Lambsdorff verhandelt mit NS-Opfern

Eine gewisse Tradition

Das sei ein Zeichen, daß der Kanzler "die Angelegenheit vom Tisch bringen" wolle, freute sich der FDP-Politiker und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis. Soeben hatte Gerhard Schröder verkündet, daß der frühere Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff als Nachfolger Bodo Hombachs neuer Beauftragter der Unternehmensstiftung zur Entschädigung früherer Zwangsarbeiter und anderer NS-Opfer werden soll. Daß Lambsdorff von Schröder und nicht von einem Unternehmergremium ernannt wurde, soll wohl die enge Verbundenheit des Kanzlers mit der Wirtschaft zeigen.

Daß die Wahl auf Lambsdorff fiel, zeigt es auch. Soll der zehnfache Aufsichtsrat seine Verbindungen nutzen, um weitere Konzerne zum Beitritt zu der Stiftung zu bewegen? Sie hätte eine etwas bessere finanzielle Ausstattung dringend nötig.

"Die Wahl dieser Persönlichkeit verdeutlicht die besondere Bedeutung, die der Bundeskanzler dieser Aufgabe beimißt", ließ Schröder erklären. Demnach wäre Lambsdorff zu seinem Job gekommen, weil er so etwas wie das Gewissen der Republik verkörpert. Ein witziger Gedanke. Glaubwürdiger klingt schon die Version, daß Lambsdorffs Kontakte in den USA ausschlaggebend waren, daß er dort das Porzellan kitten soll , welches Bodo Hombach in den Verhandlungen mit dem US-Justizministerium und jüdischen Verbänden zerschlagen hat.

Neben dieser Fähigkeit spricht nicht viel für Dr. Otto Friedrich Wilhelm von der Wenge Graf Lambsdorff. Die NS-Opfer stehen in ihm einem der letzten verfügbaren Vertreter der Generation HJ gegenüber. Einem Mann, der sich noch 1997 vor dem Bundestag fragte, was wohl gewesen wäre, wären ihm als Kriegsfreiwilligem Verbrechen befohlen worden: "Eine Antwort auf diese Frage habe ich nie gewagt."

Auf der Ritterakademie Dom zu Brandenburg, die Graf Lambsdorff 1944 als 17jähriger freiwillig verließ, um in den Krieg zu ziehen, wurden, wie er der taz verriet, noch Werte vermittelt: "daß man dem Staat hilft, wenn er bedroht ist", auch "Ordnung", "Disziplin", "Härte", "eine gewisse Tradition" eben, die man, mit Oskar Lafontaine gesprochen, braucht, um ein KZ zu führen. Und das war bestimmt kein Zufall.

Daß es heute in Deutschland wieder begeisterte Nazis gibt, die in demselben Alter sind wie Lambsdorff damals, liegt seiner Meinung nach daran, daß es unserer Zeit an genau den Werten gebricht, die ihm selbst so nachhaltig vermittelt wurden: Es gebe einen "ursächlichen Zusammenhang zwischen der gestiegenen Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen und dem Werteverlust".

Gegen Werteverlust, das weiß der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, muß etwas getan werden. Und seine Unternehmensstiftung tut etwas: Die Aktie des Baukonzerns Holzmann, der vergangene Woche seine Bereitschaft erkennen ließ, der Stiftung beizutreten, schnellte daraufhin um 3,35 Prozent nach oben. Porsche dagegen reagierte gleichzeitig auf eine Klage ehemaliger Zwangsarbeiter mit der Behauptung, man habe während des NS gar keine Zwangsarbeiter beschäftigt. Die Folge: 3,4 Prozent Kursverlust.