Dummys sterben schneller

Bei der Sat.1-Rennfahrer-Serie "Benzin im Blut" wissen nur die Zuschauer, was sie tun müssen

Trainierte Fernsehzuschauer haben meistens ein sehr gutes Gespür für die Überlebenschancen von TV-Helden entwickelt. Bei Bonanza-Folgen war beispielsweise schon nach wenigen Minuten ganz klar, wen es diesmal erwischen würde: Frauen, in die sich einer der Cartwrights verliebte, drohte grundsätzlich ein schnelles Ende, ebenso wie dem neuen Vorarbeiter, Sheriffsgehilfen oder Nachbarsfarmer. Diese Personen schienen ein unsichtbares Target-Zeichen zu tragen, denn regelmäßig wurden sie von Viehdieben, Bankräubern und anderem Gesindel niedergeknallt.

Bei der neuen Sat.1-Serie "Benzin im Blut", deren Pilotfilm am vergangenen Montag ausgestrahlt wurde, mußte man sich als konditionierter Zuschauer sofort Sorgen um John machen. John ist ein aufrechter, lieber Typ, geradeaus und ehrlich, ein großer Junge, der immer wieder, sein frühes Ende vielleicht vorausahnend, sinnend ins Leere starrt, eine Kombination, die ein ziemlich verläßliches Indiz für seinen nahen Tod darstellt. Zumal Anna, seine Freundin, sich um ihn sorgt und auf die Intuition von Frauen in Serien immer Verlaß ist.

Sein Freund Frank ("Man kann nicht mit jeder Frau in der Welt schlafen, aber man kann's versuchen!") ist dagegen kein guter Todeskandidat. Frank leidet darunter, daß er arm ist. Die ist im Fernsehen eine Frage der Ehre, so auch bei dem dunkelhaarigen Frauenhelden. Für Frank stellt die Dramaturgie damit eine gewaltige Herausforderung bereit, die ihn wohl über mehrere Folgen in Anspruch nehmen wird. Um an die 100 000 Mark zu kommen, die er und John für den Kauf eines wettbewerbsfähigen Tourenwagen brauchen, müßte er nur seinen stinkreichen Bruder um den Erbschaftsanteil bitten, aber das lehnt der aufrechte Frank vehement ab.

Alle Versuche von John und Frank, Geld zu beschaffen, scheitern. Auch Johns Vater Philip, ein ehemaliger Rennwagenmechaniker, weigert sich, den beiden zu helfen: "Ihr vergeudet euer Leben mit sinnlosen Träumen!" sagt er. "Schau dir Hannes an, der hat sich ruiniert!" John antwortet: "Kann sein, aber er hat's gern getan!" Und erklärt damit vielleicht schon, warum der Zuschauer nicht traurig sein darf, wenn es John später erwischt.

Die Anzeichen für ein schnelles Aus mehren sich, als in der Nebenhandlung der Rennstallbesitzer Werner Bauer seinen Fahrer verliert. Bauer braucht jedoch den Dragster-Weltrekord, koste es, was es wolle, der Investor sitzt ihm im Nacken. Den Warnungen seines Chefmechanikers zum Trotz beharrt er darauf, daß mit dem Auto technisch alles in Ordnung sei, und macht sich auf die Suche nach einem neuen Fahrer.

Wer das sein wird, ahnt man, und was passieren wird auch, denn das Auto, an dessen Türen rotgoldene Flammen lodern, heißt "Black Devil". Und wirklich, John wird aufgefordert, im Rennen von Barcelona den Weltrekord einzufahren, und natürlich nimmt er an, denn von dem Vorschuß kann er für sich und Frank das Traum-Rennauto kaufen. Einen Haken hat die Sache allerdings: Der geheimnisvolle Sponsor des Teams ist Franks Bruder Mark. John unterschreibt trotzdem, auch eine Verzichtserklärung für den Fall eines Unfalls. So was, das hätte er wissen müssen, beschwört unweigerlich Unheil herauf, Frank, John und Anna fahren jedoch glücklich nach Spanien zum Rennen.

Dort stellen die beiden Freunde rasch fest, daß mit dem Wagen etwas nicht stimmt, aber Bauer läßt John nicht gehen und übt Druck aus: "Ich hätte gewettet, daß du für ein Auto durchs Feuer gehen würdest", sagt er ihm, und "wenn er eine Zukunft haben will, dann darf er jetzt nicht kneifen, sonst wird er verbrannt", erklärt er Frank.

Diese subtile Anspielung auf Johns schnelles Ende in einer Flammenhölle taugt wenig als Indiz, denn es erscheint zu plausibel, um wirklich als glaubhafte Zuschauervorbereitung zu dienen. Derweil besticht Mark die Rennkommission, die den "Black Devil" wegen technischer Mängel nicht zulassen will - das wiederum spricht sehr für Johns Tod, denn Mark als Mörder des besten Freundes von Frank, das wäre eine Konstellation, mit der man noch ein paar Folgen füllen könnte.

Und wirklich, es scheint keine Rettung mehr für den armen John zu geben: Mit Anna verbringt er den Tag vor dem Rennen in einer einsamen Bucht, die beiden tollen am Strand herum und küssen sich. So was geht im Fernsehen nie gut, und als John Anna sogar einen Heiratsantrag macht und erklärt, er wolle Kinder haben, ist die Sache klar. Zumal Anna sich auch ein Baby wünscht. "Dann laß uns keine Zeit verlieren!" sagt John, die beiden lieben sich am Strand und zeugen vielleicht einen kleinen John, für den Frank, Philip und Anna dann später gegen den schlimmen Mark und den noch schlimmeren Bauer kämpfen können.

Aber vielleicht muß John doch nicht sterben, denn er geht ins Qualifikationsrennen, das er gewinnt, ohne zuvor irgend etwas Wichtiges getan zu haben. Denn TV-Todgeweihte müssen eigentlich, bevor sie ihr Schicksal ereilt, zuerst ihr Leben regeln und sich mit allen ihren Lieben versöhnen. Dann passiert es: "Ich bin stolz auf dich. Vielleicht habe ich nie gewollt, daß du erwachsen wirst", sagt der inzwischen in Barcelona eingetroffene Vater Philip kurz darauf, die beiden Männer umarmen sich, und damit ist Johns Tod nur noch eine Frage von Minuten. Vorher aber muß dem Zuschauer noch klargemacht werden, daß das Serienleben auch ohne John weitergehen wird.

Denn da ist noch die undurchsichtig verheiratete und schöne Jeannine Jordan, die ebenfalls Dragster-Fahrerin ist und auch schon mit Frank im Bett war. An sie macht sich nun auch Mark heran. Er wird ihren Start in der Tourenwagenklasse finanzieren - dort, wir erinnern uns, wo auch Johns und Franks Auto demnächst fahren wird und wo es wahrscheinlich zur Entscheidungsschlacht zwischen den Brüdern kommen wird.

Zuvor muß noch John sterben. Durch üble Machenschaften: Bauer manipuliert auf Marks Anweisung das Auto und wird von ihm gezwungen, eine undatierte Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Das Rennen startet, John fährt los, traurige Musik erklingt, der Weltrekord wird gebrochen, aber dem Fahrer passiert - nichts. Nach quälend langen Sekunden geht der "Black Devil" aber endlich doch noch in Flammen auf, John kommt auf die Intensivstation, darf ein paar letzte Worte sprechen ("Frank, hast du unseren Wagen mit der Plane zugedeckt? Wir brauchen neue Stoßdämpfer für hinten, wir müssen doch gewinnen") und dann sterben.

Sein Tod wird nicht ungesühnt bleiben, Frank wird John rächen. Und Mark wird irgendwann hinter Gittern landen, Anna ihr Baby zur Welt bringen, Jeannine Frank heiraten und Philip vielleicht das Tourenauto, und sterben wird vorerst niemand mehr. Außer, der Sheriff stellt einen neuen Gehilfen ein.

"Benzin im Blut", Sat.1, montags, 20 Uhr