Antisemitismus in Österreich

Jörgls Pfeife

Erstmals ist es Jörg Haider gelungen, die Mehrheit der österreichischen Arbeiter und Arbeiterinnen - soweit sie zur Wahl gehen - auf seine Seite zu ziehen. Er kennt die Sehnsucht jener, die vom späten Keynesianismus der Kreisky-Ära sich nun endgültig im Stich gelassen fühlen. In dieser Sehnsucht taucht etwas vom Ursprung der postfaschistischen Gesellschaft wieder auf - und Haider verleiht ihm eine Stimme.

Man sehnt sich insofern nach dem Nationalsozialismus zurück, als damals der Staatsbürger alles war und der Warencharakter der Arbeitskraft in ihm verschwand. So nützt es gar nichts, wenn den Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit Bedrohten ständig von Linksliberalen und linken Sozialdemokraten vorgerechnet wird, dass die ausländischen Arbeitskräfte und die Ost-Erweiterung der EU die Lage am Arbeitsmarkt nicht verschlechtern, ja sogar das Pensionssystem auffetten können.

Denn der so genannte Ausländer-Hass ist zunächst einmal der Hass darauf, dass der Warencharakter der eigenen Arbeitskraft nicht mehr in der Volksgemeinschaft verschwindet, dass die beschworene Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs - zumindest vorerst - Reminiszenz bleiben muss. Auch Haider kann sie nicht machen, er fordert im Gegenteil sogar den "schlanken Staat".

In ihren "Streitschriften" hat Ilse Bindseil zur Sprache gebracht, was der Staat suggeriert, sobald sich seine Bürger mit "Wirtschaftsflüchtlingen" konfrontiert sehen: Diese Flüchtlinge kommen, "obwohl sie doch genau wissen, dass sie hier nur geächtet, gejagt und aufgemischt werden: Ist es nicht unerträglich, mit ansehen zu müssen, wie Menschen sich an den Kapitalzweck klammern? (...) Unser sämtliches Bemühen, der kapitalistischen Reproduktion ein menschliches Antlitz zu geben, stellen sie rüde in Frage."

Die Haider-Partei hat ständig mit diesem menschlichen Antlitz geworben - "einfach menschlich" stand auf den meisten ihrer Plakate wie mit einem Stempel gedruckt; und die Lage ist eben bereits so zugespitzt, dass schon ein Kopftuch genügt, dieses imaginäre Antlitz in Frage zu stellen.

Während aber einerseits die "Ausländer" den Staatsbürgern die massenhafte "Entwurzelung", Enteignung und Defunktionalisierung durch kapitalistische Verhältnisse vor Augen führen, verkörpern andererseits "die Juden" demselben staatsbürgerlichen Bewusstsein jene Macht, die "entwurzelt", enteignet und defunktionalisiert. So ist der Ausländer-Hass im Innersten notwendig mit Antisemitismus verbunden, wie eben auch das Lob der NS-Beschäftigungspolitik die Zustimmung zur Judenvernichtung stillschweigend voraussetzt.

Hier wird so wenig wie möglich ausgesprochen - die Tabuisierung in Sachen Juden-Hass verweist natürlich gleichfalls auf den Ursprung der Gesellschaft im Nationalsozialismus. Den Kommentaren aus Israel über seinen Wahlerfolg hält Haider entgegen, dass man ihm seit zwanzig Jahren kein einziges antisemitisches Wort nachweisen könne, und setzt verstärkt einen Parteifreund jüdischer Herkunft für seine internationale Reputation ein.

Im Gegensatz zu den "Wirtschaftsflüchtlingen", die man offen attackieren darf, bleibt hier alles im Verborgenen der Partei und ihrer Anhänger. Den Seinen weiß Haider sogar im Interview mit dem israelischen Fernsehen zu vermitteln, wie er zu den Juden steht, wenn er bloß andeutet, sie, die Juden - nicht die Österreicher -, hätten nichts aus der Vergangenheit gelernt. Und bei den Anhängern selbst zeigt so mancher Durchbruch des Verbotenen, wie weitsichtig die Kommentare aus Israel sind.

Vor einigen Jahren etwa machte sich ein Kärntner FPÖ-Funktionär im Gespräch mit profil plötzlich Luft: "Wir bauen schon wieder Öfen, aber nicht für Sie, Herr Wiesenthal - Sie haben in Jörgl seiner Pfeife Platz."