Hollywoods Hallervorden

Wem's draußen nicht doof genug zugeht, der schaue sich "Wild Wild West" an

Das Blöde: Du stehst morgens auf und latschst als erstes in den Aschenbecher. Auf der Arbeit rennt dich der Trottel aus der Rechnungsabteilung mit seinem Kaffeepott um. Blödmann. Beim Chef - Blut, Ei, Kakao auf dem Sakko. Blöd ist, wenn die Bundeswehr im Kosovo Frieden stiften muß, blöd auch, wenn wir das Portemonnaie verloren haben oder vom vielen Saufen eine Fettleber bekommen. Blondinenwitze, der Spruch: "Mutter drehte Kinder durch den Fleischwolf, Bild sprach mit den Frikadellen", Jens Jeremies, Prostatakrebs, Mumpitz, der Vorname "Jürgen", das Kapital, nackte Demonstranten, zugeknöpfte Polizisten, wenn man beim Wichsen erwischt wird, linke Lehrer - die Liste ist beliebig erweiterbar. Das Blöde ist überall und ein aufwendiger Teil des Lebens.

Aber Blödheit ist auch ungemein kreativ. Sie schafft Arbeitsplätze, wie zum Beispiel den von Tom Gerhardt, einem wahren Meister seines Fachs ("Ballermann"). Manche haben es sogar in Chefredaktionen von Zeitungen geschafft oder bis in akademische Würden hinein, man denke an Martin Heidegger ("das Sein spricht Deutsch"). Das Blöde kann auch lustig sein, man denke an Alfred Tetzlaff. Oder an André Wochnowski, den Kapitän einer Berliner Fußballmannschaft, der seine Stürmer mit den Worten "Ihr Bratwürste!" zusammenscheißt, wenn sie das Tor mal wieder nicht getroffen haben. Und blöde Witze - "Haha, total beknackt" - läßt man sich auch gern erzählen.

Blödheit eignet sich auch fürs sogenannte Sommerloch, und wer Blödheit mag oder selber blöd ist, weil er gern im Kino quatscht und Krach macht, der hat jetzt sein Vergnügen. Es heißt "Wild Wild West", den Trailer kennt schon jeder aus dem Fernsehen, das Lied aus dem Radio. Der Hauptdarsteller ist der Rhythm-and-Blues-Star Will Smith, der aus unerfindlichen Gründen immer noch als Rapper durchgeht, und gedreht hat ihn ein Guru der Beknacktheit, Barry Sonnenfeld. Dem attestiert Filmproduzent Jon Peters eine wahrlich "blühende Phantasie", und, gnade uns Gott, er hat recht:

Der amerikanische Präsident setzt zwei Agenten auf den genialen Erfinder Arliss Loveless an, der das Staatsoberhaupt ablösen will. Dafür hat Loveless eine große Kriegsmaschine entworfen, die Tarantula heißt - eine 30 Meter hohe Metallspinne, die Amerika einwickeln soll, schnaubt und staubt und große Projektile verschießt. Im Anschluß gibt es die üblichen Verfolgungsjagden, entblößten Hinterteile, blauen Augen etc. Das Ganze spielt in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, glaubwürdig wird das Szenario allein dadurch, daß es schon mal eine Fernsehserie ähnlichen Zuschnitts gab.

Die Agenten West (Will Smith) und Gordon (Kevin Kline) sind sich nicht besonders grün - zu unterschiedlich sind ihre Methoden. West ist der Haudrauf mit dem dicksten Rohr, je nach Bedarf in der Hose oder der Badewanne, und der ehemalige Komiker Smith hat seit seinem Engagement in Roland Emmerichs "Independence Day" genau eine Geste der mimischen Kunst in petto: den kurzen trockenen Haken, den hier widerspenstige Cowboys zu spüren bekommen wie anno dunnemals der Alien-Pilot.

Gordon hingegen ist die Intelligenzschwuchtel in diesem Buddy-Film, und da zeigt "Wild Wild West" seine ganze Qualität: Er ist ein Verkleidungskünstler, der am liebsten als aufgebrezelte Puffmutter mit Schaumstoffbusen herumläuft. Männer, die sich Frauenkleider anziehen und mit Fistelstimme sprechen - da bleibt seit Heinz Rühmann, übrigens auch ein Meister des Blöden, kein Auge mehr trocken.

Zurück zu dem Erfinder Loveless: Dem wurde bei einem seiner Experimente der Unterkörper weggeschossen. Aufgrund dieses eklatanten Mangels an Geschlechtswerkzeugen will er zwar immer vögeln, das geht aber nun nicht mehr. Kompensiert wird das mit ausgiebiger Rumfummelei an den angestellten Kriegsbräuten - die Kampfmaschine mit der tollen Oberweite heißt Munitia.

Loveless sitzt im Rollstuhl, oder besser gesagt, im Laufstuhl mit hydraulischen Beinen. Auch hat er die Eltern von West auf dem Gewissen, er ist nämlich nicht nur genialer Erfinder, sondern auch Mörder. Wenn er eine seiner Kriegsmaschinen auf ihre Feuerkraft testen will, legt er einfach ein paar Hundert Leute um.

Wir brauchen aber auch noch eine gute Frau, eine hat auch eine tragende Rolle: Salma Hayek, die wie immer die Salma-Hayek-Mexikanerin spielt, mit Akzent. Das ist langweilig, weil sie es in jedem Film tut.

"Wild Wild West" - ein Film, in dem es zugeht wie bei McDonald's. Alles drin, alles irgendwie. Und noch nicht mal unlustig. Eher komisch, oder eben: blöd. Barry Sonnenfeld kann den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen wie sonst nur wenige. Ist doch auch was. Sein letzter Kassenknaller war "Men in Black", und der funktionierte nach demselben Muster wie "Wild Wild West".

Es wird einfach Klischee an Klischee, Regieeinfall an Regieeinfall geklebt und dabei, das ist das Geheimnis des Erfolgs, mit vorhandenen kulturellen Bausteinen des Zuschauers gespielt. Dem Mosaik aus Ufos, Tod, CNN, Nationalismus, Sex oder was sonst noch. Das Betriebsgeheimnis heißt irgendwie quersehen und querhören. Das Ganze läuft dann mehr oder weniger zusammenhanglos über die Leinwand, ja staunen kann man da schon: Wer hätte sich so leicht einen Apparat ausdenken können, mit dem man das letzte Bild, das ein Verstorbener gesehen hat, reproduzieren kann - Kopf aufschneiden, Lampe reinstellen, Film ab?

Das ist schon beinahe, um ein neuerdings in Mode gekommenes saublödes Wort zu bemühen, kongenial, und zwar kongenial blöd. Der Film dauert 100 Minuten. Nebenbei erlöst Smith Hollywood ein weiteres Mal vom Mythos des unterdrückten Schwarzen, der junge Mann (geb. 1968), der immer der zupackende, coole Held sein darf, und der im richtigen Leben unendlich viel Kohle verjubeln darf.

Er hat's auch nötig: Letztens gestand Smith, daß er mit Ehefrau Jada Pickett Millionen in der Boutique und beim Autodealer gelassen hat und deswegen bis ans Lebensende schuften muß. Da hat Sonnenfeld zum Glück ein Einsehen gehabt: Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Smith wird fortgesetzt. Fürs Jahr 2000 ist "Men in Black", Teil zwei, geplant.

Den Topschauspielern rund um den Nichtschauspieler Will Smith scheint es sichtlich gefallen zu haben. Shakespeare-Crack Kenneth Brannagh jedenfalls geht richtig auf in seiner Rolle als schwanzloser Dr. Lieblos. Schön angezogen wurden sie alle von Deborah Scott, Garderobiere bei James Camerons "Titanic", aufgenommen von Michael Ballhaus, dem Fassbinder- und Wim-Wenders-Hoffotografen. Ein hochkarätiges Team haben sich die Blöden ausgesucht. Und einen kongenialen Rezensenten dazu! Ah, das war jetzt blöd. Ihr Bratwürste! Was ein Sommerlochzeug.

"Wild Wild West". USA 1999. R: Barry Sonnenfeld, D: Will Smith, Kevin Kline, Salma Hayek. Start: 29. Juli