Mit vui Gfui

Ein Mann darf auch mal Tränen zeigen. Seit Noch-Bundeskanzler Helmut Kohl am Tag der Deutschen Einheit das Hannoveraner Katzenkopf-Pflaster mit Zähren netzte, gilt das Sekret der Glandulae lacrimalis in Kreisen christlich-konservativer Politiker als Ausdruck einer politischen Passion, die mit bloßer Machtgier nichts gemein hat. So wollte wohl auch Nicht-mehr-CSU-Chef Theodor Waigel die salzigen Absonderungen seiner brauenüberwölbten Lider gedeutet wissen, als er am vergangenen Sonnabend vor versammeltem CSU-Volk in der bayerischen Landeshauptstadt seinen Abschied nahm. Der spontane Gefühlsausbruch dürfte Waigel nicht schwer gefallen sein, stand er doch am Ende einer zehnjährigen, teilweise haßerfüllten Rivalität, die ihn mit dem Nachfolger im Vorsitz, Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, verband, seit beider Übervater Franz Josef Strauß 1988 seine schwarze Seele aushauchte. Mit der Wahl zum Vorsitzenden, die ihm mit dem für CSU-Verhältnisse mittelmäßigen Ergebnis von 93,4 Prozent gelang, tritt Stoiber endgültig aus dem Schatten des Großen Vorsitzenden heraus: Der ist er nun, fehlende Leibesfülle hin oder her, nämlich selber. Mit geradezu Straußscher Vehemenz kündigte Stoiber an, "die bürgerliche Mitte zu bündeln" und "Heimat der demokratischen Rechten" zu sein, "Bayern stark zu halten und Berlin zu stürmen". Als bayerischer Staats- und Parteichef wird der 57jährige Stoiber noch viele Jahre lang Gelegenheit haben, solche schönen Dinge zu sagen: Strauß legte das Amt erst nieder, als ihn im Alter von 73 Jahren der Ruf des Herrn ereilte.