der seit 14 Jahren für die Kommission tätige Mar'n, seine französische Kollegin ƒdith Cresson und der luxemburgische Kommissionspräsident Jacques Santer gegen die Forderung der seit Jahresbeginn der EU vorsitzenden Bundesregierung gewandt, die Beiträge für den Kohäsionsfonds und die Strukturfonds für Landwirtschaft, Regionale Entwicklung und für Soziales zu verändern.

Der Kohäsionsfonds, eine Art Klassenkasse der Union, wurde in den achtziger Jahren auf Druck des damaligen spanischen Regierungschefs Felipe Gonz‡lez eingeführt und soll den ärmeren EU-Staaten zugute kommen. Aber bitte nicht auf Kosten Deutschlands - wie schon die Regierung Helmut Kohl befand. Und deswegen will Bundeskanzler Gerhard Schröder nun die deutsche EU-Präsidentschaft nutzen, ein neues Finanzierungskonzept durchzusetzen. Deutschland, Österreich, Schweden und die Niederlande sollen künftig weniger, Großbritannien, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland mehr bezahlen. Irgendwie muß der deutsche Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) - nach Auffassung der spanischen Tageszeitung El Mundo der "neue mächtige Mann der EU" - seine geplante Ankurbelung der Binnennachfrage ja finanzieren. Obwohl dies nach Ansicht von El Pa's unnötig wäre: "Wenn Deutschland trotz des kontinuierlichen Anstieges der Mark gegenüber den anderen europäischen Währungen einen enormen Handelsüberschuß im Unionsgebiet erzielt hat, werden mit einer gemeinsamen festen Währung die deutschen Exporte im europäischen Binnenmarkt weiter ansteigen."

In der Tat war Deutschland 1997 mit einem Außenhandelsüberschuß von 66,6 Milliarden Ecu (umgerechnet über 130 Milliarden Mark) einsamer EU-Spitzenreiter, während Spanien 12,6 Milliarden Ecu (rund 24,6 Milliarden Mark) mehr für Importe ausgab als mit Exporten einnahm. Eine Bilanz, die sich nach Berechnungen des spanischen Statistikinstitutes im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres noch verschlechterte. Deswegen will Spanien, das nach Portugal und Griechenland innerhalb der EU das geringste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat, nicht auf die Gelder aus Brüssel verzichten. Darüber sind sich sogar die regierenden Konservativen unter Ministerpräsident José Mar'a Aznar und die Sozialisten einig. Deshalb votierten die Parteigänger Aznars im Europaparlament vergangene Woche für den Sozialisten Mar'n und verhinderten, daß der Mißtrauensantrag die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erreichte.

Noch im Dezember stand die Parteipolitik im Vordergrund: Aznar erklärte "dem rot-grünen Europa den Krieg" (El Mundo) und beklagte die Isolierung seiner konservativen Regierung innerhalb der EU. Gonz‡lez hingegen, bis 1996 der sozialistische Vorgänger Aznars, warf ihm dennoch vor, sich nicht energisch genug für "spanische Interessen" einzusetzen. Aber mit Beginn der deutschen EU-Präsidentschaft scheint man sich in Spanien einig zu sein: "Es ist kein Zufall, daß Deutsche, Sozialisten genauso wie Konservative oder Grüne" die Kampagne gegen die EU-Kommission anführten, betonte Mar'n. Und erhielt dabei die Unterstützung von der konservativen Tageszeitung ABC, die eine "Renationalisierungspolitik" attestierte - vorangetrieben vom "neuen Deutschland", das "wie das antike Rom wenig Achtung vor seinen Gelegenheitsverbündeten zu haben scheint".

Schon auf dem EU-Gipfel am 24. und 25. März in Brüssel soll nach dem Wunsch der Deutschen eine Entscheidung über die Agenda 2000, das Finanzkonzept der Union bis zum Jahre 2006, fallen. Wenn man sich bis dahin einigt. Denn Spanien droht, die EU-Erweiterung zu blockieren, wenn es künftig mehr in die Brüsseler Fonds einzahlen muß.

Im Bonner Auswärtigen Amt sieht man das aber eher gelassen. Europa-Experte Günter Verheugen (SPD) äußerte bereits, ohne Einigung müßten eben alle Zahlungen gekürzt werden. Zuvor hatte schon Außenminister Joseph Fischer (Grüne) gemeint, Spanien sei kein armes Land.

Schließlich tun die Deutschen doch genug für Spanien: Aus keinem anderen Land reisen jährlich so viele Touristen an die spanischen Küsten wie aus Deutschland.