Khatami-Bonus für Khartum

Das sudanesische Regime sucht eine Einigung mit der Opposition, will aber die Bedingungen diktieren

Nicht einmal die in den USA beschlossene Lockerung der Sanktionen gegen den Sudan hilft weiter: Auch die jüngsten Friedensverhandlungen zwischen dem islamistischen Militärregime und der südsudanesischen SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) in Nairobi wurden letzte Woche ohne Ergebnis beendet.

Hauptstreitpunkt ist der Geltungsbereich eines von der Regierung angebotenen Referendums über die Unabhängigkeit des Südsudan. An der Ernsthaftigkeit dieses Angebots kann jedoch ebenso gezweifelt werden wie an einem raschen Ende des seit 1983 andauernden sudanesischen Bürgerkriegs.

Die Unabhängigkeit des Südsudan zu akzeptieren, wäre ein Verstoß sowohl gegen islamistische als auch nationalistische Prinzipien. Es ist unwahrscheinlich, daß die Militärherrscher im Nordsudan auf dieses Gebiet, das von alters her billige Rohstoffe und Arbeitskräfte liefert, verzichten wollen. Mit der zur Schau getragenen Kompromißbereitschaft verbessert das sudanesische Regime seine diplomatische Position, zugleich versucht man, das Bündnis zwischen nord- und südsudanesischen Oppositionsgruppen zu spalten.

Zum zehnten Jahrestag seines Militärputsches hat Präsident Omar al-Bashir das Angebot des Regimes bekräftigt, eine "nationale Versöhnungskonferenz" einzuberufen und die Macht zu teilen. Hauptadressat dieses Angebots sind die nordsudanesischen Organisationen im Dachverband der sudanesischen Opposition, der Nationalen Demokratischen Allianz (NDA): Sadiq al-Mahdis Umma-Partei und die von der Mirghani-Familie geführte Partei der Demokratischen Union (DUP).

Das Bündnis dieser mehrheitlich arabisch-islamischen Organisationen mit der SPLA ist nicht nur militärisch gefährlich, weil mit der Unterstützung Eritreas und Äthiopiens im Nordosten des Landes eine zweite Front eröffnet wurde. Es war zugleich ein schwerer Schlag für die Propaganda des Regimes, das den Bürgerkrieg als einen Angriff auf die arabisch-islamische Kultur darstellte. Wenn die nordsudanesische Opposition jetzt aus dem Exil zurückkehren und ihren Frieden mit dem Regime machen sollte, wäre die ideologische Ordnung wieder hergestellt.

Das Regime kann aus einer Position relativer Stärke verhandeln. Mit der Fertigstellung einer Pipeline können die Ölexporte nun anlaufen, es werden pro Jahr einige Hundert Millionen Dollar mehr zur Verfügung stehen. Das internationale Umfeld hat sich deutlich verbessert, die von den USA angestrebte Front der Nachbarstaaten gegen den "Schurkenstaat" Sudan ist zerbrochen. Eritrea und Äthiopien führen Krieg gegeneinander, Uganda ist mit seiner Intervention im Kongo beschäftigt. Die militärische Unterstützung für die bewaffnete sudanesische Opposition ist stark zurückgegangen.

Nachdem sich innerhalb des Regimes die "gemäßigte" Fraktion durchgesetzt hat, die einer Verbesserung der Beziehungen zu den arabischen und islamischen Staaten den Vorrang vor der Verbreitung des Islamismus einräumt, konnte die diplomatische Isolation durchbrochen werden. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), in der 56 islamische Staaten zusammengeschlossen sind, erklärte am 1. Juli ihre "volle Solidarität mit dem Sudan in seiner Auseinandersetzung mit feindlichen Plänen gegen seine Sicherheit und nationale Integrität".

Auch das Verhältnis zum Westen hat sich verbessert. Frankreich unterhielt immer gute Kontakte zum Sudan, in dem man ein Gegengewicht zum US-Einfluß in der Region sah. Die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien wurden im Juni wieder aufgenommen, und auch im Verhältnis zu den USA könnte es zu einer Entspannung kommen. Letzte Woche wurden die US-Ausfuhrverbote für Lebensmittel, Medikamente und medizinisches Gerät aufgehoben. US-Außenministerin Madeleine Albright hatte bereits am 19. Juli die baldige Ernennung eines Sondergesandten für den Sudan angekündigt. Mit der angekündigten politischen Öffnung kann das Regime hoffen, einen "Khatami-Bonus" zu bekommen.

Ob es so gelingt, die schmale Basis des Regimes zu verbreitern, ist eine andere Frage. Hinter dem Militärregime steht die von Hassan al-Tourabi geführte sudanesische Muslimbruderschaft, die sich in den achtziger Jahren in Nationale Islamische Front (NIF) umbenannte und gegenwärtig die Regierungspartei Nationalkongreß dominiert. Ihr gelang es zwar, die Armee erfolgreich zu unterwandern, ihr ideologischer Einfluß beschränkt sich jedoch auf die gebildeten städtischen Mittelschichten. Bei den letzten freien Wah-len 1986 errangen die Islamisten nur knapp zehn Prozent der Stimmen.

Die Landbevölkerung und die städtischen Unterschichten folgen weiterhin den traditionellen islamischen Bruderschaften, und die größten Bruderschaften sind mit den traditionellen Parteien der alten Oligarchie verbunden. Sowohl die Ansar (Umma-Partei) als auch die Khatmiyya (DUP) vertreten einen konservativen bis fundamentalistischen Islam. Auch sie wünschen eine "islamische Gesetzgebung", sehen in den Islamisten jedoch eine verwestlichte Technokratie, gegen die sie die traditionelle Sozialordnung verteidigen wollen.

Trotz ihrer ideologischen Hegemonie hat sich die alte Oligarchie als unfähig erwiesen, wirksamen Widerstand zu organisieren, und ein längeres Exil könnte ihren Einfluß mindern. Grundsätzliche Vorbehalte gegen eine gemeinsame Regierung mit den Islamisten gibt es nicht, Ende der achtziger Jahre koalierte al-Mahdi mit der NIF. Vorerst wurde Verhandlungsbereitschaft signalisiert, gegenwärtig wird die Haltung wichtiger ausländischer Mächte sondiert.

Mitte Juli trafen sich NDA-Politiker in Kairo mit Vertretern der ägyptischen Regierung, anschließend reiste Sadiq al-Mahdi weiter nach Frankreich. In einer gemeinsamen Erklärung mit Charles Josselin, dem französischen Minister für Entwicklungszusammenarbeit, befürwortete al-Mahdi die Idee einer nationalen Versöhnungskonferenz.

Ob es zu einer Einigung kommt, wird davon abhängen, was die Islamisten zuzugestehen bereit sind. Eine wirkliche politische Öffnung können sie sich angesichts ihrer schwachen Basis nicht leisten. Ihre Absicht dürfte sein, die alte Oligarchie in ein streng kontrolliertes Mehrparteiensystem einzubinden, in der Hoffnung, daß sich ihre Vertreter im Gerangel um Posten und Pfründe dann gegenseitig blockieren werden.