Kriegsgegner mobilisieren zum Parteitag

Die Legende lebt!

"Machen wir aus dem grünen Sonderparteitag die erste große öffentlichkeitswirksame Anti-Kriegs-Vollversammlung in diesem Land", schreiben "ein paar Autonome aus Berlin". Ob es tatsächlich mehr als "ein paar" sein werden, die am 13. Mai zur Bundesdelegiertenkonferenz der Bündnisgrünen anreisen, ist schwer zu sagen. Jedenfalls werden neben den Vertretern und Vertreterinnen der verschiedenen grünen Kreisverbände auch Kritiker nach Bielefeld reisen: Pazifisten und Kriegsgegner, denen sich viele Grüne bislang noch selbst zurechnen.

Die nostalgischen Gefühle einst friedensbewegter Delegierter dürften sich jedoch in Grenzen halten. "Sprengen wir den Grünen-Parteitag", fordert etwa die Berliner Gruppe Fels. Und ein "Bundesweites autonomes Antikriegsplenum" mobilisiert zur Besetzung - wahlweise auch zur Blockade - der Bielefelder Seidenstickerhalle. Aus dem altbekannten Repertoire darf in den Flugblättern kein Satz fehlen, freilich aktualisiert: "Deutsche Grüne, deutsches Geld, morden mit in aller Welt." Oder ganz schlicht: "Die Grünen sind Kriegspartei."

Und dann der Aufruf zur Anti-Kriegs-Vollversammlung: "Bereitet euch mit eigenen Beiträgen auf diese Diskussion vor", legt das autonome Plenum nahe. Ja, ganz richtig gelesen: Alles klarmachen zur Diskussion mit den "Kriegstreibern". Man stelle sich vor, auf dem nächsten Mobilisierungsflugblatt gegen den "IWF-Mördertreff" in Köln würde dazu aufgerufen, doch bitte vor der Debatte mit den Bankern nochmal das "Kapital" zu repetieren. Oder - naheliegender - mit abtrünnigen Sozialdemokraten auf dem SPD-Parteitag über Schröders Kriegspolitik zu diskutieren. Suchen die Autonomen plötzlich das Gespräch mit dem Klassenfeind? Oder sollte ihnen entgangen sein, daß die Grünen in den vergangenen Jahren Stück für Stück Nato-Kriege inklusive Bundeswehr-Beteiligung als Mittel deutscher Außenpolitik legitimiert haben? Wohl kaum.

Um Fehlinterpretationen vorzubeugen: Nichts spricht dagegen, die verbliebenen Kriegsgegner in der grünen Partei "mit unseren Argumenten zu konfrontieren", wie die Frankfurter Lupus-Gruppe vorschlägt. Stutzig macht allerdings die dem Diskussionsaufruf vorhergehende Empörung, die zwischen den Flugblattzeilen immer wieder auftaucht. Dringt da die Enttäuschung über eine unerhörte Liebe durch? Obwohl doch die Berliner Fels-Aktivisten völlig richtig analysiert haben, daß gerade die innergrünen Kritiker und Kritikerinnen "das fortschrittliche Aushängeschild einer Partei" sind, ohne deren Propaganda vom "humanitären Angriffskrieg" die Nato-Bomben auf Jugoslawien innenpolitisch nur schwer durchzusetzen gewesen wären.

Eines jedenfalls läßt sich kaum von der Hand weisen: Die grüne Legende lebt. Dafür spricht allein schon das von der Lupus-Gruppe formulierte Ziel, "ganz realpolitisch" durch eine Intervention auf dem grünen Parteitag die Bonner Koalition zum Kippen zu bringen - wohlwissend, daß damit zwar kein Krieg zu beenden, aber das Image der Grünen durchaus zu retten wäre. Mangels eigener Strukturen - sprich politisch-militanter Handlungsfähigkeit - verlassen sich eben auch anti-institutionelle Linke lieber auf den Parlamentarismus.

Die Autonomen als radikaler Flügel der Grünen? Manche Kritik der achtziger Jahre kehrt so auf ganz verquere Weise zurück.