Hungerstreik bis zum Frühstück

Der Skandal um den korsischen Ex-Präfekten Bonnet weitet sich zur Staatsaffäre aus

Elite-Gendarmen als stümperhafte Brandstifter, der Präfekt als mutmaßlicher Auftraggeber - manchmal ist die Realität noch finsterer als die Krimis der série noire. Der Skandal um die Verwicklung des korsischen Präfekten Bernard Bonnet in eine Brandstiftung weitet sich zur Staatsaffäre aus.

Vier Mitglieder der Eliteeinheit GPS (Gruppe von Sicherheitskommandos) waren aufgeflogen, weil sie am 20. April das illegal errichtete Restaurant "Chez Francis" an der korsischen Küste kurzerhand abgefackelt hatten; geschickterweise hatten sie dabei Brandstiftermaterial und Funkgeräte gleich vor Ort gelassen, was ihre rasche Identifizierung erlaubte. GPS-Hauptmann Norbert Ambrosse war bei der - von den Brandstiftern nicht vorgesehenen - Explosion der Gaststätte verletzt und wenige Stunden später mit Brandverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Drei der Mitglieder des ursprünglich fünfköpfigen Kommandos haben daraufhin ein Geständnis abgelegt und den Präfekten von Korsika, Bernard Bonnet, als persönlichen Auftraggeber bezeichnet.

Die Aktion der GPS steht im Kontext des behördlichen Kampfes gegen illegale Bauten an der Küste, mit denen sowohl die Landschaft verschandelt als auch teilweise illegale Gelder der zahlreichen auf der Insel agierenden Clans und Mafias "recycelt" und reinvestiert werden. Seit 1990 existieren zahlreiche Gerichtsentscheidungen, welche die Zerstörung illegaler Gebäude anordneten. Zunächst jedoch ohne große Folgen.

Allerdings verändert sich die politische Atmosphäre auf der Insel dramatisch, nachdem radikalisierte, "dissidente" Fraktionen der korsischen bewaffneten Separatistenorganisationen am 6. Februar 1998 den damaligen Präfekten Claude Erignac im Zentrum von Ajaccio ermordet hatten. Sein Nachfolger wurde Bernard Bonnet, Ex-Präfekt in Perpignan, nahe der Grenze zu Spanien. Dort hatte er sich bereits als eine Art Rambo profiliert - etwa gegenüber Protestaktionen von Umweltschützern in den Pyrenäen. Bonnet erklärte gleich bei seinem Amtsantritt im Februar 1998, daß er mit eiserner Hand in Korsika aufräumen wolle.

Am 27. Juli desselben Jahres wurde auf seine Anregung die 80köpfige Eliteeinheit GPS geschaffen - ohne Rechtsgrundlage, durch einfachen Beschluß der Gendarmerieführung. Die GPS-Mitglieder treten in Zivil auf, um besonders heikle Aktionen gegen die bewaffneten Separatisten oder die organisierte Kriminalität auszuführen. Nach dem Gesetz untersteht die GPS - wie die gesamte Gendarmerie - der militärischen Hierarchie und in letzter Instanz dem Verteidigungsministerium.

De facto allerdings war die GPS, dank der persönlichen Verbindung zum GPS-Chef Henri Mazères, der persönlichen Leitung von Bonnet unterstellt, dem "Super-Bullen", wie ihn Le Monde nach seinem eigenen Anspruch titulierte. Beliebt machte er sich damit nicht. Sein Auftreten galt bei den Inselbewohnern als äußerst arrogant - mit der Folge, daß die korsischen Separatisten bei den Wahlen zum Inselparlament vor wenigen Wochen unerwartet 18 Prozent der Stimmen erhielt.

Seine selbstherrliche Amtsführung fand ein abruptes Ende, als er Anfang vergangener Woche in Untersuchungshaft genommen wurde. Am Dienstag ernannte Frankreichs Regierung bereits seinen Nachfolger Jean-Pierre Lacroix, und der Ex-Präfekt Bonnet wurde daraufhin in das Pariser Gefängnis La Santé eingeliefert. Dort begann er am Freitag einen Hungerstreik, um gegen die "mediale Lynchkampagne" und gegen die "Mittelmäßigkeit der Berufspolitiker" zu protestieren; am Samstag hatte er vom Hungern aber schon wieder genug.

Teile der konservativen Opposition versuchen nun, die Regierung als Komplizen des Möchtegern-Rambos und Ex-Präfekten Bonnet darzustellen. So forderte der ultraliberale Politiker Alain Madelin den Rücktritt von Innenminister Jean-Pierre Chevènement, während die konservativen "Dissidenten" und EU-Gegner Charles Pasqua und Philippe de Villiers den Rücktritt der gesamten Regierung und des Premierministers Lionel Jospin verlangen.

Für den Vorwurf, daß Präfekt Bonnet bei seinen Eskapaden im Auftrag der Regierung gehandelt hat, gibt es jedoch keine Belege. Allerdings waren Premierminister Jospin und Innenminister Chevènement nach Angaben von Le Monde seit Herbst 1998 darüber informiert, daß Bonnet - außerhalb seines Aufgaben- und Kompetenzbereichs - eigenmächtige Ermittlungen zum Tod seines Vorgängers Erignac betrieben und dabei die zuständigen Polizeibehörden umgangen hat.

Demnach übermittelte Bonnet Ende vergangenen Jahres seine Informationen direkt und unter Umgehung des Innenministeriums an den Premierminister. Dessen Mitarbeiter gaben das brisante Material an die zuständige Anti-Terror-Justiz weiter. Erst Ende Februar dieses Jahres habe der Innenminister den ehrgeizigen Präfekten in Korsika in scharfer Form in die Schranken gewiesen.

Das war offensichtlich folgenlos - zunächst. Am Wochenende wurde bekannt, daß die Gruppe um Bonnet und seine Gefolgsleute beim GPS bereits am 7. März einen weiteren Brandanschlag verübt hatten: auf das Restaurant "Aria Marina" nördlich von Ajaccio. Auf die Kapriolen ihrer Elitezündler reagierte die französische Regierung nun mit der Auflösung der GPS. Und so können weitere hochfliegende Pläne der Einheit, von denen der Journal du Dimanche berichtete, nicht mehr zur Ausführung kommen: beispielsweise private Schiffe zu versenken .