Mahner und Macher

Wie die Steuerfahndung dem HSV-Präsidenten Werner Hackmann hilft, aus seinem Club ein modernes kapitalistisches Unternehmen zu machen.

Der HSV ist auf dem Weg zu einem Platz unter den sechs besten deutschen Fußballteams. Die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb würde diese Position sichern. In einer Hinsicht hat er es sogar schon unter die ersten vier geschafft: Die Steuerfahndung hat die Hamburger neben drei weiteren Erst-Ligisten auserwählt und beschlagnahmte am vergangenen Montag beim HSV bereits einen beachtlichen Aktenberg.

Hintergrund: 1997 wurden 800 000 Mark auf das Konto mit der Nummer 13 79 09-02 bei der Crédit Suisse in Winterthur für den Schweizer Verteidiger Stéphane Henchoz überwiesen, vorgeblich für die "Abtretung der Persönlichkeits-, Werbe- und Imagerechte". Darüber gab es allerdings längst einen Vertrag nach dem Muster des DFB. Die Ermittlungsbeamten halten die Summe deshalb für verdeckte Lohnzahlungen des Vereins.

Natürlich weisen die HSV-Funktionäre diese Interpretation zurück. Der Geschäftsführer und kommissarische Präsident Werner Hackmann verweist darauf, dass Verträge über Vermarktungsrechte fast nie getreu dem DFB-Mustervertrag abgeschlossen werden, jeder Kontrakt sei "verschieden und modifiziert". Dies legt den Schluss nahe, dass Henchoz sich vertraglich hat zusichern lassen, die Rechte separat an den HSV verkaufen zu dürfen. Steuern gezahlt hat er dafür aber nicht. Den HSV wegen dieser Steueraffäre zu den vier Bösewichten der Liga zu zählen, wäre allerdings falsch - er gehört eher zu den vier Deppen, die sich haben erwischen lassen.

Dem Spiegel schwant "schon bald eine der größten Steueraffären (...), die der deutsche Sport je fabriziert hat". Dabei gibt es kaum einen Verein, der nicht mit fingierten Rechnungen, verdeckten Lohnzahlungen, de facto ins steuergünstige Ausland verlegten Geschäften oder mit Scheinfirmen versuchte, die Finanzämter zu täuschen, so die Steuerfahndung Nürnberg. Die hat den Spielerberater Wolfgang Vöge schon einmal für 19 Tage in Haft genommen, ehe er gegen eine Kaution von 400 000 Mark auf freien Fuß kam - vorerst. Ende des Jahres werden die Ermittlungen gegen ihn wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung abgeschlossen sein.

Henchoz, der den HSV jetzt in die Bredouille gebracht hat, war einer von 70 Kunden Vöges, ebenso wie die HSVer Thomas Doll, Ingo Hertzsch und Nico Kovac. Sein Fall könnte nun die Hamburger Staatsanwaltschaft in einer vergleichbaren Sache beschäftigen. Auf den ersten Blick erstaunlich wirkt die Gelassenheit, mit der HSV-Boss Werner Hackmann reagiert. Er setzt auf Kooperation mit den Ermittlern. Kunststück, rühren doch die ganzen Verfehlungen aus der Zeit seiner Vorgänger. Den wohl Einfältigsten von ihnen, Jürgen Engel, wird es wohl auch in der Sache Henchoz wieder erwischen.

Dass Engel der beste Freund Uwe Seelers war und, nach beider Beteuerung, noch immer ist, wird ihm kaum helfen. Engel war im Juli 1997, als der dubiose Kontrakt mit Henchoz geschlossen wurde, Geschäftsführer, Seeler war Präsident. Seeler wird sich wieder mit dem - durchaus glaubwürdigen - Gehabe des in Finanzfragen Ahnungslosen aus der Affäre ziehen. Engel aber wurde schon in einer Immobilienaffäre wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Knapp eine Million, die dem HSV zustand, hatte er damals in seine Taschen gesteckt. Der Fall Henchoz könnte nun zum Widerruf der Bewährung führen.

Für Hackmann ist dies alles unprofessionelles Gewurstel aus der Zeit, als er noch nicht am Ruder saß. Er will ein professionelles Unternehmen aus dem HSV machen, mit einem bezahlten Vorstandsvorsitzenden statt eines ehrenamtlichen Präsidenten. Im Aufsichtsrat aber, in dem noch immer diejenigen sitzen, die damals hätten Seeler und Engel auf die Finger schauen müssen, sträubt man sich gegen Hackmanns Lösung. Doch jeder weitere Fauxpas aus der Zeit vor Hackmann fällt auf den Aufsichtsrat zurück und festigt Hackmanns Image in der Öffentlichkeit.

Dabei ist auch Hackmanns Image längst nicht frei von Skandälchen und Schwindeleien. Das beste Beispiel ist der Bau des neuen Stadions, auf das alle in Hamburg so schrecklich stolz sind - die über 70 beteiligten Handwerkerfirmen mussten jedoch monatelang auf ihr Geld warten und wussten nicht einmal, wer ihnen das Geld schuldete.

Dieses Wirrwarr um die Zuständigkeiten war nach Ansicht des Haupt-Geschäftsführers der Hamburger Handwerkskammer, Jürgen Hogeforster, Folge einer Rechtskonstruktion, die der höchste Vertreter des Hamburger Handwerks als "äußerst kritisch" beurteilt. Der HSV hatte mit Andreas Wankums Firma Deuteron einen "Generalübernehmer" beauftragt, der den Stadionbau übernahm. Der Generalübernehmer beauftragte seinerseits einen Sub-Generalübernehmer, Siegfried Greve, der seinerseits wiederum die Bau- und Handwerksfirmen beauftragte.

Damit sind der HSV und Deuteron fein raus, Ansprüche der beauftragten Unternehmen bestehen allein gegenüber dem Sub-Generalübernehmer Greve und seiner Firma VIP-Consult. Just vier Wochen vor Abschluss der Bauarbeiten feuerte Wankum dann Greve und forderte in der folgenden Schlammschlacht von ihm, die Firmen auszuzahlen, Greve aber wollte erst zahlen, wenn Deuteron ihm 45 Millionen überweist. Ungeduldige Firmen speiste Hackmann auch mal mit der Bemerkung "Die Zahlungen sind nicht unser Bier" ab. In Handwerkskammer-Chef Hogeforster fanden die Firmen einen Verbündeten, der in Springers Hamburger Abendblatt schimpfte, beim Stadionbau werde mit "bösartiger Erpressung, Rechtsbeugung und Tricks" gearbeitet, die Vertragskonstruktion sei "sittenwidrig und bösartig". Das Rechtskonstrukt des Hintereinanderschaltens mehrerer Auftraggeber erfüllt für ihn allein den Zweck, eventuelle Ansprüche abzuwälzen.

Mit Hilfe des neuen Arbeitnehmerentsende-Gesetzes könnte nun aber gezahlt werden. Es wurde von der rot-grünen Koalition erlassen zum Schutz der Arbeitnehmer vor windigen Geschäftemachern, die mit Hilfe von Schein- und Briefkastenfirmen mit Leiharbeitern und mit Arbeiterkolonnen aus Billiglohnländern das Arbeits- und Tarifrecht aushebeln.

Demnach darf seit dem 1. Januar 1999 jeder einzelne Beschäftigte jeden einzelnen Auftraggeber verklagen, wenn seine Rechte verletzt werden. Über dieses Gesetz müssten dann doch Deuteron und der HSV für die Forderungen geradestehen. Sozialdemokrat Hackmann indes behält trotz aller Querelen um das Stadion die weiße Weste, die Bösewichte sind immer die andern. So bleibt er in der Position des Mahners und Machers und übt weiterhin Druck auf den Aufsichtsrat aus, endlich eine Entscheidung über eine zeitgemäße Führungsstruktur des Vereins zu treffen. Er selbst hat darüber klare Vorstellungen: Der Posten des Ehrenamtlichen Präsidenten soll in einen bezahlten Vorstandsvorsitzenden umgewandelt werden, und der geeignete Kandidat heißt natürlich - Hackmann. Zögert der Aufsichtsrat aber zu lange, dann wirft Hackmann alles hin, und es geht ab zurück in die Seelerschen und Engelschen Zeiten.

Wer allerdings glaubt, dass es so weit kommen könnte, dem kann man auch erzählen, die SPD sei eine sozialistische Partei.