Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel

Alles normal

Während die Beziehungen der BRD zu Israel relativ gut dokumentiert sind, haben sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bisher offenbar gescheut, das Verhältnis Österreichs zu Israel näher zu erforschen. Somit liefern die beiden Historikerinnen Helga Embacher und Margit Reiter mit ihrem Buch "Gratwanderungen" die erste Gesamtdarstellung der Geschichte der österreichisch-israelischen Beziehungen.

Bei Antizionisten, denen man es auch mit noch so viel Ausgewogenheit bei der Darstellung des israelisch-palästinensischen Konflikts nicht recht machen kann, wird das Buch vermutlich auf Ablehnung stoßen. Den Vorwurf der Einseitigkeit brauchen sich Embacher und Reiter aber keinesfalls gefallen zu lassen, da sie beispielsweise immer wieder auch den gegen Araber und Araberinnen gerichteten Rassismus sowohl rechtszionistischer Gruppen in Israel als auch philosemitischer Israel-Fans in Österreich kritisieren, ohne jedoch ihre prinzipielle Sympathie mit Israel zu verbergen.

Im Fall der philosemitischen Israel-Fans in Österreich können sie schlüssig belegen, wie im Bewußtsein dieser Menschen Antisemitismus und Unterstützung insbesondere von rechtszionistischer Politik wunderbar koexistieren: "Negative Judenbilder und positive Israelbilder (können) nebeneinander bestehen, ohne daß ein Zusammenhang zwischen ihnen hergestellt wird."

Von den Diskussionen über "Wiedergutmachungszahlungen" in der frühen Nachkriegszeit, dem problematischen Verhältnis des früheren Bundeskanzlers Bruno Kreisky zu Israel, den österreichischen Reaktionen auf die Kriege im Nahen Osten bis zur Waldheim-Affäre und der Wiederannäherung der beiden Länder in den neunziger Jahren untersuchen Embacher und Reiter das von der NS-Vergangenheit geprägte Verhältnis zwischen den beiden Staaten. Besondere Beachtung finden dabei auch die Äußerungen der österreichischen radikalen und der gemäßigten Linken zu Israel und zum israelisch-arabischen Konflikt.

Dabei machen sich die beiden Autorinnen keine Illusionen darüber, welche Interessen Österreich mit seiner Politik der "Normalisierung" der Beziehungen zu Israel verfolgt. Vehement kritisieren sie die oft gelobten Rede des ehemaligen österreichischen SPÖ-Bundeskanzlers Franz Vranitzky in Israel aus dem Jahr 1993, in der er die bisherigen Versäumnisse der österreichischen Regierung in Fragen der "Wiedergutmachung" als "Mißverständnisse" verharmloste. Die beiden Autorinnen verweisen darauf, daß es trotz einiger Anstrengungen nach wie vor an der praktischen Umsetzung des in dieser Rede gegebenen Versprechens für schnelle und unbürokratische Hilfen für die österreichischen NS-Opfer mangelt.

Zu den staatspolitischen Berechnungen der österreichischen Regierung in der in den letzten Jahren erneut entbrannten Diskussion über sogenannte Entschädigungszahlungen stellen sie völlig zu Recht fest: "Das offizielle Österreich unternimmt nur so viel, wie es unbedingt für notwendig erachtet - nicht die Interessen und Bedürfnisse der NS-Opfer stehen dabei im Zentrum, sondern das staatliche Interesse, die Beziehungen mit Israel zu 'bereinigen'."

Helga Embacher/ Margit Reiter: Gratwanderungen. Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel im Schatten der Vergangenheit. Picus, Wien 1998, 387 S., DM 48