Mobbing gegen Trittin

Corporate Identity

Zwei Dinge werden Jürgen Trittin von seinen Gegnern in der eigenen Partei vorgeworfen: Erstens, er habe nichts erreicht, und zweitens, an ihm hafte der Muff von 32 Jahren Alternativbewegung, weil er immer noch den alten Prinzipien von '68 anhänge. Das wäre neu: So viele Prinzipien, wie Trittin im Laufe seiner politischen Karriere schon über Bord geworfen hat, haben die Unterzeichner sämtlicher junggrüner Aufrufe seit Joseph Fischers Abschied vom Straßenkampf noch nie gehabt.

Seit der ehemalige KB-Mann Trittin Mitte der achtziger Jahre den Schritt von der parlamentarischen Vertretung der Göttinger Autonomen und vom Gegner grüner Regierungsbeteiligungen zum Fraktionsvorsitzenden der Grünen im niedersächsischen Landtag machte, und erst recht, seit er 1990 dem Ministerpräsidenten Gerhard Schröder als Bundesratsminister diente, verfolgt er vor allem ein Ziel: die Grünen aller Flügel auf Regierungsfähigkeit zu trimmen.

Keine Kröte war Trittin zu dick, wenn es in Koalitionsverhandlungen mit der SPD ans Schlucken ging. Das war Anfang der neunziger Jahre so, als er in Niedersachsen eigentlich gerne Umweltminister geworden wäre, um den Atomausstieg zu vollziehen. Das Amt bekam die SPD-nahe Parteilose Monika Griefahn, für die Grünen blieben die Ressorts Frauen und Bundesrat. Aus den grünen Forderungen nach einem Ausstieg aus der Atomkraft und der Müllverbrennung wurde selbstverständlich ebensowenig etwas wie aus derjenigen nach der Auflösung des Landes-Verfassungsschutzes. Trittin zerdrückte ein paar Tränen - nicht zu viele, denn er hatte ja vorher immer wieder betont, "ohne einen Knackpunktekatalog", "ohne unverhandelbare Essentials" in die Verhandlungen zu gehen.

Die Geschichte wiederholt sich: Am Ende des Jahrzehnts ist es den Grünen weder in den Koalitionsverhandlungen noch in den ersten neun Monaten ihrer Regierungszeit gelungen, Schröder eine Festlegung zum Atomausstieg abzuringen, die über die schlichte Regelung hinausginge, daß die Reaktoren dann abgeschaltet werden, wenn sie kaputt sind. Ihre noch in der letzten Legislaturperiode vehement vertretene Forderung nach der Abschaffung aller Geheimdienste hat die Verhandlungsdelegation, in der Trittin ein gewichtiges Wort mitzureden hatte, nicht einmal mehr in die Koalitionsgespräche eingebracht. Wie schon bei der ersten Koalition, an der Trittin beteiligt war, täte man sich auch jetzt wieder schwer, einen einzigen Punkt auszumachen, in dem die Grünen sich durchsetzen konnten. Immerhin ist der Mann jetzt Umweltminister. Von wegen, Trittin habe nichts erreicht. "Das Klima in der Koalition ist gut", bekannte er vergangenen Freitag.

Für so viel Anpassungsfähigkeit müßten die Berningers und Metzgers Jürgen Trittin eigentlich lieben. Doch sie hassen ihn. Der Grund: Gelegentlich läßt Trittin durchblicken, wenn er allein bestimmen dürfte, würde er manches anders machen als in der Koalition mit der SPD. Das ist nicht zukunftsorientiert, das mieft nach linker Ecke, nach dem ungelüfteten "Dachboden" der grünen Partei, wie Berninger, Özdemir und weitere gut vierzig eher junge als wichtige Grüne vor zehn Tagen in ihrem Strategiepapier beklagten: Die "Neue Mitte" will Siegertypen und keine Loser.

Das hatte die SPD als erste begriffen, und auch die Westerwelle-FDP und selbst die Konservativen haben sich längst eine Corporate Identity zugelegt, die den Katalogen der Trendforscher und Werbemacher entnommen ist. Die läßt sich aber mit den Resten vom grünen Image, mit der Erinnerung an strickende Männer auf Parteitagen, kaum vereinbaren. Wenn aus dem Projekt der "New Greens" etwas werden soll, dann muß dieses Bild ausradiert werden, dann muß ein deutliches Zeichen her, daß die Grünen von heute nicht mehr die Grünen von damals sind. Was wäre da besser geeignet als der demonstrative Abschied von Trittin? Daß er es war, der den Grünen auf dem Weg zu ihrer jetzigen Inhaltsleere stets wacker vorangeschritten ist, spielt dabei keine Rolle, und auch nicht, daß Trittin jetzt italienische Anzüge trägt.

Die Metzgers und Berningers werden sich durchsetzen. Aber wer will, daß sie bei den nächsten Wahlen die gerechte Quittung kriegen, dem empfehle ich, sich einen Rauschebart stehen zu lassen und sich auf dem nächsten Grünen-Parteitag mit Strickzeug direkt vor die Fernsehkameras zu setzen.