Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Jan Brandt ist Praktikant bei der Jungle World

Im Wohnzimmer stand ein großer Fernseh-Schrank aus Teak-Holz. Der Schrank hatte Schiebetüren. Rechts war das Radio, links der Schwarz-Weiß-Fernseher von Nordmende. Im Sommer '74 schob mein Vater die eine Tür auf, und Sparwasser war da. Nur ich noch nicht. Ich kam erst im Oktober.

Zwanzig Jahre zuvor war auch der Fernseh-Schrank noch nicht da, sondern nur das Radio. Mein Vater saß mit einem Freund davor und verfolgte das Finale der Fußballweltmeisterschaft in Bern. Er jubelte und freute sich, als das Spiel zu Ende war. Der Freund jubelte nicht, er war taub.

Zwanzig Jahre später habe ich Abitur gemacht. Am Tag des Abi-Streichs wurde auf dem Schulhof eine Platte eingelassen mit der Aufschrift: Hier trifft sich der Abi-Jahrgang 1994 am 22. Juni 2004.

Dazwischen liegt eine Grauzone. Im Radio gab es noch ein Magisches Auge, im Fernsehen fünf Programme, drei deutsche, zwei niederländische. Nachmittags wurden Bundestagsdebatten übertragen, nachts gab's das Testbild und samstags Fußball. HSV und Bayern München, Horst Hrubesch und Karl-Heinz Rummenigge, alles schwarz-weiß. Irgendwann hat der Fernseher den Geist aufgegeben und mußte einem Spectra Color weichen. Der Schrank kam auf den Dachboden, was schade war, weil das regelmäßige Grau des Bildschirms so gut zur Sitzgarnitur gepaßt hatte. Das Radio verschwand eines Tages und fand sich erst Wochen später in einer Holzkiste wieder. Mein Bruder hatte es ausgebaut und zu einem Verstärker für seine Anlage umfunktioniert.

Vor ein paar Monaten bin ich mal wieder nach Hause gefahren, weil ich wußte, daß noch ganz viele Siebziger-Jahre-Klamotten auf dem Dachboden lagerten. Aber der Raum war leer. Die Klamotten hatte meine Schwester nach Polen geschickt und den Schrank an die Straße gestellt. Mit dem Fernseher, in dem einst Sparwasser erschienen war.