Abo statt Sparbuch

Wirtschaftsberichterstattung ist wie Wirtschaft. Deutsche Verlage haben die internationale Kooperation entdeckt.

Den Euro gibt es noch gar nicht? Von wegen: Woche für Woche können Interessierte den Euro bereits erstehen. Zugegeben, nicht so, wie man es sich vorstellt. Der Euro hat nämlich einen Makel - genauer gesagt sogar drei: Erstens kostet er unverschämte 3 Mark 50, zweitens kommt jeden Sonntag ein neuer heraus und drittens kommt er aus dem Verlagshaus Springer.

Denn Euro am Sonntag ist ein Wirtschaftsblatt. Und zwar ein erfolgreiches. 90 000 Exemplare verkauft der Axel Springer-Verlag nach eigenen Angaben - gestartet wurde die Zeitung vor rund einem Jahr mit 50 000. Volker Blöke, der bei Springer mit dem Ausbau der Wirtschaftsberichterstattung befasst ist, zeigt sich sehr zufrieden mit dem neuen Titel: "Die Idee, am Sonntag aktuelle Finanz- und Geldanlageinformationen zu bieten, kommt an. Der Erfolg von Euro am Sonntag übertrifft unsere Erwartungen deutlich." Fast 300 000 Leser erreicht das Springer-Blatt nach einer Studie der Allensbacher Werbeträger Analyse, die Hälfte davon sind Aktionäre.

Berichte über Wirtschaft liegen im Trend: Fast sämtliche Verlage sind dabei, diese Sparte auszubauen und mit neuen Titeln zu besetzen. Seit zwei Wochen präsentiert sich beispielsweise das Handelsblatt mit neuem Layout und bringt nun noch mehr Unternehmensberichte und Anlageempfehlungen. Die börsentäglich erscheinende Zeitung sei jetzt noch internationaler, verkündet der Holtzbrinck Verlag stolz: Die bestehende Kooperation mit dem Wall Street Journal werde weiter ausgebaut.

Damit will man sich vor allem gegen die deutsche Ausgabe der Financial Times wappnen, die im nächsten Jahr starten soll. Eine hundertköpfige Redaktion wurde für dieses Projekt zusammengekauft und arbeitet bereits an der ebenfalls börsentäglich geplanten Zeitung, die auch online ohne Einschränkung abrufbar sein soll. Beim Handelsblatt haben wie bei fast allen anderen deutschen Tageszeitungen nur Abonnenten freien Zugang zu allen Texten. Kein Wunder - wer zahlt über 60 Mark monatlich für ein Abo, wenn er dieselben Artikel im Internet wesentlich günstiger abrufen kann? Das Medienunternehmen Pixelpark wird den Online-Auftritt der Handelsblatt-Konkurrenz gestalten, bisher aber bietet die Webpage weder Bilder noch Anzeigen, sondern nur eine banale Information: "Die deutsche Financial Times kommt." Wann genau, wird auch hier nicht verraten - der interessierte Nutzer kann sich aber "ein persönliches Exemplar der Erstausgabe" reservieren.

Angesicht der Tendenz zur Internationalisierung in der Branche muss auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung mitziehen. Der Verlag gab bekannt, dass er - ab dem Jahr 2000 - mit der in Paris verlegten International Herald Tribune kooperieren wird. Die "Zeitung für Deutschland" will der Herald Tribune eine sechs- bis achtseitige englische Ausgabe beilegen - zumindest im "deutschsprachigen Vertriebsgebiet". Die Herald Tribune, ein Gemeinschaftsprojekt der US-Zeitungen New York Times und Washington Post, verkauft in Europa derzeit knapp 230 000 Exemplare täglich.

Die Zielgruppe der zur Zeit boomenden Wirtschaftsberichterstattung sind längst nicht nur Entscheidungsträger in mittleren und großen Unternehmen, sondern zunehmend die junge Generation. Anders als vor 30 Jahren treibt die sich nicht mehr auf anti-amerikanischen Demonstrationen herum, glaubt auch nicht mehr an die kulturpessimistische Horrorvision eines angeblich bevorstehenden Öko-Desasters wie noch vor 20 Jahren. Kaufen? Halten? Verkaufen? Das sind Fragen, die heute zählen. Die Rente ist schon lange nicht mehr sicher, Zinsen für's Sparbuch gibt es auch kaum, da entdecken immer mehr Leute das Spekulieren an der Börse.

Aber nicht nur diese Entwicklung lässt die Wirtschaftsblätter boomen. Den größten Gewinn verspricht das Anzeigengeschäft. So betrug der Anzeigenumsatz der Wirtschaftswoche in der ersten Jahreshälfte über 75 Millionen Mark, und dem Wochenmagazin Börse Online gelang es gar, den Anzeigenumsatz aus dem ersten Halbjahr 1998 in diesem Jahr zu verdoppeln. Den Marketing-Abteilungen ist mittlerweile aufgefallen, dass sich Zeitungs- und Zeitschriftenleser der Werbung weder durch Zappen noch durch den Gang zum Kühlschrank entziehen können - anders als beim Fernsehen.

Entsprechend einträglich ist das Anzeigengeschäft im Printbereich, insbesondere im Bereich des Wirtschaftsjournalismus. In Deutschland ist damit nämlich ausschließlich Unternehmens- und Finanzberichterstattung gemeint - Steuer-, Sozial- und Tarifpolitik haben auf den Wirtschaftsseiten und in den Finanzmagazinen keinen Platz. In den meisten EU-Staaten ist das anders, aber für die deutschen Verleger ist es umso lohnender: Ihre Publikationen kauft nur, wer Geld hat und durch Werbung dazu bewegt werden könnte, es für ein nobles Auto, gute Weine oder die neueste Informationstechnologie auszugeben. Kaum kündigt ein Verlag die Herausgabe eines neuen Wirtschaftstitels an, stehen die Anzeigenagenturen bereits Schlange.

Und konkrete Planungen gibt es zuhauf: Gruner+Jahr will ab dem kommenden Februar die Monatszeitung Capital - mit einer Auflage von über 260 000 Exemplaren derzeit das bestverkaufte deutsche Wirtschaftsmagazin - alle 14 Tage am Donnerstag herausbringen. Eine klare Kampfansage an den Holtzbrinck-Titel Wirtschaftswoche, der ebenfalls donnerstags erscheint. Aber der Stuttgarter Konzern hat bereits ein Gegenprojekt in Planung: Ein "hochwertiges Anlegermagazin", geleitet von Roland Tichy, der bisher für das Handelsblatt tätig war. Offensichtlich soll das Blatt mit dem Arbeitstitel New York gezielt der von Gruner+Jahr herausgebrachten Börse Online Konkurrenz machen.

Auch Focus-Geschäftsführer Helmut Markwort will mitmischen und hat sich von seinem Verleger Hubert Burda ein wöchentliches Wirtschaftsmagazin genehmigen lassen: Zett - so der Arbeitstitel - wird allerdings nicht vor April nächsten Jahres erscheinen. Denn fünf der von Markwort verpflichteten leitenden Redakteure arbeiten zur Zeit noch bei der Wirtschaftswoche und können vor diesem Termin nicht wechseln.

Nach dem Euro am Sonntag plant Springer angeblich ebenfalls ein neues Wirtschaftsprojekt: Börsen-Bild. Damit auch jene Investoren, denen selbst Focus noch zu anspruchsvoll ist, was zu lesen - oder besser: zu blättern und anzugucken - haben. Auf Jungle World-Anfrage bezeichnete Carola Schmidt von der Pressestelle des Verlages die Gerüchte um Börsen-Bild jedoch als "Spekulationen": "Klar erwägen und diskutieren wir ständig neue Konzeptionen, aber das tun wir nicht in aller Öffentlichkeit." Allein schon, um konkurrenzfähig zu bleiben.