High-Tech und Autoritarismus

Asienpfanne VII: Singapurs Wirtschaft hat die Asien-Krise bisher vergleichsweise glimpflich überstanden.

In Singapur ein Auto zu besitzen ist ziemlich teuer. Allein die Anschaffung eines Kleinwagens kostet wegen der hohen Einfuhrzölle, Zulassungsgebühren und Steuern umgerechnet rund 150 000 Mark. Soll es ein Luxusschlitten sein, steigen die Kosten entsprechend - auf das Drei- oder Vierfache. Hinzu kommen noch hohe Kosten für die Straßennutzung.

Damit will die Stadtverwaltung erreichen, dass die 3,1 Millionen Bewohner häufiger das gut ausgebaute öffentliche Verkehrssystem nutzen - das Mass Rapid Transit-System. Die U-Bahn fährt im Fünf-Minuten-Takt, zumindest bis Mitternacht. Denn Singapur soll "sauber" bleiben: keine Umweltverschmutzung, kein Straßenlärm, keine weggeworfenen Kippen auf dem Gehweg, keine aufmuckende Opposition. Und angeblich gibt es hier noch nicht einmal Korruption - wohl aber eine Antikorruptionsbehörde.

Trotz der hohen Kosten sind Luxuskarossen in Singapur keine Seltenheit - gerade deutsche Modelle nicht. Ein Auto mit dem bekannten Stern oder aus einem Bayerischen Motorenwerk ist schließlich auch in Asien ein beliebtes Statussymbol der Upper Class. Mehr als elf Prozent der Exporteinnahmen im Handel mit Singapur erzielten deutsche Unternehmen 1997 mit dem Verkauf von Fahrzeugen, im vergangenen Jahr waren es noch knapp sieben Prozent.

Die Inselrepublik ist so etwas wie das Luxemburg Ost-Asiens: Wer viel Geld hat, lässt sich hier nieder. Das Bildungssystem der Stadt, die flächenmäßig etwas kleiner als Hamburg ist, gilt als besonders gut, die autoritäre Regierung von Ministerpräsident Goh Chok Tong hat bisher jeden Protest im Keim erstickt, und für ausländisches Kapital gibt es in der Stadt kaum gesetzliche oder bürokratische Hindernisse.

Die Erfolgsstory Singapurs - vor weniger als 200 Jahren war die Insel noch ödes Sumpfland, bei Erklärung der Unabhängigkeit im Jahre 1965 war sie nichts weiter als eine Verlade-Station für den britischen Pazifikhandel, heute gilt sie als einer der wichtigsten Plätze der High-Tech-Industrie weltweit - hat offenbar auch durch die Asien-Krise kaum gelitten. Während die Wechselkurse anderer asiatischer Währungen fielen, blieb der des Singapur-Dollars stabil, in dem Stadtstaat stürzten auch die Börsenkurse nicht ab, ausländische Investoren ließen ihre Gelder im Land. Und die Regierung brauchte sich nicht an den Internationalen Währungsfonds zu wenden, um durch faule Kredite verursachte Belastungen aufzufangen.

Spurlos vorübergegangen ist der Crash an Singapur aber nicht. Die Stabilität des Singapur-Dollars bei Verfall anderer Währungen hat der Exportwirtschaft des Inselstaates geschadet. Erstmals seit dem Technologie-Boom gibt es wieder Entlassungen in der Stadt: Im ersten Quartal dieses Jahres bezifferte die Regierung die Arbeitslosenquote mit 4,5 Prozent, 1997 betrug sie weniger als die Hälfte davon.

Schließlich bestand das hochgelobte Wirtschaftswunder Singapurs vor allem darin, High-Tech-Produkte günstiger auf dem Weltmarkt anzubieten als andere Länder. Weit mehr als die Hälfte der Exporteinnahmen des Landes wird bereits seit Jahren durch den Verkauf von Fertigprodukten auf hohem technischem Niveau erzielt. Durch die Asien-Krise sind diese Einnahmen gesunken - und damit das Wirtschaftswachstum: 1998 verzeichnete das Land nur noch eine Wachstumsrate von 1,5 Prozent, im Vorjahr waren es noch acht Prozent gewesen.

Die Regierung meinte nach dem ersten Halbjahr dieses Jahres zwar Aussicht auf Besserung auszumachen; aber so ganz sicher ist man sich über die zukünftige Entwicklung offenbar nicht. Die Rating-Agentur Thomson Bank Watch beispielsweise bezeichnete im August Investitionen in Singapur als nicht mehr so risikoreich, wies zugleich aber auch auf die problematische Export-Zentrierung und die sehr engen Geschäftsbeziehungen zu den krisengeschüttelten Nachbarländern hin: Die Fixierung auf die Elektronikbranche und ausländische Abnehmer ließ Singapur bei eventuellen Nachfrageschwankungen wenig Handlungsmöglichkeiten.

Besonders positiv aber werden die Regierungsmaßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums erwähnt. Ministerpräsident Goh Chok Tong ordnete eine Lohnkürzung um 15 Prozent für alle Staatsangestellten an. Und auch die freie Wirtschaft, so forderte der Regierungschef, solle sich daran orientieren. Zusätzlich wurden die von den Unternehmen zu bezahlenden Sozialbeiträge um zehn Prozent verringert.

Beste Bedingungen für Investoren also, wie das German Centre for Industry and Trade feststellt. Die Büroräume in dem Centre sind nach eigenen Angaben bis zu 97 Prozent vermietet, immerhin tummeln sich über 500 deutsche Firmen in Singapur - überwiegend Handelsgesellschaften, Banken oder andere Dienstleistungsunternehmen.

Als Garantie für die Zukunft als High-Tech-Standort gilt vor allem die autoritäre Herrschaft der People's Action Party von Ministerpräsident Goh Chok Tong. Die Gewerkschaften werden staatlich gesteuert, Streiks sind nahezu unbekannt, die Presse unterliegt einer strengen Zensur, und Oppositionellen droht schon bei Kleinigkeiten eine Verurteilung.

So wurde Chee Soon Juan, Vorsitzender der Singapore Democratic Party, im Februar verhaftet, weil er unangekündigt eine Rede gehalten hatte. Nach dem Public Entertainment Act ist jede öffentliche Veranstaltung genehmigungspflichtig. Nach Angaben von Soon Juan wurde bisher aber jede von der Partei beantragte Aktion abgelehnt. Die Begründung für solches polizeiliches Vorgehen ist schlicht: Ohne staatliche Reglementierung seien öffentliche Veranstaltungen nichts weiter als "Unfug und Chaos".

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