Steuerbefreiung für Banken

Prima Perspektive

Das neue Zeitalter beginnt im nächsten Jahr. Ab 2001 wird sich die deutsche Wirtschaft radikal verändern - vorausgesetzt, die geplante Steuerreform tritt in Kraft. Dann können Banken und Versicherungen endlich machen, was sie bisher kaum zu tun wagten: ihre Industrie-Beteiligungen verkaufen.

Bis jetzt blieben Kreditinstitute und Versicherungen lieber auf ihren stillen Reserven sitzen. Bei einem Steuersatz von 30 Prozent hätte etwa die Deutsche Bank beim Verkauf ihrer Industrieanteile rund 14 Milliarden Mark Steuern bezahlen müssen. Also ließ sie ihr Kapital lieber da, wo es vor dem Finanzamt sicher war: etwa bei dem Pleite-Unternehmen Holzmann.

Doch wie der Beinahe-Bankrott der Baufirma exemplarisch zeigt, ist diese Form der fixen Kapitalanlage in Zeiten des Casino-Kapitalismus reichlich antiquiert. Kein Wunder, stammen sie doch aus einer anderen Zeit. Die intime Verbindung zwischen Finanzkapital und Industrie funktionierte während der nachholenden Industrialisierung in Deutschland als Bollwerk gegen die internationale Konkurrenz. Fast das gesamte 20. Jahrhundert über hielt die deutsche Wirtschaft ihre Reihen fest geschlossen.

Nur in Ausnahmesituationen gelang es ausländischen Anlegern, in nennenswertem Umfang wichtige Firmenanteile zwischen Rhein und Ruhr zu übernehmen; etwa nach der Ölkrise von 1974 oder beim Schlussverkauf der Treuhand in der ehemaligen DDR. Gleichzeitig expandierten deutsche Unternehmen aggressiv in alle Himmelsrichtungen. Wie national fixiert die deutsche Wirtschaft noch ist, zeigte sich erst kürzlich bei den hysterischen Reaktionen auf den geplanten Kauf von Mannesmann durch die britische Vodafone - oder bei der patriotischen Rettungsaktion für Holzmann.

Solche Mega-Fusionen oder Super-Pleiten können aber bald alltäglich werden. Denn was für ein Interesse sollte etwa die Deutsche Bank an einem maroden Unternehmen wie Holzmann haben? Wie die Aussichten der Firma sind, zeigte sich auf der Hauptversammlung Ende Dezember in Frankfurt. Dort wurde das Sanierungskonzept abgesegnet: Die Aktionäre stimmten einem Kapitalschnitt von 1 zu 26 zu. Damit wird das Grundkapital der Gesellschaft von rund 150 Millionen Euro auf 5,7 Millionen Euro herabgesetzt. Weltweit werden 5 000 Mitarbeiter entlassen; die Beschäftigten wollen durch freiwilligen Lohnverzicht und Ausdehnung der Arbeitszeiten 245 Millionen Mark einsparen. Prima Perspektiven.

Die Banken werden künftig ihre Beteiligungen einfach abstoßen, wenn die Industrie keine lukrative Performance bietet. Nebenbei könnten sie noch ihr schlechtes Image abschütteln, das die Institute in ihrer doppelten Rolle als Kreditgeber und Anteilseigner begleitet. Soll doch irgendein Seelenverkäufer aus Singapur die Reste übernehmen. Die deutsche Wirtschaft wird endgültig internationalisiert.

Umgekehrt könnten die deutschen Kapitalgesellschaften ihre stillen Reserven aktivieren und dort anlegen, wo die Aussichten profitabler sind. Die Kriegskassen sind zum Platzen voll: Die größte deutsche Bank hat Einlagen von mindestens 45 Milliarden Mark; allein die Münchner Rück hält rund 60 Milliarden Mark, die Allianz einen ebenso hohen Betrag. Zusammengerechnet werden potenziell Hunderte von Milliarden Mark freigesetzt.

Insbesondere Gesellschaften mit hohem Beteiligungsbesitz, wie der Deutschen Bank oder der Allianz, stehen damit riesige Kursgewinne bevor. Den ersten Vorgeschmack lieferte bereits die Börse: Nachdem Finanzminister Eichel die Steuerpläne bekannt gegeben hatte, stieg der Dax um mehrere Hundert Punkte.