Love Parade im Sitzen

Zurück auf Anfang - "Episode I" der Stars Wars-Saga. Notizen

Der Sonntagsbraten der Filmgeschichte. Ich komm grad' aus'm Kino und bin noch ganz fertig. Radiofrau: "Ein paar Worte zum Podracer-Rennen ˆ la Ben Hur" - "Äh, öh ..."

"Star Wars - Die dunkle Bedrohung", der erste Teil der Vorgeschichte der Trilogie von vor 23 Jahren - können Sie mir noch folgen? Wir erinnern uns: Luke Skywalker, "die Macht", der Flokati (Harrison Ford: "War mein bester Kußpartner"), der kosmische Darm, in dem man tausend Jahre verdaut wird, dann die halbe Muppets-Show, die Ewoks, denen Kritiker Maschinengewehrgarben in den Hals wünschten - vor drei Jahren kam die Trivialmythologie erneut ins Kino; zur Gedächtnisaufrischung für das, was jetzt ansteht: noch eine Trilogie!

George Lucas ist wieder da, voraussichtlich der Eintritt ins neue Kino-Jahrtausend und wohl 16 Mark im Sperrsitz. Supereffekte, R2D2, toll, prima, da sagen wir: knorke! Danke, Filmindustrie! Freuen sich alle - vor allem die, die so reden, wie wir es hier gerade versucht haben aufzuschreiben. Jetzt kommt der Warp-Antrieb fürs Auge, die Love Parade im Kinosessel, Lustblitze in den Tentakeln.

Was hat der Film gekostet? Diese Frage ist so nicht zu beantworten, denn Kino-Evangelist Lucas hat sich eine komplette Infrastruktur fürs Privatuniversum geschaffen. Für alles gibt es eine eigene Firma, allen voran Industrial Light & Magic für die Morphings und THX für den Sound, damit die Bässe im Bauch kribbeln. THX, das sind die Verstärker, für die mit Spots geworben wird, bei denen den Simpsons immer das Popcorn aus der Tüte hüpft.

Das Universum brennt, aber diesmal wird es nicht mit Mottenkugeln-Mobiles im Studio nachgemodelt, das Zauberwort heißt: digital. In "Star Wars" kommt beinahe alles aus dem Computer. Trotzdem: "Es gehört ins Reich der Science-fiction, zu glauben, Computer könnten selber Filme produzieren oder im Rechner animierte Geschöpfe könnten irgendwann nicht mehr von Menschen kreiert werden", sagt XXL-George Lucas, der Bill Gates der Leinwand. "Wenn man sich auf irgend etwas verlassen kann, dann darauf: Film ist niemals real."

Außerdem braucht man noch real zahlende Zuschauer. Auch das Kinopublikum steht am digitalen Wendepunkt: Für "Die dunkle Bedrohung", die erste Folge seiner insgesamt dreiteiligen Vorgeschichte des "Star Wars"-Epos verwendet der Regisseur, der die "Macht" erfand, 1 900 Szenen aus dem Rechner. das sind viermal soviele wie für "Titanic". "Episode I" ist vollständig digitalisiert und läuft auf anderen als den bisher verwendeten Projektoren; das Opus ist aus dem Internet herunterzuladen (Speicherplatz 1,3 Gigabyte) - viel Spaß beim Suchen, die Festplatte würde ohnehin platzen. Alle Nachrichten zum Film gingen zuerst durchs Web und nicht mehr durch die Fachpresse. Die hat jetzt ausgedient.

Das Erfolgsgeheimnis von Lucas: fett, fett, fett. Größer, höher, schneller. Wenn er sich daran nicht hält, dann hagelt es Flops. Wie in den letzten 15 Jahren. Alles Mist gewesen, aber er träumte sowieso nur von der "Trilogie" vor der "Trilogie".

Ist sie wirklich der neueste Quantensprung der Filmgeschichte? Nö. Aber langweilig ist die "Episode I" auch nicht. Man amüsiert sich ganz gut, mittendrin gibt's den typischen Hänger. Es mag zwar sein, daß Lucas richtig liegt und demnächst eine Menge Menschen zur Digitalisierung des Films notwendig sind. Ob dies allerdings den Schauspielern zugute kommt, sei dahingestellt. So wie die Hauptdarsteller Ewan McGregor und Liam Neeson rumlaufen, sieht es aus, als seien die beiden bei einem bekoksten Friseur gewesen. Der eine, McGregor, sieht mit gestrupptem Pennäler-Schwänzchen am Yedi-Ritter-Hinterkopf eher mcgroggy aus, der andere, Neeson, trägt die komplett bescheuerte Alain-Sutter-Mähne. Maske: Sechs minus.

Was auch nervt, sind die Identifikationsangebote für die Publikumsmasse unter sechs Jahren: Jar Jar Brinks z.B., ein Schlappohrmonster aus gescannter Knetmasse, das sich bei jeder Gelegenheit saudoof anstellt, über irgend etwas fliegt und dumm daherquatscht, in einem Slang, nicht unähnlich der Figur von Yedi-Meister Yoda. Im Original hatte er einen karibischen Akzent, was Lucas den Vorwurf einbrachte, es handele sich dabei um eine rassistische Invektive. Das mystische Gerede ("Die Macht möge mit dir sein" usw.), Lichtschwert und beschissene Frisuren - alles vorhanden, wie in den ersten drei Teilen.

Besonders originell ist das alles nicht, und leider tritt Harrison Ford nicht als seine eigenen Eltern auf. Mark Hamill mußte auch draußen bleiben, er drehte übrigens seit dem Auftritt in "Star Wars" über 20 - meist britische - Spielfilme, die aber nur selten in die deutsche Videothek kamen. Prinzessin Leia ist heute eine erfolgreiche Drehbuchautorin.

Versuchen wir einen Abriß der Geschichte: 30 Jahre vor den Ereignissen der "Star Wars"-Trilogie tobt in der Galaktischen Republik ein Streit über die Besteuerung der Handelsrouten. Die Kapitalisten der Handelsföderation besetzen sogar den friedlichen Planeten Naboo. Der oberste Kanzler der Republik setzt die beiden Jedi-Ritter Qui-Gon Jinn (Neeson) und Obi-Wan Kenobi (McGregor) zu Verhandlungen ein; sie entgehen nur knapp einem Attentat. Sie flüchten mit Naboos Königin Amidala (Natalie Portman) und müssen auf dem Wüstenplaneten Tatooine notlanden.

Auf der Suche nach Ersatzteilen für ihren angeschlagenen Raumgleiter kommt ihnen Anakin Skywalker (Jake Lloyd) zu Hilfe, der von einem verschlagenen Besitzer (Knete) einer Raumschiff-Reparaturwerkstatt als Sklave gehalten wird. Um seine Freiheit zu erlangen, nimmt Anakin an einem gefährlichen Podracer-Rennen teil (Pods, das sind zwei Turbinen plus eine Seifenkiste). Qui-Gon ist überzeugt, daß Anakin außergewöhnliche Fähigkeiten hat; er sei der Ritter, der das Gleichgewicht des Universums wiederherstellen könne. Gemeinsam verlassen sie den unwirtlichen Ort.

Amidala gelingt es nicht, auf dem Stadtplaneten Coruscant, den obersten Senat gegen die Handelskonföderation zu mobilisieren. Man erfährt, warum Anakin, der Hoffnungsfrohe, später einmal auf die dunkle Seite der Macht wechselt und dann Darth Vader heißen wird: Widerstrebend entschließt sich das Gremium der Yedi dazu, ihn zum Ritter auszubilden, er sei zu alt - und das mit neun Jahren. Daß auch sonst was nicht stimmt mit ihm, wird man wohl in den nächsten Folgen erfahren. Unterdessen kehrt Amidala mit den anderen nach Naboo zurück, wo sie sich dem ersten großen Kampf stellen. "Der Krieg ist da." (Presse-Info)

So ließe sich noch endlos weiterschwafeln über das heißersehnte Weltraumspektakel powered by the power. Und schwafeln, das tun Neeson und Konsorten ohne Ende in "Episode I". Ein Glück, daß irgendwann die Waffen sprechen, und nicht mehr Neeson und McGregor, diese humorlosen Laienspielgesellen, denen jede Präsenz abgeht und denen man am besten Paul Verhoevens Star Ship Troopers zum Aufräumen schicken sollte. Oder haben wir schon Krieg?

Es gibt verdächtig viel antikapitalistische Politik in diesem Film: Aber immer daran denken, Film ist nie real! Der zweite Teil soll übrigens romantischer ausfallen, "Episode I" dagegen hat keine Liebesgeschichte, dauert aber trotzdem 132 Minuten. Rummel-Nachrichten gibt es ohne Ende, um das Ganze ein bißchen interessanter zu machen, wie zum Beispiel die, daß das ganze Drehbuch bei einer Explosion vernichtet wurde oder daß Steven Spielberg weinte, als er den Film gesehen hat.

Deutsche Kinobesitzer weinen mit. Schon deshalb, weil im Umfeld des 19. August, des deutschen Starttermins, kaum ein interessanter Film anläuft, weil ihn sich keiner ansehen würde; Kinobesitzer wie Gewerkschaft befürchten Umsatzeinbußen. Zwei überflüssige Zahlen: Die US-Industrie schätzte den weltweiten Umsatz auf 4,5 Milliarden Dollar, den heimischen Arbeitsausfall auf eine halbe Milliarde - statt zum Job gingen Amerikanerin und Amerikaner ins Kino. Und es brummen die kleinen, feinen Gadgets - Lichtschwert und Raumgleiter, mit denen man im Kinderzimmer Bummbumm spielen kann. Ohne Kosmologie kein Marketing.

In einer Welt, in der ein Drittel der Menschheit tote Prinzessinnen beweint und eine große Boulevard-Zeitung echte Mondgrundstücke verlost, hat dieser Film gute Chancen, zum Kult zu werden, und wenn nicht, dann wird er eben herbeigeschrieben. In Deutschland wollte übrigens keiner die Warm-up-Ausstellung zur "Star Wars"-Saga sehen, daraufhin wurde sie abgesagt.

Aber der Film, die Ausstellung, die man sich im Sitzen ansieht, wird ein Erfolg werden. Zwei Stunden rosa Luft in Tüten, da ist man auch ganz schön fertig - und dann die Wohltat: Der Erlös der ersten in den USA verkauften Tickets ging an die Stiftung für Aidskranke Kinder. Der Kunde ist König: Die Popkultur ˆ la Lucas gab nicht nur dem Verteidigungsprogramm der USA seinen Namen, mit ihr ist die Kunst auch zum Mäzen des sozialen Sektors geworden. Das ist die Macht, aus der die Märchen sind.

"Star Wars - Episode I. Die dunkle Bedrohung". USA 1994-1997. R: George Lucas, D: Liam Neeson, Ewan McGregor, Natalie Portman, Jake Lloyd. Start: 19. August