Europa kifft

40 Millionen Europäer haben schon mal einen Joint geraucht, aber nur statistisch. Und wurde dabei auch inhaliert? Die neue Drogenstatistik der EU wirft viele Fragen auf.
Von

Statistiken sind eine lustige Sache - nur: Sie erklären nichts. Das ist schade. Aber vielleicht macht genau das auch den Witz aus. Zum Beispiel kann man sich vorstellen, ganz Berlin wäre heroinabhängig und beschlösse, diese Botschaft in die Welt zu tragen. Nun brechen also alle Berlinerinnen und Berliner auf - ach, nehmen wir die BrandenburgerInnen auch noch mit -, ziehen also raus nach Europa und lassen sich überall nieder, in Paris, in London, auf verschneiten Alpengipfeln, am Fuße des Vesuvs.

Und dann gibt die EU-Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon (EBDD) einen Bericht heraus, in dem es heißt, dass drei bis fünf Millionen Menschen in Europa schon mal Heroin probiert haben. Der Bericht erschien in der vorvergangenen Woche und stellt weiter fest, dass rund 40 Millionen Menschen in Europa schon mal Cannabis probiert haben. Aber diese Zahl sagt nichts über die Verteilung aus. Es könnte ja sein, dass in Spanien alle kiffen, und sonst noch nie jemand einen Joint gesehen hat.

Aber der Bericht gibt auch ein paar konkrete Auskünfte. Etwa, dass der problematische Drogengebrauch vor allem aus dem Heroinkonsum resultiert. Und der betreffe etwa ein bis 1,5 Millionen Menschen in der EU. Auch über die Verteilung weiß der Bericht etwas zu sagen. Aber leider wieder nur Zahlen! Und so bleibt die Frage offen, warum in den Ländern, die praktisch von Natur aus für Depressionen, Melancholie, Sinnlosigkeit und humanen Bankrott stehen - also Deutschland (Hitler), Österreich (Hitler), Schweden (Winter) und Finnland (Winter, Winter, Winter) Drogengebrauch am wenigsten problematisch ist, während in Ländern, die die Lebensfreude quasi gepachtet haben - also Italien (Vino), Luxemburg (keine Steuern) und Großbritannien (Elton John) - besonders hart vom Heroinproblem betroffen sind. Das kann die Studie nicht erklären.

Andererseits bestätigt der Bericht jedoch auch die alltäglichen Beobachtungen der Metropolen-BewohnerInnen, dass der Heroinkonsum »oft Hand in Hand mit dem städtischen Armutsphänomen« gehe. Allerdings solle man diese Beziehung nicht »zu stark simplifizieren«, auf dem Land werde, so der Bericht weiter, immer häufiger Heroin geraucht und zwar durchaus auch sozial integriert.

Die Drogenbeobachtungsstelle, deren Job also offenbar nicht nur die Beobachtung von Drogen ist - das machen ja viele -, sondern gar ihre statistische Aufbereitung, stellt darüber hinaus fest, dass das deutsche Phänomen »weniger Ecstasy, mehr Speed« durchaus ein europäisches ist. Dieser Umstieg funktioniere sowohl freiwillig als auch unfreiwillig, denn immer weniger könne man sich beim Schlucken einer Ecstasy-Pille darauf verlassen, dass sie Spuren von Ecstasy, also von MDMA oder ähnlichem Zeug, enthält. Der Speedanteil sei oft wesentlich größer. Das führe

- so der Bericht - dazu, dass die Ecstasy-Szene durch die Amphetamin-Welle ihre Exklusivität verliere und der Speed-Konsum auf der Tanzfläche immer sichtbarer werde: »hängende Zungen, rote Gesichter, Grimassen«, also das kennt ja jeder. Könnte aber auch andere Ursachen haben, denn auch Alkohol werde in den Technoclubs immer häufiger getrunken. Schuld sei die Alkohol-Industrie, die den »lukrativen Musik-/Tanzmarkt« entdeckt habe und solche Veranstaltungen bewusst sponsere und bewerbe.

Dennoch scheinen noch ein paar Pillen unterwegs zu sein. Nach »konservativen Schätzungen« sind in der Mitte der neunziger Jahre in Großbritannien jedes Wochenende mehr als eine Million Ecstasy-Trips konsumiert worden. Das entspricht ungefähr der Einwohnerschaft von Köln. Oder den TeilnehmerInnen der Berliner Love Parade. Vielleicht ist das ja auch dasselbe. Das würde zumindest erklären, warum das Ding dem Rosenmontagszug so verdammt ähnlich sieht.