Nazi-Kollaborateur Papon in Haft

Erfolgreiche Eber-Jagd

"Die Autorität des Staates hat grundsätzlich Vorrang vor dem Recht des Individuums und kann jederzeit über dessen Leben und Tod entscheiden." So scheint das Motto eines Staatsbürokraten wie Maurice Papon zu lauten, der unter dem mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regime diente und dann bruchlos seine Karriere im Frankreich der Nachkriegszeit fortsetzte. Seit letzter Woche wäre dem hinzuzufügen: "Das gilt aber immer nur für die anderen."

Als nach vielen Jahren 1997 der Prozess gegen ihn begann, musste sich schließlich auch Maurice Papon für seine Handlungen als gewissenloser Diener des Staates rechtfertigen. Dann letzte Woche die spektakuläre Meldung, Papon sei ins Ausland geflohen, um sich seiner Strafe zu entziehen. Doch seine Flucht ist am Freitag ebenso schnell wie jämmerlich zu Ende gegangen.

In der Vergangenheit war der heute 89jährige nicht eben durch seine Skrupel aufgefallen, vor allem, wenn es darum ging, die Macht des Staates mit aller Gewalt durchzusetzen. Den nazideutschen Besatzern war Papon ein williger Helfer. Als Generalsekretär der Präfektur in Bordeaux organisierte er zwischen 1942 und 1944 die Deportation von 1 700 Juden in Vernichtungslager.

Knapp 20 Jahre später war Papon keineswegs von der politischen Bildfläche verschwunden: Im Oktober 1961, gegen Ende des Algerien-Krieges, ordnete er als Polizeipräfekt von Paris einen Einsatz an, der zu einem blutigen Massaker wurde. Rund 300 algerische Demonstranten wurden erschlagen oder halbtot in die Seine geworfen. Das schadete ihm jedoch nicht: Noch einmal 25 Jahre später, 1978, wurde Papon Haushaltsminister unter Valéry Giscard d'Estaing.

Erst mit dem Antritt der Linksregierung 1981 endete Papons politische Karriere. Noch im selben Jahr wurde in Bordeaux ein erstes Verfahren gegen ihn wegen seiner Rolle bei den Judendeportationen von 1942 bis 1944 eröffnet. Doch es dauerte noch weitere 16 Jahre, bis Papon tatsächlich vor Gericht landete.

Als im Oktober 1997 der Prozess gegen Maurice Papon in Bordeaux begann, entschieden die Geschworenen noch am ersten Tag, dem Angeklagten wegen seines hohen Alters und der voraussichtlich langen Verfahrensdauer die Prozesshaft zu ersparen. Dieser der französischen Rechtstradition entgegenstehende Beschluss bewirkte, dass die Richter auch während des Berufungsverfahrens keine Möglichkeit hatten, Papon festzunehmen.

Papon befand sich immer noch auf freiem Fuß, als am letzten Donnerstag vor dem Kassationshof, dem obersten Gericht, über seine Berufung verhandelt werden sollte. Schon tagelang war in den Medien spekuliert worden, ob Papon - von dem seit dem 11. Oktober jedes Lebenszeichen fehlte - vor dem Kassationshof erscheinen würde oder nicht. Als Papon der Verhandlung fernblieb, entfiel damit sein Berufungsantrag. Seiner Verhaftung stand endlich nichts mehr im Wege. Wenn ihm nicht gaullistische Freunde die Flucht ermöglicht hätten.

Doch Papon war sich seiner Sache zu gewiss und genoss das gute Klima im Schweizer Wintersportort Gstaad, anstatt sich zu anderen Altnazis im sicheren Südamerika zu gesellen. Die französische Polizei hörte Papons Telefonate mit einer Pariser Verwandten ab und kam ihm rasch auf die Spur. Die Schweiz entschied sich für eine umgehende Abschiebung Papons, um zwischenstaatliche Spannungen zu vermeiden. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde Papon ins Gefängnis Fresne unweit von Paris eingeliefert.