Jetzt auch in Brasilien und China: Weltwirtschaft kriselt weiter

Gescheiterte Real-Politik

Über mangelnde Abwechslung können sich die Börsenhändler derzeit nicht beklagen. Erst schien es, als hätten sich die Finanzmärkte von den Einbrüchen des vergangenen Jahres erholt. Überall legten die Kurse in den letzten Monaten kräftig zu, Optimisten sahen für 1999 bereits die Krisenregionen in Asien und Lateinamerika auf dem Weg nach oben. Die Bären wurden wieder in den Wald geschickt, die Bullen legten mächtig los. Doch im neuen Jahr sieht alles wieder ganz anders aus: Von Erholung der Weltwirtschaft keine Spur.

Zuerst krachte in China die Investmentbank Guangdong International Trust and Investment Corp (GITIC) zusammen - dies ist die größte Bankenpleite in dem Riesenreich seit 50 Jahren. Dann machte sich am brasilianischen Finanzmarkt Panik breit: Nachdem der Bundesstaat Minas Gerais ein Schuldenmoratorium erklärte, fiel der Börsenindex um fast zehn Prozent, Investoren verließen in Windeseile das Land. Der Finanzminister Gustavo erklärte seinen Rücktritt, die Börse in S‹o Paulo, wichtigster Finanzplatz Lateinamerikas, mußte vorübergehend geschlossen werden.

Auch wenn sich die Situation in Brasilien mittlerweile wieder etwas entspannt hat, wird der Mini-Crash langfristige Folgen haben. Die bisherige Wirtschaftspolitik der Regierung von Fernando Henrique Cardoso basierte auf der Koppelung der Landeswährung Real an den US-Dollar. Nur mit einer stabilen Währung, so das Versprechen von Cardoso, lasse sich das dringend benötigte internationale Kapital beschaffen, welches für weiteres Wachstum nötig sei. Damit besiegte er zwar den Alptraum der Inflation - allerdings um einen hohen Preis.

Um den Real stabil zu halten, mußte Cardoso eine rigide Sparpolitik betreiben. Die begehrten Investitionen - angelockt durch die starke Währung und hohe Zinsen - flossen in den letzen Jahren zwar in rauhen Mengen. Der Plan hatte einen Fehler: Tauchen nur die geringsten Zweifel an der Stabilität der Währung auf, sind die Investitionen genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen waren. Und genau das passierte, nachdem der Bundesstaat Minas Gerais seine Zahlungsunfähigkeit erklärte. In wenigen Tagen wurden aus Brasilien mehrere Milliarden US-Dollar abgezogen.

Die brasilianische Zentralbank zeigte sich zu Beginn der Krise noch entschlossen, ihre Devisenreserven einzusetzen, um den Außenwert der Währung zu verteidigen. Doch kurz darauf gab sie den hoffnungslosen Kampf verloren, bevor sie ihn überhaupt begonnen hatte: Sie gab die Bindung des Real an den US-Dollar auf.

Ein schwacher Real begünstigt nun vor allem die Aussichten der brasilianischen Exportwirtschaft - und sorgt für eine kurzfristige Erholung an der Börse. Aber damit das Kapital wieder fließt, muß Cardoso jetzt erst recht die Peitsche schwingen: Um zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen, sollen die Rentenbeiträge der Staatsangestellten erhöht und - Rußland läßt grüßen - ihre Gehälter später ausgezahlt werden.

Blamiert ist erneut der Internationale Währungsfonds: Erst im November hatte der Fonds unter drastischen Sparauflagen einen 42-Milliarden-Dollar-Kredit an Brasilien vergeben. Genützt hat es nicht viel, wie der erneute Rückschlag zeigt. Was die Währungshüter unternehmen wollen, wenn es der Regierung in Brasilia weiterhin nicht gelingen sollte, den Staatshaushalt zu sanieren, wird vermutlich ihr Geheimnis bleiben. Über nennenswerte Rücklagen verfügt der Fonds nach seinen enormen Einsätzen in Asien vom vergangenen Jahr nicht mehr.

Zumal von dort noch ein viel größeres Risiko droht. Denn bislang galt China als Hort der Stabilität. Nach der Megapleite der GITIC scheint auch das vorbei zu sein. Das kompromißlose Vorgehen der Behörden gegen verschuldete Finanzunternehmen sei eine Warnung an die Adresse internationaler Geldgeber, berichtete die Tageszeitung Economic Daily in Peking. Die Banken sollen nicht annehmen, daß die chinesische Regierung die Schulden geschlossener Unternehmen übernehmen werde. Die Warnung ist angekommen: Nach Japan, Rußland und Lateinamerika ist nun auch China in den Sog der Weltwirtschaftskrise geraten.