Skandale bei "New Labour"

Kredite, Sex und Alkohol

"Es gibt die Befürchtung, daß dieses Blutbad noch lange nicht vorbei ist", zitierte der Telegraph am Sonntag einen ungenannt bleibenden Labour-Mitarbeiter. Das hatte wenig mit britischem Understatement zu tun, ging es doch nur um die Skandale und Skandälchen in der britischen Regierungspartei. Die hatten binnen drei Wochen zu drei Rücktritten geführt. Und nun sorgt auch noch Außenminister Robin Cook für Negativ-Schlagzeilen.

Begonnen hatte alles mit New Labours "schwarzer Weihnacht". Da waren Peter Mandelson, Tony Blairs Intimus und Handelsminister, sowie Geoffrey Robinson, Multimillionär und Staatssekretär im Finanzministerium, von ihren Ämtern zurückgetreten. Wegen eines verheimlichten 373 000 Pfund-Kredits für Mandelson, mit dem sich der ein Haus im noblen Londoner Westen gekauft hatte.

Auf der Suche nach dem Schuldigen für die Enthüllung wurde man bei Schatzkanzler Gordon Brown, dem Rivalen Mandelsons, fündig. Dessen Berater Charlie Whelan, ein Ex-Kommunist, bekannt für seine starken Worte, wurde beschuldigt, Details über den Kredit von Robinson an Mandelson lanciert zu haben. Whelan kündigte seinen Rücktritt an.

Kaum war der Pulverdampf verraucht, kam schon der nächste Schlag. Margaret Cook, Ex-Ehefrau von Außenminister Robin Cook, veröffentlichte ein Buch mit dem Titel "Ein schwaches, zartes Wesen". Ihr Ex-Gatte wird darin als Frauenheld mit starkem Hang zu Alkohol beschrieben, der seine linke Seele für den Aufstieg bei "New Labour" verkauft habe. Die Reaktion kam schnell: Die Alkprobleme wurden umgehend von Robin Cooks Mitarbeitern dementiert. Und Blair machte klar, daß er seinen Außenminister unter keinen Umständen fallen lassen will. Am Wochenende bekräftigte Blair einmal mehr, daß Cook "hervorragende Arbeit für die Regierung und das Land" leiste.

Mittlerweile hatte aber die "Old Labour"-Riege der Partei Morgenluft gewittert. Vize-Premier John Prescott beispielsweise machte sich in einem Zeitungsinterview für "traditionelle" Labour-Ideen stark - Keynesianismus gegen Blairs "New-Labour"-Kurs, der auf eine "radikale Mitte" zielt.

Aber im Kabinett sitzen trotz Mandelsons Abgang mehr Verfechter des "Dritten Wegs" als zuvor. Und Blair bedient mit einer verschärften Kriminalitätspolitik gerade die Ängste der Mittelklasse vor dem ökonomischen Absturz.

Die Programmatik des "New Labour"-Kurses hat Blairs Guru Anthony Giddens in seinem Büchlein "Der Dritte Weg" festgeklopft. Die wesentliche Argumentationslinie ist dünn: Es gibt keine Alternative zum Kapitalismus, der Sozialismus ist tot, und sogar die reformistischen Ziele der Sozialdemokratie sind obsolet. Zwar gebe es noch einen Unterschied zwischen links und rechts, aber glücklicherweise ist der so gering, daß er "Austausch über die politischen Gräben hinweg erlaubt". Das ist die Diagnose. Giddens' Heilmittel: Der Staat soll eine wichtige Rolle spielen zur Bereitstellung der "Infrastruktur, die benötigt wird, um eine unternehmerische Kultur zu entwickeln". Der Wohlfahrtsstaat muß "rekonstruiert" werden, aber die Sozialleistungen dürfen nicht zu hoch sein - damit die Proleten nicht dem "moralischen Risiko" ausgesetzt werden, lieber in der sozialen Hängematte zu schaukeln, als sich ausbeuten zu lassen.

Dieser "Dritte Weg" ist wie geschaffen, den Thatcherismus mit kleinen Korrekturen fortzuführen. Und an der Hegemonie dieses Gedankenmülls werden wohl auch weitere Blutbäder in New Labours Reihen nichts ändern.