Sprachenstreit in der EU

Sprecht deutsch

Im Anfang war das Wort. Nach dem Willen der Bundesregierung soll deutsch künftig als offizielle Amtssprache in der EU gelten. Andernfalls droht Berlin mit Boykott. Am Ende ihrer Ratspräsidentschaft hat sich die Bundesregierung damit einen handfesten Eklat eingehandelt - und sich ein weiteres Mal in Europa unbeliebt gemacht. Wer bisher der Illusion anhing, die Union könne Deutschland zügeln, wird mit Schröder eines Besseren belehrt. Nicht Deutschland soll in Europa integriert werden, sondern umgekehrt.

Der Streit um die Amtssprache in der EU begann zwar schon unter der Regierung Kohl. Doch eine offene Konfrontation hatte diese noch gescheut. Meistens wurde die Frage in den letzten Jahren sehr pragmatisch angegangen. Großbritannien bot beispielsweise während seiner Präsidentschaft an, die Verhandlungen für Diplomaten, die nur ihre eigene Mundart perfekt beherrschen, auch in deutsch zu führen. Unter der österreichischen Amtsführung erledigte sich das Problem von selbst.

Das finnische Außenministerium argumentiert daher, daß es sich nur an die bisherige Regelung halte, wonach lediglich Englisch und Französisch sowie die Sprache der amtierenden Präsidentschaft als Amtsspache gelten. Viel genutzt hat der Hinweis nicht. Wirtschaftsminister Werner Müller sagte prompt seine Teilnahme an einem zweitägigen informellen Treffen der EU-Industrieminister im finnischen Oulu ab. Deutschland habe schließlich als bevölkerungsreichstes Mitgliedsland das Recht, in seiner Muttersprache zu verhandeln.

Europa soll also gefälligst deutsch verstehen. Die Masse macht's: Was bisher in den von Hessen, Schwaben und Westfalen okkupierten Urlaubsregionen schon die Regel ist, hat demnach jetzt in der gesamten Union zu gelten. Dort verständigen sich rund 90,2 Millionen Menschen in dieser Spache; 82,1 Millionen zwischen Kiel und Konstanz sowie 8,1 Millionen Österreicher. Dazu kommen die deutschsprachigen Minderheiten in Belgien, Luxemburg, Dänemark, im Elsaß, Südtirol und den Niederlanden. Der Schrödersche großdeutsche Sprachraum umfaßt damit - wenn man großzügig von den bevölkerungsreichen Staaten Italien, Frankreich und Großbritannien absieht - ungefähr so viele Einwohner, wie alle anderen EU-Staaten zusammengenommen zählen.

Man könnte den Sprachenstreit für eine sommerliche Groteske halten. Doch es ist nicht das erste Mal, daß die Bundesrepublik ihre Forderungen mit dem bloßen Hinweis rechtfertigt, daß sie schließlich das mächtigste Land in der EU sei.

So ist der Clinch um die Sprache nur einer von vielen Eklats, die sich die Regierung in Berlin im nationalen Interesse derzeit leistet. Kürzlich sorgte die Ablehnung der EU-Richtlinie für die Entsorung von Altautos für einen Skandal. Man habe sich eben im Interesse der nationalen Autoindustrie entschieden, die Richtlinien abzulehnen, erklärte Schröder vergangene Woche in Berlin lapidar. Die Interessen der einzelnen EU-Länder seien eben doch sehr verschieden.

Ebensogut hätte der Kanzler aller Autos erklären können, daß die anderen gefälligst nach seiner Pfeife zu tanzen haben. Wie beispielsweise bei der Ernennung Bodo Hombachs zum Balkan-Beauftragten. Österreich und Griechenland hatten heftig gegen die "überfallartige Kandidatur" protestiert. Schröder hatte zuvor die Ernennung Hombachs mit dem schlichten Argument begründet, daß nun Deutschland an der Reihe sei.

Mit dieser Haltung grenzt sich die Bundesregierung deutlich von der bisherigen deutschen Europa-Politik ab. Während die konservative Regierung sich an einem strategischen Bündnis mit Frankreich und den Benelux-Staaten orientierte, hat Schröder selbst diese Option hinter sich gelassen. Er setzt allein auf taktische Erwägungen - gegen Frankreich und mit Großbritannien, oder umgekehrt. Aber stets mit einem Ziel: Deutschland kommt zuerst. Zumindest einen Erfolg hat er damit bisher erzielt. Der deutsche Sozialdemokrat gilt mittlerweile als der größte Chauvinist in Europa.