Murdochs Herrenwitz

Der Frauenspartensender TM3 präsentiert die nächste Champions League

Die Neue Zürcher Zeitung hält es für den "Anbruch eines neuen deutschen Fernsehzeitalters". Doch hierzulande fällt Medienkritikern, die sich sonst viel auf ihre Fähigkeit zum kritischen Urteil einbilden, beim Verkauf der TV-Rechte der Champions League an den Münchner Sender TM3 nur Harald Schmidt und der gepflegte Herrenwitz ein. Und der Versprecher der TM3-Chefredakteurin Anna Doubek, im diesjährigen Champions League-Finale träfen "Manchester und Deutschland" aufeinander, läßt so manchen Kommentator sabbern, als hätte Carmen Thomas gerade "Schalke 05" gesagt - Frauen und Fußball eben.

Der Sender TM3, 1995 in Deutschland gestartet, gehört seit November letzten Jahres zu 66 Prozent dem australischen Medienunternehmer Rupert Murdoch, 34 Prozent verblieben bei dem deutschen Filmhändler Herbert Kloiber. Neben TM3, der mit einer durchschnittlichen Einschaltquote von 0,8 Prozent bisher ziemlich bedeutungslos ist, gehört Murdoch auf dem deutschen Markt nur noch Vox, der zwar mal größere Ambitionen hatte, aber mittlerweile auch eher unbedeutend ist.

TM3 war angetreten, um die Zielgruppe ökonomisch unabhängiger Frauen endlich fürs Fernsehen zu erschließen. Gesendet wurden Magazine, "die zumindest nicht schlechter waren als das Angebot der Konkurrenz, aber wie es oft ist: gut gemeint, auch gut gemacht, doch niemand guckt hin", wie die Süddeutsche die Situation beschrieb. Ein paar der Formate blieben übrig, ein paar Billig-Wiederholungen ("Der Preis ist heiß", "Ruck Zuck", "Hopp oder Top") wurden ins Programm genommen.

Heute ist das Programm eine verwirrende Mischung aus ambitionierten Sendungen wie "Working Women", einer Porträtreihe über Unternehmerinnen, die von der Schlagersängerin Kim Fisher präsentiert wird, oder wie "Anna Doubek - Das Magazin" - mit einem ausführlichen Interview, geführt von der Chefredakteurin persönlich - auf der einen Seite und eher weniger ambitionierten Sendungen wie "Die Vorher-Nachher-Show" mit Gundis Zambo, wo es um Typberatung geht, oder die Nachmittagssendung "Leben und Wohnen" mit Haushalts-, Handwerks- und Kochtips, bei denen das ungeschlagene Highlight die Sendung "Der Reis ist heiß" mit Harry Wijnvoort darstellt. Hier haben erfahrene Fernsehköche viel Arbeit, dem niederländischen Entertainer den Unterschied zwischen Schnittlauch und Petersilie zu erläutern - ganz so wie bei der verheirateten berufstätigen Frau daheim.

Das Konzept ging nicht so ganz auf, und ob es nach Meinung des neuen Mehrheitsbesitzers Rupert Murdoch je aufgehen sollte, ist auch nicht klar. Der nutzte TM3 und Vox lediglich, um einen Fuß in die Tür des relativ gut verschlossenen deutschen Fernsehmarkts zu bekommen. Beinah überall sonst auf der Welt ist Murdoch schon längst die bestimmende Medienfigur, und beinah überall auf der Welt hat sich Murdoch, mit kleinen Sendern beginnend, so vorgearbeitet, wie er es jetzt augenscheinlich in Deutschland plant. In den USA, notierte die New York Times im April, "wurde er eine dominierende Kraft im Sportfernsehen. Nach einer dreijährigen Investitionsphase ist die ihm gehörende Fox-Gruppe Eigner von 23 regionalen Sportanbietern." Nur vier gehören ihm noch nicht.

Mit der Fox-Gruppe sicherte Murdoch sich zuerst die Erstrechte an der NFL, der großen Profiliga im American Football, für deren Präsentation er auch das Personal bei den in diesem Sektor bislang führenden Fernsehanstalten NBC, ABC und CBS abwarb. Seit einigen Jahren investiert er auch mit Erfolg in die großen Box-Events. Zu Murdochs Unternehmen gehören insgesamt 789 Firmen in 52 Ländern. Fernsehanstalten besitzt Murdoch in den drei Kontinenten Amerika, Australien und Europa. Und mit seinen 200 Zeitungen ist er in vier Kontinenten vertreten, lediglich Afrika fehlt ihm noch. In Großbritannien gehört ihm der Sender BSkyB, mit dem er im März dieses Jahres den börsennotierten Fußballclub Manchester United aufkaufen wollte, was aber vom britischen Handelsminister untersagt wurde. Die Champions League hat er in Großbritannien in den letzten Jahren mit großem Erfolg auf BSkyB vermarktet. Erst jüngst scheiterte Murdoch bei dem Versuch, BSkyB mit dem französischen Fußballrechte-Inhaber Canal Plus zu fusionieren, aber Murdochs Imperium ist zu stabil, als daß es durch solche Niederlagen erschüttert werden könnte.

Ende 1998 beschloß der europäische Fußballverband Uefa, die Champions League noch verwertungsfreundlicher zu strukturieren.Hintergrund war der Versuch etlicher europäischer Spitzenvereine, eine von Verbänden autonome Europaliga zu etablieren - ein Angriff auf den Verwertungsschlager Champions League. Die Uefa reagierte mit der Ausweitung der Champions League von 24 auf 32 Teilnehmern, von elf auf 17 Spieltagen, bzw. von 85 auf 157 Spiele. Eine wirklich clevere Reaktion.

Durch das große Teilnehmerfeld ist die Wahrscheinlichkeit, daß die zur autonomen Europaliga - die von Berlusconi und Murdoch finanziert werden sollte - entschlossenen Vereine jedes Jahr durch ihre Qualifikation in die Champions League integriert sind, sehr hoch. Weil aus den attraktiven Ligen - England, Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich - viele Qualifikanten antreten, ist die Wahrscheinlichkeit, daß einschaltquotenruinierende Osteuropäer sehr weit kommen, eher gering. (Daß es doch mal passieren kann, hat Dynamo Kiew gezeigt, die erst im Halbfinale von Bayern München gestoppt wurden).

Zugleich dient der Umstand, daß aus den ökonomisch interessanten Ländern mehrere (bis zu vier) Teilnehmer an der Champions League kommen, auch der Durchsetzung von Pay-TV - das für das jeweilige Land attraktivste Spiel läuft im Free TV, die übrigen Spiele, die durchaus hohen sportlichen Wert besitzen, sind hingegen nur mit Abo und Decoder zu empfangen. Schließlich bremst auch der Umstand, daß die Champions League immer mehr als richtige Liga ausgespielt wird, die Bestrebungen der großen Clubs um einen eigenständigen Spielbetrieb aus und sorgt gleichzeitig für eine Entwertung der nationalen Ligen.

Gespielt wird ab der nächsten Saison in acht Vorrunden-Gruppen, die aus je vier Mannschaften bestehen. Die beiden besten kommen in die Zwischenrunde, bestehend aus vier Gruppen mit je vier Teams. Ab dann beginnt das Viertel-, Halb- und Finalsystem. Auch die Vereine, die rausgeflogen sind, können noch weiter mitspielen und weiter Fernsehrechte kassieren: Sie werden einfach in die dritte Runde des Uefa-Cups integriert. Was bislang der Europapokal der Landesmeister war und sich heute Champions League nennt, hat also den Umfang der halben Bundesliga (34 Spieltage mit 306 Begegnungen), zählt man den entwerteten Europapokal der Pokalsieger, den Uefa-Cup und den aus dem früheren Intertoto-Cup hervorgegangen UI-Cup hinzu, sind europäische Wettbewerbe schon längst umfangreicher als jeder einzelne nationale Spielbetrieb.

Daß TM3 all die Spiele, für die der Sender jetzt die Rechte besitzt, selbst präsentieren wird, ist eher unwahrscheinlich. Der Sender wird sich wahrscheinlich das Spitzenspiel mit deutscher Beteiligung vorbehalten und die anderen Spiele mit Unterrechten weitergeben, so daß dienstags und mittwochs - den Spieltagen der Champions League - Premiere und Premiere-digital, DSF und Sat.1, DF-1 und Vox alle irgendein Fußballspiel der europäischen Spitzenklasse zeigen dürften.

Das beste Personal aber, das gebraucht wird, um diese Ereignisse angemessen zu präsentieren, wird sich bei TM3 versammeln. Einen Tag nach der überraschenden Meldung, daß TM3 die Champions League hat, wurde bekannt, daß Michael Pfad, bislang Sportchef von Premiere, wohl bei TM3 anheuern wird. TM3-Geschäftsführer Jochen Kröhne erklärte stolz und, was den Zustand des Sportjournalismus angeht, vielsagend: "Wir werden uns die besten Leute kaufen - ich habe von fast allen ein Angebot bekommen." Von den kulturellen Effekten her betrachtet, ist der Rechtewechsel in der Champions League doch eher der Anbruch eines neuen deutschen Fernsehzeitalters denn der Versprecher einer Chefredakteurin.