Rote Hochburg geschleift

Bologna, Lieblingsstadt italienischer Parteisozialisten und -kommunisten, wird künftig von einem rechten Metzger regiert

Wer rote Fahnen und geballte Fäuste auf Bolognas Hauptplatz, der Piazza Maggiore, erwartet hatte, war am Wahlabend schockiert. Denn statt der üblichen Darbietung bekamen die Bewohner der ehemals roten Hochburg den faschistischen "römischen" Gruß zu sehen - dargeboten von Anhängern des zwar parteilosen, aber dem rechten Pol der Freiheit nahestehenden Metzgermeister Giorgio Guazzaloca. Und der ist seit vergangener Woche neuer Bürgermeister von Bologna.

Daß ein ehemaliger, mit den Genossenschaften im Streit lebender Vorsitzender des Handelsverbands nach fünfzig Jahren linker Stadtverwaltung die rote Hochburg regieren kann, ist für die Genossen allerdings ein noch größeres Debakel. Doch hatte sich das in der Hauptstadt der Provinz Emilia-Romagna schon längst angekündigt.

In der farblosen italienischen Politiker-Kaste, die durch überparteiliche Absprachen, aber auch durch Wahlen die verwaltungstechnische Anpassung der bürgerlichen Gesellschaft an den Markt vollzieht, ist die rote Folklore mittlerweile ohnehin überfüssig. Rot ist allein der Faden, der sich von der alten Kommunistischen Partei Italiens (PCI), die sich vor zehn Jahren in Bologna auflöste, bis zur Volkspartei der Linksdemokraten (DS) zieht.

Diese bemüht sich als führende Kraft in einem fragilen Bündnis bürgerlicher Parteien, deren Bezeichnungen fast monatlich wechseln, das Land zugunsten der Mittelschichten zu modernisieren. Die Gefahr, die sich daraus ergibt, bei den erforderlichen Tauschhandeln die Stammgefolgschaft aus den subalternen Gesellschaftsschichten zu verlieren, hat die ehemals kommunistische Nomenklatura jedenfalls nicht gescheut. Ohne große Skrupel setzte sie Kürzungen im Renten- und Gesundheitsbereich durch; dafür erhielten die Unternehmen neue Subventionen und Steuererleichterungen.

Eine ausgemachte Dummheit war es allerdings, ausgerechnet am Vorabend der Kommunalwahlen die neue Wirtschafts- und Finanzplanung (Dpef - "Documentazione di programmazione economico finanziario") für die Jahre 2000 bis 2003 in die Diskussion zu bringen. Ziel des Plans ist die Sanierung des enormen Defizits beim Bruttoinlandsprodukt. Der Ärger mit den Gewerkschaften blieb nicht aus. Bei einem ähnlichen Ansinnen der Berlusconi-Regierung vor fünf Jahren hatten deren Verbände schon einmal zum Generalstreik aufgerufen und damit den Fall der Rechten eingeleitet.

Die nun vom Schatzminister Giuliano Amato angekündigten Einsparungen von umgerechnet 17,5 Milliarden Mark bei der Rentenversorgung sowie den Ausgaben für Gesundheit, Kommunen und Staatsangestellte pries der Chef der Linksdemokraten, Parteisekretär Massimo D'Alema, ungerührt "als wagemutiges Unterfangen". Zudem schlug er den Gewerkschaften auch noch einen neuen Stabilitätspakt vor, damit die Kürzungen akzeptabel durchgeführt werden können. So hieß es dann, den Rentnern würde aus der beabsichtigten Aufhebung des Verbots, sich eine Nebenbeschäftigung zu suchen, am Ende gar noch ein Vorteil erwachsen.

Pietro Ingrao vermutete in il manifesto wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, daß jeder einzelne Auftritt D'Alemas im Fernsehen die Linke jeweils 20 000 Stimmen gekostet hat. Luigi Pintor erkannte, ebenfalls in il manifesto, in soviel Blödheit vor dem Feind gar einen Fall für das Kriegsgericht. Als sich dann Amato vor Vertretern von Mittelschichtsverbänden und Bürgermeistern in Rom auch noch als moderner Gewerkschaftsfeind outete, war der Bogen doch etwas überspannt. Amato hatte sich abfällig über die maßlos protegierten, fest angestellten Väter geäußert, die es sich auf Kosten ihrer prekären und flexiblen Söhne gut gehen ließen. Doch auch die Junioren kamen nicht gut weg: Diese würden dafür am liebsten jeden Tag ein neues Radikalenreferendum zur Beschneidung der Gewerkschaftsrechte unterzeichnen.

Zur Beruhigung der empörten Lohnabhängigen, die auf diese Art von Generationskonflikt schlecht zu sprechen sind, mußte nun geschlichtet werden: Man beschloß, die Konkretisierung der Rentenanpassung (zum Beispiel Geldeinbußen bei einer vorzeitig - nach immerhin 38 Beitragsjahren - in Anspruch genommenen Altersrente) auf die allherbstliche Haushaltsdebatte zu verschieben. Gleichzeitig wurde - um die ganze heute noch verbleibende Spannweite sozialdemokratischer Reformpolitik auszunützen - eine Erhöhung der Abgassteuer und damit des Benzins ins Visier genommen. Doch da war das Malheur bereits passiert.

Schon bei den Europawahlen hatte sich der rückläufige Trend der linken Staatsparteien abgezeichnet. Am 13. Juni blieben deren nicht gerade kriegsbegeisterte Stammwähler zu Hause und verschafften damit der Konkurrenz ungeahnte Erfolge: Berlusconi ebenso wie der neuen, am Reißbrett auf jugendliche Bedürfnisse (legaler Drogenkonsum!) zugeschnittenen Partei der radikalen Europakommissarin Emma Bonino. Die Wahlenthaltung bei den Kommunalwahlen erreichte fast schon US-amerikanische Ausmaße: In ganz Italien begaben sich gerade mal 41,7 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen und besiegelten somit das allgemein schlechte Abschneiden der Mitte-Links-Parteien.

Bei den Linksradikalen in Bologna hält sich aber, trotz aller wahrgenommenen faschistischen Freudenbekundungen, das Bedauern über die Wahlschlappe der Linksdemokraten in Grenzen. Nicht vergessen ist die schikanöse, auf Vertreibung und Kontrolle zielende städtische Politik gegenüber Immigranten und Flüchtlingen, die letzten Winter im besetzten Teatro polivalente (Tpo) Zuflucht suchten. Auch wird den örtlichen Parteigängern der DS die Unterstützung des Kriegskurses der Regierung vorgeworfen.

Die Vermittlung zwischen den Centri Sociali und der rechten Stadtverwaltung wird sich nun voraussichtlich schwieriger gestalten. Doch andererseits könnte die Linke jetzt, befreit von allen Verbindungen mit den Amtsträgern und Machthabern, gelöster auftreten und vielleicht einen neuen Aufschwung nehmen. "Aufgewacht, holen wir uns die Linke zurück!" lautete denn auch das Motto einer offenen Veranstaltung im Tpo.