Zivilgesellschaft für das Amselfeld

Kein Frieden ohne Militärs

Von wegen zivile Konfliktschlichtung. "Einen ganz neuen Stellenwert in der deutschen Außenpolitik" hatte der grüne Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) noch im November letzten Jahres versprochen. Die Anhängerinnen und Anhänger zivilgesellschaftlicher Sofortrezepte, die die Grünen wegen dieser und anderer pazifistischer Verheißungen gewählt hatten, konnten erleichtert aufatmen: Künftig, so Volmer nach der Entsendung der ersten OSZE-Beobachter in das Kosovo, werde man im Außenministerium auf zivile Vorbeugung und Beruhigung politischer Konflikte setzen statt auf militärische Lösungen.

Doch während Volmer noch seinen zivilen Tagträumen nachhing, hatte der Aufmarsch der Schnellen Nato-Eingreiftruppe - dem Kern der jetzigen Kfor-Einheiten - an der Grenze zu Jugoslawien längst begonnen. Mit parlamentarischer Zustimmung des grünen Staatsministers: Um im Falle einer nötigen Evakuierung der zivilen Beobachter rasch eingreifen zu können, hatte der Deutsche Bundestag parallel zur OSZE-Mission die Entsendung von 600 Bundeswehrsoldaten nach Mazedonien beschlossen.

Kein Frieden ohne Militärs: Volmers Gerede vom Ausloten ziviler Konfliktschlichtungsmodelle entpuppte sich bereits kurz nach Amtsantritt der rot-grünen Regierung als das, was spätestens nach dem Abzug der OSZE-Emissäre Mitte März unübersehbar war: Mehr als ein humanitär-ziviles Ablenkungsmanöver war die Kosovo-Mission zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr setzten Europäer und US-Amerikaner von Anfang an auf die militärische Lösung des Konflikts. Gespickt mit zivilgesellschaftlichen Verheißungen: Doch von den unter Führung der OSZE zu organisierenden und beobachtenden Wahlen in der südserbischen Provinz spricht heute keiner mehr.

So war es auch kein Wunder, daß von den 2 000 Beobachtern, auf die sich der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic und der US-amerikanische Balkan-Sondergesandte Richard Holbrooke im Oktober letzten Jahres geeinigt hatten, bis zum Beginn der Nato-Angriffe nicht mehr als 1 400 den Weg in das Kosovo fanden. Zum selben Zeitpunkt hatte die Nato ihr militärisches Personal in Mazedonien und Albanien bereits auf über 8 000 Soldaten aufgestockt. Über den "mangelnden politischen Willen", die OSZE zu stärken, lamentierte zu diesem Zeitpunkt allenfalls noch Willy Wimmer, deutscher Vizepräsident der Parlamentarischen OSZE-Versammlung. Im Grunde, so Wimmer, sei der Organisation im Kosovo eine Aufgabe übertragen worden, "die sie von Anfang an nicht lösen konnte".

Weil es die führenden Nato-Staaten nicht wollten. Spätestens nach den Leichenfunden von Racak im Januar war klar, welche Rolle das Militärbündnis für die ungeliebte Zivilorganisation vorgesehen hatte: den humanitären Anlaß für ein militärisches Eingreifen zu liefern. So war es denn auch der Missionschef William Walker höchstpersönlich, der im Januar den Startschuß zur Selbstdemontage der Mission gab: Serbische Soldaten, so der US-amerikanische agent provocateur nach der Entdeckung der erschossenen Kosovo-Albaner in Racak, seien für das Massaker verantwortlich, weitere Untersuchungen überflüssig: Schluß, aus, Punkt. Das war der Anfang vom Ende der Mission.

Daß die von Volmer und Bundesaußenminister Joseph Fischer als zivile Alternative zum Militärschlag gegen Jugoslawien verkaufte Mission lediglich zu dessen Legitimation diente, macht schon die Kritik aus den rot-grünen Reihen selbst deutlich. Der Vorwurf, die zivilen Beobachter seien nichts weiter als politische Touristen, die in der Gegend herumfotografieren, dürfte dabei noch zu den gelinderen zählen. Was Rote wie Grüne viel mehr beklagten, war die mangelnde Fähigkeit der Organisation zur Selbstverteidigung. Daß die OSZE den Waffenstillstand zwischen jugoslawischen und kosovo-albanischen Einheiten jemals hätte absichern können, glaubte in Bonn keiner.

Weshalb auch Rot-Grün von Anfang an auf die Nato setzte - und weiter setzt. Denn das, wofür die deutschen Zivilisten in der OSZE-Mission zuständig waren - die "Förderung der zivilen Gesellschaft" -, können deutsche Soldaten mindestens genauso gut. Auf die Frage, nach welchem Recht in Pristina und Umgebung Verdächtige eingesperrt und gegebenenfalls wieder freigelassen werden, antwortete Oberstleutnant Dietmar Jeserich letzte Woche: "In unserem Verantwortungsbereich gilt deutsches Recht." Das hätten die deutschen OSZEler nie zustande gekriegt.