Schily stellt Kriminalstatistik vor

Objektiv sicher

Mal sind es "die Autonomen", mal "die Ausländer", dann die "Organisierte Kriminalität". Derzeit, so ist der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zu entnehmen, rangieren kriminell gewordene Kinder und Jugendliche ganz oben, wenn es um die ständig lauernde Gefahr auf Deutschlands Straßen geht.

Die Zahl tatverdächtiger Kinder habe, so ließ Bundesinnenminister Otto Schily vergangene Woche wissen, um 5,9 Prozent zugenommen - die überwiegende Mehrheit dieser unter 14jährigen hat sich übrigens einfach beim Ladendiebstahl erwischen lassen. Ähnliche Ziffern lassen sich in anderen Bereichen der sogenannten Jugendkriminalität ausmachen. So sind beispielsweise 27,9 Prozent mehr 14- bis 18jährige als im vergangenen Jahr beim Konsum verbotener Drogen aufgefallen, soll heißen: sie haben gekifft oder Ecstasy eingenommen, anstatt ordentlich bei Aldi Billigfusel zu kaufen - oder zu klauen, was ja auch wieder strafbar wäre. Noch wichtiger in Schilys Statistik: Körperverletzungsdelikte unter Jugendlichen haben immens zugenommen.

Ergo: Die Welt wird immer gefährlicher. Will man denn Zahlen der PKS Glauben schenken, dann läßt sich freilich ebenso das Gegenteil beweisen. Etwa, daß viel weniger Autos gestohlen und Wohnungen aufgebrochen wurden. Aber sei's drum: Der Versuch, die Zahlen dieser Studie zur Grundlage für Analysen zu machen, schlägt fehl - nicht nur, weil dort Tatverdachte, nicht Taten registriert werden und Dunkelziffern mit Fahndungserfolgen konkurrieren.

Das jährliche Ritual funktioniert dennoch: Das Verbrechen bedroht die sogenannte Innere Sicherheit. Und zwar völlig unabhängig davon, daß durch den Genuß illegaler Drogen oder die widerrechtliche Aneignung von Aldi-Eigentum kein Außenstehender zu Schaden kommt (der Eigentümer des Lebensmittelkonzerns kann angesichts seines Umsatzes vernachlässigt werden). Wen interessiert da, daß Schily selbst nach PKS-Zahlen in Sachen Kriminalität den niedrigsten Stand seit 1993 einräumen muß. Unterm Strich, und darauf kommt es an, kann der Bonner Minister vermelden: Eine effiziente Strafverfolgung ist für die Sicherheit von existentieller Bedeutung.

Das repetieren die Schlagzeilen. Und damit stimmt das Bild: Autoritäre Lösungen für ein irreales Szenario, wo es für die Wirklichkeit keinen Plan gibt. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Hardraht, ließ denn auch im Anschluß an Schily vergangene Woche wissen, die "Schere zwischen objektiver Sicherheit und subjektivem Sicherheitsgefühl" müsse geschlossen werden. Dafür muß freilich die Polizeipräsenz auf Deutschlands Straßen erhöht werden. Ein Mangel an Sicherheitsbedürfnis wird kaum aufkommen. Dank PKS.