Egal, legal, Scheißregal

Vorher kackbraun, nachher schilfgrün - Typberatung fürs Wohnzimmer in der Show "Tapetenwechsel"

Während alle nur vorstellbaren Themen dauergesendet werden, wurde eines bisher konstant vernachlässigt: Gewohnt wird im Fernsehen nur sporadisch, Einrichten steht kaum einmal auf dem Sendeplan. Nur in der WDR-Serie "Die Fußbroichs" kann man der gleichnamigen Familie alle halbe Jahre beim Sofakaufen oder Regalaufbauen zusehen.

Das war zu Beginn der modernen Fernsehunterhaltung noch anders. Eine ganze Folge der Show "Wünsch dir was" beschäftigte sich damals mit dem Thema Wohnen und Einrichten, die Kandidaten erhielten sogar den Auftrag, ihr Traumwohnzimmer einzurichten. Das im Studio versammelte Bürgertum im alternativen Anfangsstadium erlebte dann jedoch eine herbe Enttäuschung: Der Psychologe attestierte ihnen, trotz der mühevoll ausgesuchten Trendmöbel in knalligen Farben, doch nur Spießertum. Eine orangefarbene Schrankwand sei schließlich immer noch eine Schrankwand und offenbare, daß man sich von herkömmlichen Einrichtungskonzepten nicht lösen könne, und überhaupt sei die Ausrichtung von Sofas, Sesseln etc. auf den Fernseher der Gipfelpunkt der Konformität.

Danach kamen Möbel im TV nur noch zu Dekorationszwecken oder als Beleg für irgendeinen Lebensstandard vor. Seit einiger Zeit jedoch hat sich der Bayerische Rundfunk des Themas angenommen. "Tapetenwechsel" ist der Titel einer halbstündigen Show, "die Sendung für Wohnsinnige". Von der Bausparkasse Schwäbisch Hall gesponsert, geht es um Renovieren unter verschärften Bedingungen. Denn die beiden teilnehmenden Paare verschönern nicht ihre eigenen Wohnungen, sondern jeweils einen Raum der anderen.

In der letzten Folge darf Moderatorin Susanne Rohrer etwas völlig Neues, etwas noch nie Dagewesenes verkünden: Zum ersten Mal machen zwei Schwestern mit, und zum ersten Mal war einer der zu renovierenden Räume ein Schlafzimmer. Denn Karin und Andreas sind ihren Schlafraum, an dem "noch nie was dran gemacht" wurde, gründlich satt. Diese Aussicht versetzt Susanne Rohrer dann auch in helle Aufregung. Die herumstehenden hellen Kiefernschränke und die obligatorische Bauerntruhe interessieren sie dabei jedoch wenig, das alte Bett hat es Rohrer angetan.

Über das Bett sagt Andreas: "Das einzige, das in dem Bett noch funktioniert, sind die Matratzen." Und sofort beginnt Susanne Rohrer zu glucksen: "Ich könnt ja jetzt nachfragen, aber das täte nichts zur Sache, denn wir machen ja 'Tapetenwechsel'". Und nicht Partnertausch oder sonst irgendeinen Schweinkram, der Rohrers Meinung nach untrennbar mit Betten zu tun hat.

Schließlich beruhigt sich die Moderatorin aber wieder und geht zur Ortsbesichtigung ins Nachbarhaus, wo Karins Schwester Renate mit ihrem Ulli wohnt.

Dort sollen vor allem die taubenblauen Vorhänge raus, und mit dem großen Fenster muß auch etwas passieren. Denn, so Renate, es störe sie, daß "dieses Fenster mit den Pflanzen verbaut ist", es werde so "von uns viel zu wenig genutzt". Was außer Durchsehen kann man mit einem Fenster denn noch tun? Lüften. Gehört auch zum täglichen Programm, denn Susanne Rohrer atmet ohne nennenswerte Probleme durch Mund und Nase ein. Und schaut ohne große Abscheu auf das Zimmer, das nach Standards eingerichtet wurde, die dem Einrichtungsexperten von "Wünsch dir was" nur hämische Bemerkungen entlockt hätten. Denn es ist alles da - das weiße Sofa, der blankgebohnerte Boden, bunte Malereien und alte Fotos in antiken Holzrahmen -, was man in einer Million anderer, vom Grünen-wählenden Mittelstand bewohnten Wohnungen so finden kann. Komplett in "Öko-Bauweise", wie Ulli bei der Zimmerbesichtigung stolz betont.

Nachdem die erledigt ist, haben die Kandidaten zwei Tage Zeit für die Verschönerungsarbeiten, 3 000 Mark dürfen sie jeweils ausgeben. Damit das Resultat nicht allzu scheußlich wird, kümmern sich zwei Einrichtungsexperten mit um die Renovierung, und der "Bastl-Wastl" übernimmt die anstehenden kniffligen Handwerkerarbeiten.

In Renates Wohnzimmer muß die braune Schrankwand als erste dran glauben, im Schlafzimmer ihrer Schwester sind es die Kiefernschränke. Die werden mit einer gelben Platte verkleidet. "Das schaut voll Scheiße aus!" befindet Renate zunächst, bis das Fachteam sich der Sache annimmt. In ihrem Schlafzimmer wird derweil ein neues Bett gebaut, das mit braunem Plastik-Leder umkleidet wird. Viel besser sieht das zwar, vor allem in der Kombination mit dem grünlich angemalten Parkettboden auch nicht aus, aber Susanne betrachtet ihr Werk zufrieden, nicht ahnend, was in der Zwischenzeit mit ihrem Wohnzimmer passiert.

Dort wird neben freihängenden Regalkonstruktionen gerade ein Papierteppich in einer seltsamen Matschfarbe verlegt. Am Ende sind aber beide Schwestern plus die dazugehörigen Ehemänner begeistert von der neuen Einrichtung, während der Zuschauer zufrieden feststellt, daß er doch eine ganze Menge gelernt hat. Daß Ökofarbe teuer ist, ein Bohrer länger hält, wenn man Wasser auf das zu bohrende Stück tropft, und daß Stahlseile mit aufgebolztem Gewinde "sechshundertfuchzig Kilo Bruchkraft" haben. Auf die Frage, wie man ein Wohnzimmer nicht auf den Fernseher ausrichtet, gibt es keine Antwort.

"Tapetenwechsel" gibt es jeden Dienstag von 19 bis 19 Uhr 30 in Bayern 3.