Erhöhter Krankenstand

Schwere Grippe

Arbeit? Pah, Feuerflammen! Kommt nun doch die Zeit der Verweigerung? Die Zahlen ließen zunächst hoffen: Um rund zehn Prozent sei der Krankenstand im Vergleich zum Vorjahr in den ersten sechs Monaten gestiegen, informierte letzte Woche die Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums, Franziska Fitting. Grund genug für den Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt, erneut gegen die von Rot-Grün aufgehobene Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Sturm zu laufen. Daß diese Regelung ohnehin nur ein Drittel aller Arbeitenden betraf, da der Rest an alte Tarifverträge gebunden war, störte den Chefsprecher der Unternehmen wenig. Jede Steigerung der Krankmeldungen koste Milliarden, beschwerte er sich.

Ganz so einschneidend, wie Hundt jammert, ist die Zunahme jedoch nicht: Mit 4,3 Prozent haben sich mithilfe der gelben Zettel etwa 0,3 Prozent Pflichtversicherte mehr der Plackerei entzogen als 1998. Das sind in den alten Ländern immer noch ein gutes Fünftel weniger als Anfang der neunziger Jahre. Und das, obwohl es seit dem 1. Januar nicht mehr nur achtzig, sondern wieder die vollen hundert Prozent Knete ab dem ersten Krankheitstag gibt. Folglich spräche also nichts gegen einen gemütlichen blauen Montag am Baggersee. Fast nichts, wären da nicht all die Gewerkschafterinnen und Sozialdemokraten, die einem mit ihrem Fanatismus für jene Form unangenehmer Tätigkeit, die man sich angewöhnt hat, "Arbeit" zu nennen, auch noch den schönsten Tag im Bett versauen können.

Kaum hatte sich Hundt in Szene gesetzt, tobten die verkappten Proleten. Es sei völlig unseriös, krankheitsbedingte Fehlzeiten und die Wiedereinführung der vollen Lohnfortzahlung in Verbindung zu bringen, ließ etwa DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer wissen. Selbst Kanzler Gerhard Schröder wollte kein Volk von Blaumachern entdecken.

Noch im März schrieb die von der Bundesregierung herausgegebene Sozialpolitische Umschau, durch die Aufhebung des Gesetzes sei damit zu rechnen, "daß der Krankenstand 1999 insgesamt wieder steigen wird". Davon will man im Gesundheitsministerium heute nichts mehr wissen, obwohl gerade dort am besten bekannt sein müßte, was Arbeit heißt: Streß, Unfälle, Ärger mit Vorgesetzten - ein regelrechter Pool von Gründen also, die dafür sprechen, jede Gelegenheit zu nutzen, um der lauernden Unbill zu entkommen. Aber nein. Allein eine "schwere Grippewelle" sei für den Anstieg des Krankenstandes verantwortlich, heißt es aus dem Ministerium. Zu anderen Spekulationen gebe es "keine Veranlassung". Schade eigentlich.