Die wahl der toten Helden

In Panama standen die Präsidentschaftswahlen im Zeichen des Rückzugs der US-Armee

Panamas neue Präsidentin Mireya Moscoso hat sich in den sich in den Geschichtsbüchern bereits einen prominenten Platz gesichert, obwohl sie erst vorletzten Sonntag gewählt wurde. Sie ist nicht nur die erste Frau an der Spitze einer panamesischen Regierung, sie wird auch, läuft alles wie geplant, die letzten US-Truppen verabschieden, die das Land am 31. Dezember endgültig verlassen werden. Zum Jahreswechsel wollen die USA die Kontrolle über die Kanalzone abgeben und sie dem panamesischen Staat übertragen.

Damit soll der jahrzehntelange Konflikt zwischen den USA und der Souveränitätsbewegung Panamas beigelegt werden, der die Beziehungen zwischen beiden Ländern schwer belastete. Wegen der historischen Bedeutung der Wahlen hatten die beiden wichtigsten politischen Strömungen zwei Symbolfiguren als Kandidaten aufgestellt, die weniger sich selbst als vielmehr die verstorbenen Helden ihrer Bewegungen repräsentieren. "Zwei Tote sind die Kandidaten", brachte Richard Millette, ein politischer Beobachter, die Konstellation auf den Punkt.

Mireya Moscoso, die mit 44,6 Prozent der Stimmen die Wahlen gewann, kandidierte für die rechtsgerichtete Arnulfistische Partei. Sie ist die Witwe des Parteigründers und dreimaligen Präsidenten Arnulfo Arias, dem ausdauerndsten Verfechter einer fortdauernden Präsenz der USA in Panama. Nach Arias' Tod 1988 stieg die heute 52jährige Witwe zur führenden Politikerin der Arnulfisten auf.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1994 war sie nur knapp Ernesto Pérez Balladares von der PRD (Partei der Demokratischen Revolution) unterlegen, der das Land die letzten Jahre regierte. Kurz vor ihrer Stimmabgabe am Wahlsonntag erklärte Moscoso am Grab ihres Ehemanns: "Die Präsidentschaft wird nicht meine, sondern Arnulfos sein." Im Wahlkampf versprach die Multimillionärin und Besitzerin einer Kaffeeplantage, die Korruption einzudämmen und energisch gegen Armut und Arbeitslosigkeit zu kämpfen, die im Zuge der neoliberalen Politik unter Balladares zugenommen haben.

Ihr Konkurrent Mart'n Torrijos ist der Sohn des Generals Omar Torrijos. Dieser hatte 1968 Arias aus dem Amt geputscht und konnte 1977 - gestützt auf eine nationalistische Massenbewegung - einen Vertrag mit dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter aushandeln, der die USA bis Ende 1999 zur Rückgabe des Kanals verpflichtet. Der 35jährige Mart'n Torrijos war unter Balladares zunächst stellvertretender Innen- und Justizminister, bevor er zum Kandidaten nominiert wurde. Eigentlich wollte Balladares selbst eine zweite Amtszeit antreten. Dazu hätte allerdings die Verfassung geändert werden müssen, was durch eine Volksabstimmung aber abgelehnt wurde. So entschied sich die PRD für den wenig charismatischen Torrijos junior als Kandidaten, der mit seinem noch immer populären Vater werben sollte.

Angesichts des bevorstehenden Truppenabzugs mutet das Wahlergebnis etwas paradox an. Die US-freundliche Moscoso wird das letzte Sternenbanner der Kanalzone einholen lassen und den historischen Auftrag ihrer nationalistischen Gegner erfüllen. Das hätten diese natürlich lieber selbst erledigt. Doch noch in der Wahlnacht erkannte Torrijos junior das Wahlergebnis an. Damit tritt die PRD seit 31 Jahren zum ersten Mal friedlich die Macht an die rechtsgerichtete Opposition ab.

Der Abzug der US-Truppen dürfte sich wider Erwarten ebenfalls recht einvernehmlich vollziehen. Nachdem die USA jahrelang nach Möglichkeiten gesucht hatten, die Truppenpräsenz aufrechtzuerhalten, will sie den Vertrag von 1977 nun doch erfüllen. Bis heute verfügt die US-Armee über 18 400 Hektar Gelände und 26 Militäranlagen entlang des Kanals. Noch immer sind mehrere Tausend US-Soldaten in Panama stationiert.

Die Aufgabe der Truppe hat sich im Lauf der Jahrzehnte gewandelt. Erst durch die militärische Intervention der USA im Jahre 1903 wurde Panama, das zuvor zu Kolumbien gehört hatte, als formal eigenständiger Staat gegründet. Der einzige Zweck der Staatsgründung bestand jedoch im Bau des geostrategisch wichtigen Kanals. Als dieser 1914 fertig gestellt war, blieben die US-Truppen vor Ort, um ihn zu sichern. Später gingen von Panama immer wieder US-Interventionen in Zentralamerika aus. Die Militärbasen wurden zu einem Kontrollinstrument für den unruhigen "Hinterhof" der USA - und sind es bis heute geblieben. Um eine längerfristige Präsenz von US-Truppen zu sichern, brachten die USA 1995 das Projekt eines Multilateralen Drogenbekämpfungszentrums (CMA) ins Spiel. Nach Vorstellung des Chefs des Südkommandos der US-Army, General Barry McCaffrey, sollten 5 000 US-Soldaten in Panama stationiert bleiben und mit Militärs aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern gegen den Drogenhandel vorgehen. Doch im vergangenen Jahr scheiterte das CMA am anhaltenden Widerstand von Präsident Balladares.

Mit dem Sieg Moscosos könnten jetzt ähnliche Pläne allerdings wieder verstärkt in die Diskussion kommen. Während der US-Botschafter in Panama Simon Ferro letzte Woche zwar erklärte, die US-Regierung beabsichtige keine neuen Verhandlungen über den Verbleib von Militärstützpunkten, werden aus der Republikanischen Partei Stimmen laut, die US-Präsident William Clinton genau dazu aufrufen. Insbesondere der Rechtsaußen-Senator Jesse Helms profiliert sich dabei. Er hatte bereits im vergangenen Jahr gefordert, die Torrijos-Carter-Verträge rückgängig zu machen.

Zunächst aber wird der Abzug fortgesetzt. Nur drei Tage nach den Wahlen stellte die US-Armee am Mittwoch vergangener Woche den Betrieb des Luftwaffenstützpunkt Howard ein. Jetzt wird der Luftraum über der Karibik von Key West in Florida überwacht. Oberst Gregory L. Trebon befürchtet zwar, daß Drogenhändler in Zukunft verstärkt die Route über Panama nehmen könnten. Es sei nun jedoch Aufgabe Panamas, "sich mit dieser Angelegenheit herumzuschlagen". Die US-Behörden würden das Land dabei aber auch in Zukunft "logistisch unterstützen".

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