Aktien als Souvenir

Neben Bayer Leverkusen nutzt nur der Zweitligist TeBe die Möglichkeit, Kapitalgesellschaft zu werden

Die Lieblingsdrohung von Spitzen-Fußball-Managern wie Uli Hoeneß, Funktionär bei Bayern München, hatte lange Zeit gelautet, daß die deutschen Spitzenvereine international langfristig nicht mehr mithalten könnten, wenn der Deutsche Fußball-Bund, DFB, ihnen nicht endlich gestatte, die Profiabteilungen der Clubs in eigenständige Kapitalgesellschaften auszugliedern.

Im Oktober 1998 schließlich hatte der DFB dem Verlangen der Führungskräfte nachgegeben. Diese Aktion sollte den Gang der Erstliga-Vereine an die Börse vorbereiten, im internationalen Fußballgeschäft hatte z.B. der Erfolg der kickenden Aktiengesellschaft Manchester United Begehrlichkeiten geweckt.

Die Analysten der Frankfurter DG-Bank erstellten daraufhin sogleich Szenarien für ein going public der Clubs - die nahm Uli Hoeneß zum Anlaß, von Verdienstmöglichkeiten in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Mark durch die Plazierung etwaiger Bayern München-Aktien an der Börse zu träumen. Der Dortmunder Präsident Niebaum, eigentlich Wirtschaftsjurist, zeigte sich in diesem Punkt mit dem Vertreter des damals noch als größtem Konkurrenten betrachteten Fußballunternehmens einig.

Aber schon sechs Monate nach dem geschichtsträchtigen DFB-Bundestag herrscht bei den Verantwortlichen der 36 deutschen Profi-Vereine Ernüchterung vor. "Wir brauchen eigentlich kein neues Geld", erklärte beispielsweise Bayern-Präsident Franz Beckenbauer unlängst und befand sich damit auf einer Linie mit dem Dortmunder Niebaum - der hatte zuvor vermutet, daß Aktien wohl doch nur von Hardcore-Fans erworben werden würden, allerdings nicht in spekulativer Absicht, sondern "um sie sich zu Hause an die Wand zu nageln".

Der große Aufbruch, für den man so hart gegen den DFB gekämpft hat, ist daher bisher ausgeblieben. Nur Bayer Leverkusen hat bis zum 24. März dieses Jahres seine Werkskicker unter dem Dach einer GmbH zusammengefaßt und sie dem gleichnamigen Chemiekonzern angegliedert.

Dann aber gründete mit dem Berliner Zweitligisten Tennis Borussia ausgerechnet ein Club eine KGaA, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, von dem man nichteinmal erwarten könnte, daß seine Wertpapiere als Fanartikel gekauft würden: Bei Heimspielen von TeBe verlieren sich selten mehr als 4 000 Zuschauer im Stadion, in der hauptstadtinternen Rangliste stehen die Veilchen bestenfalls auf Rang drei, noch hinter dem Regionalligisten Union. Am 25. März wurde, außerhalb Berlins weitgehend unbemerkt, die KGaA des Vereins ins Leben gerufen. "Damit sind wir börsenfähig!" hatte Erwin Zacharias, TeBe-Aufsichtsratsvorsitzender und Repräsentant des Hauptsponsors Göttinger Gruppe, gejubelt.

Die interne Opposition war vor der entscheidenden Abstimmung schlicht mit Zahlen erschlagen worden. 7,1 Millionen Mark Gewinn hatte Zacharias für das Geschäftsjahr 1998 bilanziert - in diesem Jahr spielte man noch in der Regionalliga Nordost. Und der Ökonomie-Professor legte sogar noch nach: Mittlerweile besäßen die bei den Veilchen angestellten Fußwerker einen von Hannoveraner Wirtschaftsexperten attestierten Wert von 5,6 Millionen Mark. Was verschwiegen wurde: Nicht der Verein erwirtschaftete diese Gewinne, das Geld (auch für die Spielerkäufe) stammt überwiegend aus der Konzernkasse der Göttinger Gruppe, die sich nicht nur fußballerisch engagiert, sondern der u.a. eine Bank gehört.

Die TeBe-Mitglieder waren gleichwohl sehr beeindruckt, auch, weil sie es so sehr gern sein wollten. Denn noch im Jahr 1996 schien das Ende ihres Clubs greifbar nahe, damals hatte der Musik-Tycoon und TeBe-Boß Jack White seine Unterstützung für die Veilchen eingestellt. Mehr als acht Millionen Mark Schulden hatte man damals gehabt und kaum eine Möglichkeit gesehen, sie wieder abzutragen - bis die Göttinger Gruppe bei Tennis Borussia einstieg. Eine Vereinigung überdies, so offenbarte es sich auf der Vereinsversammlung am 25. März, die im Besitz des Steines der Weisen sein muß: Glaubt man Zacharias' dort vorgelegten Zahlen, hat nur der Branchenführer Bayern München 1998 einen höheren Gewinn erwirtschaften können als der damalige Drittligist. "Selbstverständlich können wir nicht immer solche Erträge aufweisen", hatte der Manager zwar eingeschränkt, aber schon angedeutet, daß der Werbespruch "Nicht immer, aber immer öfter" in Zukunft durchaus auch für die Tennis Borussen gelten soll.

Die veilchenfarbene KGaA wird, den Manager-Plänen nach, mit einem Stammkapital von rund 7,5 Millonen Mark zu zwei Dritteln dem seiner Profis verlustig gegangenen TeBe e.V. und zu einem Drittel der Göttinger Gruppe gehören. "Der Verein kann nicht majorisiert werden", wimmelte Zacharias aufmüpfige Nachfrager ab. Jan Schindelmeiser, einer von zwei designierten Geschäftsführern der Kommanditgesellschaft, beschwor überdies das Zusamengehörigkeitsgefühl der TeBe-Familie, indem er sagte: "Nur wenn es der Mutter gutgeht, ist die Tochter gesund."

Solche Äußerungen waren durchaus nach dem Geschmack der Anhänger, die im Verein sind, mit 96,6 Prozent der stimmberechtigten 562 Mitglieder plädierte man für die Gründung der Kapitalgesellschaft. Nur vier Oppositionelle hielten ihre Nein-Karten hoch, einige Unentschlossene sollen einer Entscheidung ausgewichen sein, indem sie einen Toilettengang vortäuschten oder sich vorsätzlich von der Angebotsvielfalt des schon vor Sitzungsende aufgebauten kalten Büffets ablenken ließen.

"Mit ist ein Stein vom Herzen gefallen!" konnte so Zacharias an jenem Donnerstag um 21.18 Uhr seinen Glücksmoment, der zeitgleich die größte Zäsur in der 97jährigen Vereinsgeschichte der Charlottenburger Veilchen bedeutet, beschreiben.

Nun darf investiert werden, damit die großen sportlichen Ziele der Berliner Borussen ("Mittelfristig wollen wir in den Europa-Pokal", erklärte Präsident Kuno Konrad erst vor kurzem) auch Wirklichkeit werden. In den Augen der Konkurrenz gilt TeBe jedoch als eine Horde Größenwahnsinniger mit angeschlossenem Fußballverein - die Veilchen sollten erstmal aufsteigen, höhnte man beispielsweise bei Hertha BSC, wo man gleichfalls über die Gründung einer Kommanditgesellschaft nachdenkt. Aber mit solchen Leichtgewichten wie den Herthanern mag man sich bei den borussischen Überfliegern eigentlich schon gar nicht mehr befassen.

Manchester United, AC Parma, Inter und AC Milano lauten die Namen derjenigen, mit denen man sich, geht es nach dem Willen der Verantwortlichen des derzeitigen Berliner Zweitligisten, langfristig befassen will - also mit der Crème de la crème Europas. In spätestens drei bis fünf Jahren soll es soweit sein.

Fußballerischer Erfolg ist jedoch auch für Kommanditgesellschaften nicht unbedingt planbar: Der anstelle des bisherigen Coaches Stanislaw Levy, dem zur Last gelegt wurde, den avisierten Aufstieg in die fußballerische Oberklasse unter anderem durch ein Unentschieden gegen den Abstiegskandidaten Rot Weiß Oberhausen verspielt zu haben, verpflichtete Trainer Winfried Schäfer geriet in seinem ersten Spiel am letzten Donnerstag schon nach einer knappen Minute in Rückstand - TeBe verlor schließlich gegen die abstiegsbedrohten Stuttgarter Kickers zu Hause ebenso verdient wie klar mit 2:0.

"Unsere Börsenfähigkeit ist erreicht, wenn TeBe eine feste Größe ist", hatte Zacharias nur ein paar Tage zuvor erklärt, "wenn nicht, dann haben wir etwas falsch gemacht." Dabei hatte sich der Manager auch ein wenig Skepsis gestattet: "Das Leben in einem Verein ist viel angenehmer als in einer Kapitalgesellschaft." Einschränkungen, die von den Gründungsmitgliedern der zukünftigen TeBe-Aktiengesellschaft jedoch nicht unbedingt zur Kenntnis genommen werden wollten. Der Name ihres Vereins soll nämlich in Zukunft nicht mehr ein höhnisches Synonym für "Schwindsucht in der Kasse" bedeuten - man möchte vielmehr gleichgesetzt werden mit dem Aufbruch in eine glorreiche Zukunft der Showbranche Fußball.

Auch wenn andernorts die von Uli Hoeneß u.a. noch vor einem halben Jahr vielbeschworenen Börsen-Phantasien von Fußball-Traditions-Vereinen mittlerweile letal endeten: Der Londoner Erstliga-Club FC Millwall hauchte beispielsweise seine Seele aus, nachdem die Elf monatelang nur Mist produziert hatte. Im britischen Seebad Brighton fegte darüber hinaus mangelnder sportlicher Erfolg nicht nur die dort beheimatete Fußball-AG aus dem Handelsregister. Auch das Stadion des Traditionsclubs des mondänen Badeortes fiel den Baggern zum Opfer, nun soll in den Ruinen gescheiterter Kicker-Träume ein Einkaufszentrum entstehen.

Bei TeBe will man sich solche Vorbilder jedoch auf keinen Fall zu Herzen nehmen. Schließlich gibt es mindestens ein ganz anderes Beispiel für erfolgreiche, in Berlin gegründete kapitalistische Gesellschaften: die Deutsche Bank.