Rechtswähler sollen endlich für die PDS stimmen

Der Trabi-Stoiber

Sind Linke oder Rechte die besseren Demagogen, wenn es um die Eroberung "sozialer Brennpunkte" geht? Die PDS jedenfalls, so meinte der Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, in der vergangenen Woche, könne sich damit prima profilieren.

Was die CSU schon seit Jahren für sich in Anspruch nimmt - durch den eigenen Rechtspopulismus rechtsextremen Parteien in Bayern keine Chance zu geben - reklamierte Gysi im Gespräch mit der Berliner Zeitung nun auch ganz offen für die ostdeutsche Regionalpartei: Von dem "riesigen rechtsextremen Potential" im Nachwende-Osten seien viele Wähler "nur deshalb nicht bei den Rechtsextremen gelandet, weil wir sie an uns gebunden haben". Lediglich bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt hätte die PDS bei ihrer ansonsten glorreichen integrativ-demokratischen Leistung versagt - dort haben statt dessen die Nazis der DVU das deutsche Protestpotential erfolgreicher mobilisieren können. Ein bedauerlicher Ausrutscher.

Anders als die CSU will die PDS aber keine Regionalpartei bleiben. Auch im Westen will Gysi - bisher eine Art sozialistischer Stoiber aus der Trabi-Zone, der den Ostprotest ins ferne Bonn getragen hat - künftig bei den Wählern rechter Parteien punkten: "Wir haben die historische Aufgabe, den sozialen Prozeß dieser Menschen in eine linksdemokratische Richtung zu lenken", sagte er der Berliner Zeitung.

Nur zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Rechtswähler seien nämlich "unverbesserliche Rassisten", alle anderen könnten ihr Kreuzchen doch genausogut bei der PDS machen. Wenn man ihnen nur erfolgreich erklärt, "daß nicht Ausländer ihr Problem sind, sondern die Unterschiede zwischen oben und unten in der Gesellschaft". Aufklärung und ein bißchen Sozialkitsch im Stil von "die da oben, wir hier unten" - so einfach kann Antikapitalismus sein.

Natürlich, schob Gysi am Freitag vergangener Woche in einer schriftlichen "Richtigstellung" nach, hat er das alles erstens gar nicht so gesagt und zweitens erst recht nicht so gemeint. Die Erklärung - in der sich Gysi über die "falsche Wiedergabe" seiner Aussagen in der Berliner Zeitung beschwert und betont, Rechtsextreme seien für die PDS keine Zielgruppe - kam allerdings erst auf Druck aus den eigenen Reihen zustande.

Neu ist die parteiinterne Diskussion über das Thema nicht. Matthias Gärtner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen-Anhalt, kennt "diese verkürzenden Satzbausteine" bereits - auch von Gysi. Bisher waren es eher die Genossen der Kommunistischen Plattform, die eine Reizüberflutung aus dem Westen und das in den Osten exportierte soziale Elend für den Erfolg Rechtsextremer verantwortlich machten. Ostidentität und soziale Demagogie reichen für den platten Kapitalismusbegriff der Plattform aus.

Für Diether Dehm, stellvertretender Parteivorsitzender der PDS, hat die Partei die Chancen, die dieses Thema ihr eröffnet, noch nicht erkannt - im Westen wie im Osten: "Es geht um einen Wettlauf mit der Zeit, den die Linke bisher noch nicht erkannt hat." Die soziale Frage, so Dehm im Gespräch mit Jungle World, müsse die PDS als "primäre, aber nicht einzige Frage" thematisieren und damit "gezielt Haushalte ansprechen, in denen der Otto-Katalog als einziges Print-Medium gelesen wird". Dehms im Parteivorstand bereits diskutierter und umgesetzter Vorschlag: ein "Sozialquiz" als antikapitalistisches Propagandainstrument, "um aufzuklären, wer das Elend verursacht". Einfache Fragen nach den Steuerzahlungen der Deutschen Bank oder der Besteuerung von Spekulationsgewinnen sollen Nicht- und Protestwähler für die Linke gewinnen. Unter einer Voraussetzung: "Linke müssen ihre Hochnäsigkeit gegenüber sozialem Elend aufgeben."

Gärtner hingegen sieht - ohne seinen Parteigenossen "etwas unterstellen zu wollen" - eine große Gefahr darin, "daß das Thema Rechtsextremismus allein auf die soziale Frage reduziert" werde: "Wir brauchen darüber unbedingt eine parteiinterne Diskussion." Sonst tappe die PDS in eine Falle, und die politische Auseinandersetzung mit Rechtsextremen sei nicht mehr möglich.

Einem Teil der Genossen und ihrer Sympathisanten käme das vielleicht gar nicht so ungelegen. Gefrustete Ossis wissen schließlich, daß das soziale Elend in ihren Provinzkäffern erst mit dem Anschluß an den vermeintlich US-amerikanisch dominierten BRD-Kapitalismus Einzug gehalten hat. Und Arbeits- wie Perspektivlosigkeit hat es im Deutschen Sozialismus auch nicht gegeben.