Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Johannes Zelchow arbeitet als freier Journalist in Düsseldorf

Netzer, Beckenbauer, Overath und Müller waren unsere Helden. So wollten wir später auch werden. Bis zu diesem Tag wollte ich immer Günter Netzer sein, wenn ich mit meinen Freunden kickte. Die waren dann Beckenbauer, Overath oder Müller. Diejenigen, die nicht so gut spielten, durften sich keinen Namen aussuchen, sondern mußten das nehmen, was übrigblieb, oder bekamen die von Spielern verpaßt, die gerade besonders unangenehm aufgefallen waren.

Dann kam das Desaster. Unsere Helden hatten versagt, ausgerechnet gegen die aus der Zone, von der uns unser Klassenlehrer immer Schauergeschichten erzählte. Im Sozialismus, das hatten wir von ihm gelernt, gab es zum Beispiel kein Privateigentum, alles gehörte allen, und die Menschen in der DDR waren deswegen sehr bedrückt. Und dann verloren wir ausgerechnet gegen die - eine Mannschaft, in der vermutlich also auch keiner einen eigenen Ball hatte -, und besonders bedrückt waren sie auch nicht.

Das Sparwasser-Tor läutete das Ende unseres Straßenteams ein. Netzer, Beckenbauer, Overath und Müller mochten wir erstmal nicht mehr sein, denn mit solchen Luschen wollten wir definitiv nichts zu tun haben. Wir versuchten mal kurz, uns statt dessen Sparwasser, Kische usw. zu nennen, aber das funktionierte nicht.

Als die BRD-Elf dann Weltmeister wurde, freuten wir uns zwar sehr, aber irgendwie war die Luft raus. Im Verlauf dieses Sommers entdeckten wir dann Mädchen als Alternative zum Fußballspielen, und das war dann das Ende unserer Netzer-Träume.

Berti Vogts, der ganz klar am Sparwasser-Tor schuld war, der wollte in unserer Mannschaft übrigens nie jemand sein. Ich kann mich nicht mal erinnern, daß der Name überhaupt je vergeben worden ist, noch nichtmal an den dicken Bergner, der fußballerisch ein ganz klarer Idiot war und der nur gnadenhalber mitspielen durfte.