Grüne Jungliberale gehen auf Konfrontation

Ja zu Berninger!

Die Schlacht ist gewonnen, nun gehen die Sieger ans Leichenfleddern. "Die Zeit des Burgfriedens und der Formelkompromisse ist vorbei", kündigte ein fünfseitiges Schreiben parteiinterne Säuberungen bei den Bündnisgrünen an. Weil man gelernt hat, mit dem richtigen Human-touch zu formulieren, fordern die marktradikalen Junggrünen freilich schlicht "eine teilweise Auswechslung der Mitgliedschaft".

Im Visier des am Montag veröffentlichten Papiers: Die internen Kritiker und Kritikerinnen des grünen Kriegskurses. Wer etwa zur Nichtwahl von Bündnis 90/Die Grünen bei der Europawahl aufgerufen habe oder sich in Netzwerken zusammenschließe, um Mehrheitsbeschlüsse der Partei zu torpedieren, "sollte sich überlegen, ob er nicht in einer linken Folkloregruppe besser aufgehoben ist als in einer Partei".

Die da auf die Pauke hauen, haben schon vor zwei Jahren mit dem "Staart 21"-Papier "für einen neuen Generationenvertrag" von sich hören lassen: 40 jüngere Funktionsträger, unter ihnen auch Bundestagskarrieristen wie Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt und Matthias Berninger. Bereits damals fabulierten die Autoren und Autorinnen vom notwendigen "Modernisierungsschub" der "innovationsbereiten Gesellschaft", von "Eigeninitiative und Kreativität" der Arbeitenden. Naheliegend also, daß die grünen Westerwellen jetzt dem "Muff von 20 alternativen Jahren" den Kampf ansagen.

Man will den "Dachboden" ausmisten. Alles, "was einem früher gut gefallen hat, aber längst ausrangiert ist", soll einer finalen Entrümpelungsaktion zum Opfer fallen. Dabei sind die Vorgaben der Youngsters eindeutig gesteckt: Ich will FDP werden anstelle der FDP, wünscht sich etwa Berninger, auch wenn dem Original zunehmend die Puste ausgeht. Ins Papier ließ der Parlamentarier formulieren: "Uns als zweite Generation interessiert es nicht, wie ihr euren Frieden mit der sozialen Marktwirtschaft gemacht habt. Hauptsache, es ist so." Eben.

So what? Sollte am grünen Frischgemüse tatsächlich vorbeigegangen sein, wie sich der grüne Haushaltsexperte Oswald Metzger ins Zeug legte, damit künftig den Arbeitslosen die Knete gekürzt wird? Oder wie sich Sozialpolitikerin Christine Scheel für Rentenstreichungen stark macht? Wohl kaum.

Wen also wollen die Autoren und Autorinnen eigentlich noch ansprechen, wenn sie der Gründergeneration vorwerfen, sie pflege "das Ritual der alternativen Bewegung"? Gerade die verbliebenen "Alt-Linken" um Jürgen Trittin, Angelika Beer oder Ludger Volmer wußten schließlich am besten die Regie zu übernehmen, als es galt, die Parteidisziplin gegen innergrünen Unmut durchzusetzen. Oder meinen sie etwa Joseph Fischer, der wie kein anderer die verbalen Rituale der 68er-Generation für das Nato-Morden in Jugoslawien zu nutzen wußte? Nein, nach den Grünen, die in der Partei "die organisierte Verantwortungslosigkeit zum Königsweg" erklärt haben, sucht man vergeblich. Im Gegenteil: Spätestens mit der Bonner Regierungsübernahme ist der Parteiapparat so geordnet wie noch nie und fast schon zum von Berninger eingeklagten "politischen Dienstleitungsunternehmen" geworden. Nicht zuletzt die Arroganz der Macht, mit der Trittin und Co. in Bielefeld aufgetreten sind, sollte das bestätigen.

Bleiben also am Ende nur noch jene sieben Bundestagsabgeordnete um Annelie Buntenbach und Christian Ströbele, die gewagt hatten, ein zögerliches, konsequenzloses "Nein" zu Kriegseinsätzen formulieren. Zuviel offenbar für die selbsternannten Erneuerer. Dabei haben sie, wenn auch unfreiwillig, die besondere Bedeutung ihrer ungeliebten Parteifreunde selbst herausgearbeitet: "Die einen für das Gutgemeinte, bestenfalls das Gutgedachte, die anderen für das im Rahmen mögliche Gutgemachte - diese Arbeitsteilung mochte in der Opposition vielleicht noch funktionieren, für eine Regierungspartei ist sie schädlich."

Gerade weil sie doch funktioniert, täten die Berningers und Özdemir eigentlich gut daran, sich ihre Linksgrünen zu erhalten - während diese wiederum der Partei endlich den Rücken kehren müßten, wenn sie es denn mit ihren linken oder pazifistischen Zielen ernst meinen. Wie schreiben die Junggrünen richtig: Es ist an der Zeit, daß man bei den Grünen "Lebenslügen aus Oppositionstagen endlich auch als solche wahrnimmt". Deshalb: Ja zu Berninger!