Der Fußballverband als starker Staat

Bourgeois des Balles

"Die Vereine werden nicht dazu erzogen, heroische Gefühle zu entwickeln für die Nationalmannschaft", hat Erich Ribbeck der Bild gesagt, und der Mann ist ja für die jüngste Blamage der DFB-Elf verantwortlich. "Sie werden dazu erzogen, profitabel und erfolgreich zu arbeiten, also eher zum Egoismus."

Die hiesige Parole heißt aber "Gemeinnutz vor Eigennutz", und gewiß stimmen ihr jeder deutsche Fußballverein, jeder SPD-Ortsverband und jede grüne Kreistagsfraktion spontan zu. Daß der Spruch dem NSDAP-Programm entnommen ist, wird daran kaum etwas ändern. Wenn sich die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Brasilien und die USA blamiert, sind nationale Interessen in Gefahr, Eigennutz hat da zurückzustehen.

Die Nationalmannschaft repräsentiert das gemeine Wohl. Hier wird keine Prämie gezahlt, sondern um die Ehre gekickt, und die Auswahl übernimmt regelrecht staatspolitische Aufgaben - wie 1954, als mit dem Weltmeistertitel faktisch der souveräne Staat Bundesrepublik Deutschland begründet wurde.

Die Bundesliga hingegen ist der Zusammenschluß der nur für's eigene Wohl arbeitenden Clubs. Sie fordern weniger Regulierung seitens des Verbandes. Also motzen sie, wenn sie ihre besten Spieler für die Nationalmannschaft freistellen sollen, wie auch Firmen über Wehrübungen ihrer Angestellten bei der deutschen Bundeswehr schimpfen.

So er in die Nationalelf berufen wird, ist der deutsche Fußballer Citoyen, und er ist Bourgeois, wenn er für seinen Club tätig wird. Das gilt überall, aber in Deutschland ist die Besonderheit zu bemerken, daß es sowohl eine starke Nationalmannschaft als auch eine starke erste Liga gibt. In anderen Ländern ist das nicht so: Die gute niederländische Nationalelf stützt sich nicht auf eine starke Liga, das gleiche gilt für Rußland, für Brasilien und Argentinien, für Kroatien und Jugoslawien und von wenigen Ausnahmen abgesehen auch für den amtierenden Weltmeister Frankreich. Länder mit einer sportlich wie ökonomisch erfolgreichen Liga sind Italien, England und Spanien, deren Nationalmannschaften nur vereinzelte Erfolge aufweisen.

Einzig in Deutschland stützte sich die über Jahrzehnte starke Nationalelf auf eine gleichfalls starke Liga. Nicht zufällig waren es nicht die Clubs, sondern der Nationaltrainer Sepp Herberger, der die Gründung der Bundesliga anregte, nachdem der DFB jahrzehntelang mit der Macht, die man sonst nur von Staatsgewalten kennt, die Entstehung eines selbständigen Wirtschaftsmarktes Fußball, in dem Profis wirken, verhindert hatte.

Nun gibt es in Deutschland eine starke Bundesliga, die international in den letzten Jahren mit Bayern München, Borussia Dortmund und Schalke 04 durchaus ihre Erfolge hatte. Diese Clubs agieren, wie Unternehmen halt agieren müssen: selbstbewußt - und mit dem Staat haben sie nicht viel zu schaffen. Das Verhältnis von politischer und gesellschaftlicher Sphäre, das sich im Fußball spiegelt, ist aber prekär. Auf allzu großes gesellschaftliches Selbstbewußtsein wird gerne mit einem starkem Staat reagiert, das weiß auch Ribbeck. "Die Vereine werden nicht dazu erzogen", hatte er ja gesagt, "heroische Gefühle zu entwickeln für die Nationalmannschaft."

Das ist als Drohung zu verstehen.