Offiziere in Chile vor Gericht

Universal Soldier

Nun, da Pinochet im weit entfernten Großbritannien unter Arrest steht, werden die demokratischen Institutionen in Chile mutig. Fünf Schergen des chilenischen Ex-Diktators sollen nun vor Gericht landen. Das hat in der vergangenen Woche der Oberste Gerichtshof in Chile entscheiden.

Die fünf Offiziere haben einiges auf dem Kerbholz. Beispielsweise General Sergio Arellano Stark, Chef der sogenannten Todeskarawane, die kurz nach Pinochets Putsch 1973 zur "Beschleunigung" von Verfahren gegen Oppositionelle installiert wurde; 19 Regimegegner wurden aus Militärgefängnissen weggeschleppt und kurzerhand ermordet.

Aber selbst wenn die Offiziere verurteilt werden sollten, dürfte die Strafe nicht allzu hart ausfallen. Mit dem Amnestiegesetz hatte Pinochet sich und den anderen Verantwortlichen aus Militär und Geheimpolizei Straffreiheit verschafft für alle Schandtaten des Regimes bis 1978.

Eine Lücke allerdings gibt es: Entführungen fallen nicht unter die Amnestie. Und da man jemanden, bevor man ihn foltert und / oder umbringt, meist in die eigene Gewalt bringen muß, könnte der Tatbestand der Entführung in Chile eine gewisse Karriere machen. Schon nach offiziellen Angaben des chilenischen Staates hatte das Pinochet-Regime dafür gesorgt, daß zwischen 1973 und 1990 3 197 Regimegegner ermordet wurden und 1 185 "verschwanden".

Möglich geworden war die Selbstamnestierung auf der Basis eines deals mit den Politikern der chilenischen Mitte und der Linken. Die hatten sich zunächst an einem von Pinochet vorgeschlagenen Referendum beteiligt, um dann mit dem Diktator zusammen den Übergang zur Demokratie zu organisieren und ihm einen Posten als Senator auf Lebenszeit mit ebenso langer Immunität zu verschaffen. Das alles fand unter den Argusaugen der Militärs statt, deren Macht nicht eingeschränkt wurde.

Ihr alter Chef sitzt derweil in Großbritannien unter Hausarrest, schaut - glaubt man den einschlägigen Presseerzeugnissen - gerne Jean Claude Van Damme-Videos und wartet auf ein Hearing im September, bei dem über seine Auslieferung nach Spanien entschieden werden soll - 36 Anklage wegen Folter und Verschwörung zu Folter sollen vorgestellt werden. Am vorletzten Wochenende bezeichnete sich der gefallene Engel in einem Interview mit dem Sunday Telegraph als "einzigen politischen Gefangenen in England". Folter an Regimegegnern hätte er nie angeordnet, und er hätte keine Zeit gehabt zu kontrollieren, was an-dere in seinem Regime getan hätten.

Ende Juni von der US-Regierung freigegebene ("deklassifizierte") Dokumente sprechen eine andere Sprache. Beispielsweise ein Report des US-Militärgeheimdienstes DIA vom 10. Juli 1975. Ein "sehr hoher" Angehöriger der chilenischen Geheimpolizei Dina wird darin zitiert: "Der Präsident gibt der Dina Instruktionen; ist sich ihrer Aktivitäten bewußt; und leitet sie de facto." Und die Dina war bekanntlich zuallererst für Entführungen, Folterungen und Morde zuständig.

Bedauerlicherweise weisen die 5 800 Ende Juni freigegebenen US-Dokumente einige Lücken auf: Während sie reich an Details über das innere Funktionieren des Pinochet-Regimes seien, schreibt Peter Kornbluh, Direktor des National Security Archive, der die Dokumente analysiert, würden auf auffällige Weise Informationen über die Rolle der USA bei Pinochets Machtergreifung und -konsolidierung fehlen.