Proteste gegen Bekleidungsvorschriften

Die Oppositionsbewegung im Sudan hat mehrere Zentren. Eines davon ist die Universität Khartum

Seit dem Militärputsch vor zehn Jahren - am 30. Juni 1989 - versucht das Regime Omar al-Bashirs, den Sudan in einen streng islamistischen Gottesstaat umzubauen. Dabei kämpft die Staatsführung nicht nur mit den bewaffneten Rebellen-Organisationen im Süden des Landes, auch im mehrheitlich islamischen Norden sind große Teile der Bevölkerung offensichtlich nicht gewillt, den Kurs der Regierung mitzutragen.

Während im Süden verschiedene Guerilla-Fraktionen - die teilweise bereits die Zivilregierungen vor dem Militärputsch bekämpften - große Gebiete kontrollieren, ist es im Norden vor allem eine zivile Opposition, die sich gegen die Etablierung einer "islamistischen" Militärdiktatur einsetzt.

Einerseits bestehen hier im Untergrund die großen Parteien (Umma, Demokratische Union, Kommunistische Partei) und die verschiedenen - teilweise mit der illegalen KP oder deren Abspaltungen verbundenen - Gewerkschaften weiter. Gegen diese organisierte Opposition geht das Regime mit Repressionen vor. Politische Häftlinge werden, wenn man den regelmäßigen Berichten von amnesty international Glauben schenken darf, in sogenannten "Geisterhäusern" - Bauruinen, die als Gefängnisse genutzt werden - kontinuierlich gefoltert. Auch extralegale Hinrichtungen finden immer wieder statt.

Doch Repression allein reicht nicht aus: Um ihre schmale Machtbasis zu verbreitern, wurde im vergangenen Juni eine neue Verfassung verabschiedet. Diese bezieht sich ausdrücklich auf den Islam und die Scharia, läßt durch unverbindliche "Gummiparagraphen" der Regierung jedoch weitgehende Spielräume für ihre Politik.

Wie in der Verfassung vorgesehen, trat zu Beginn dieses Jahres auch ein neues Parteiengesetz in Kraft. Zugelassen werden zwar keine "ahzab" (Parteien), sondern nur "al-tawali as-sayasi" (politische Vereinigungen). Dennoch werden diese "al-tawali" in der vom Regime herausgegebenen englischsprachigen Monatszeitschrift Sudanow mit "parties" übersetzt. Bis heute haben sich über zwanzig dieser politischen Vereinigungen registrieren lassen. Darunter befinden sich neben der Regierungspartei - dem Nationalkongreß - auch Abspaltungen der Demokratischen Union und der Umma-Partei.

Über die Parteien und Organisationen hinaus gibt es im Norden des Sudan einen breiten Widerstand der Zivilbevölkerung. Alle möglichen Versuche der Regierung, ihre Gesetze durchzusetzen, werden umgangen: Dies gilt besonders für die vom Regime gesetzlich vorgeschriebene "islamische Kleiderordnung", an die sich in den nordsudanesischen Städten nur wenige Menschen halten.

Zu dieser partei-unabhängigen Opposition gehört auch ein nicht unerheblicher Teil der Studenten. Nach dem Militärputsch waren Studenten-Organisationen neben religiösen Vereinigungen die einzigen Ausnahmen vom Vereinsverbot. Die Regierung hoffte auf große Unterstützung unter den Studierenden. Schließlich war die NIF vor dem Putsch auch an den Universitäten verankert. Im benachbarten Ägypten - die ideologischen Grundlagen der NIF wurden von der ägyptischen Muslim-Bruderschaft entwickelt - waren es seit den siebziger Jahren die Universitäten, die islamistische Gruppierungen hervorgebracht hatten.

Deshalb ließ die Regierung in Khartum die Studenten weiterhin ihre Vertreter wählen, Diskussionen veranstalten und politische Werbung auf dem Campus machen. Doch die islamistische Regierung hatte sich getäuscht. Immer häufiger kam es zu Protest-Demonstrationen von Studenten. Mal ging es einfach nur gegen die schlechten Studienbedingungen oder gegen die Entlassung von Universitätsangestellten, hier und da aber wurden auch regimekritische bis regimefeindliche Stimmen laut.

Als Antwort darauf ließ die Regierung in den vergangenen Jahren hunderte Studenten verhaften oder zwangsexmatrikulieren. Die Universität Khartum - die älteste Universität des Landes - wurde 1997 schließlich sogar für ein ganzes Semester geschlossen, da die dortigen Proteste sich über Monate hinzogen.

Aber auch seit der Wiederaufnahme des Universitätsbetriebes ist es der Regierung nicht gelungen, die Studenten unter Kontrolle zu bringen. In kaum einem anderen Ort im Sudan sagen so viele Leute so deutlich ihre Meinung über die Regierung wie auf dem Campus in Khartum. Die Universität Khartum, insbesondere deren Fakultät der Künste, scheint sich zu einem Zentrum der Opposition entwickelt zu haben. Jedes Jahr werden mehrere Demonstrationen durchgeführt.

Erst zu Beginn dieses Jahres gab es nach dem Ende des Fastenmonats wieder blutige Straßenschlachen um die Universität Khartum. Den Anlaß dafür hatte die Polizei gegeben: Um die Bekleidungsvorschriften der Regierung durchzusetzen, hatte sie versucht, den Campus zu stürmen. Die Studenten wehrten sich - an die rigiden Vorschriften der Regierung halten sich in der Universität besonders wenige Studenten und noch weniger Studentinnen.