Putschen und teilen

Im Sudan könnte der Machtkampf zwischen islamistischen Militärs und islamistischen Ideologen zu einer Demokratisierung, aber auch zum Bürgerkrieg führen.

Der Putsch war erfolgreich. Das zeigen schon die Reaktionen aus dem Ausland: Am 21. Dezember begab sich der sudanesische Präsident Omar al-Bashir auf Staatsbesuch nach Libyen und Ägypten, wo er auch mit den Staatsoberhäuptern Ugandas, Yoweni Museveni, und Eritreas, Issayas Aferwerki, zusammentraf, um über eine Normalisierung der Beziehungen des Sudan zu seinen Nachbarstaaten zu sprechen. Ein Novum in der jüngeren Geschichte des nordostafrikanischen Staates.

Und wer Erfolg hat, zeigt sich manchmal auch großzügig: Nur eine Woche nach den Staatsbesuchen verkündete Bashir, dass fortan alle Parteien, unabhängig davon, ob sie die Regierung unterstützen oder nicht, politisch tätig werden können. Diese Ankündigung richtet sich insbesondere an die großen Oppositionsparteien im Norden des Sudan. Ob auch die bewaffneten Rebellen der südsudanesischen SPLA unter John Garang gemeint sind, wurde bisher nicht bekannt gegeben.

Dem Putsch vor knapp drei Wochen war über Monate ein verdeckter Machtkampf im Sudan vorangegangen. Mitte Dezember kam es zur Eskalation. Die Rivalität zwischen Staatspräsident Omar al-Bashir und dem Parlamentspräsidenten und Chefideologen des politischen Islam, Hassan al-Turabi, trat offen zu Tage: Bashir löste das Parlament auf, beraubte Turabi damit seines Amtes und stellte ihn unter Hausarrest. Zugleich wurde für drei Monate der Ausnahmezustand über das ganze Land verhängt.

Zwar wird mittlerweile über eine vorzeitige Beendigung des Ausnahmezustands diskutiert und eine Überprüfung der Parlamentsauflösung durch das höchste Gericht gefordert - dieser Forderung hat sich sogar die regierende Nationale Kongress-Partei angeschlossen. Turabi nannte das Vorgehen dennoch einen »Putsch von oben« und kündigte Widerstand an. Das ist durchaus ernst zu nehmen, da Turabi Tausende loyale Freiwillige seiner ideologisch geschulten islamistischen Milizen hinter sich hat.

In den ersten Tagen des Ausnahmezustandes äußerten sich Vertreter der Opposition im Ausland besorgt über eine mögliche bewaffnete Eskalation der Auseinandersetzung. Eine solche Eskalation würde aber wohl erst nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan möglich sein. Zu groß wäre die Scheu der Milizen, während des Ramadan mit einem Bürgerkrieg zu beginnen. Das weiß auch Bashir, was das Timing seines Schlags gegen Turabi - zu Beginn des Ramadan - erklären könnte. Kein Zufall dürfte es auch sein, dass Sadiq al-Mahdi, Parteichef der verbotenen Umma-Partei, und Bashir zwei Wochen zuvor zusammentrafen und eine Einigung über das Ende des Verbots der Umma zu Stande brachten.

Etwas mehr als zehn Jahre nach der Machtübernahme ist der sudanesische Präsident Bashir nun unangefochten. Er war am 30. Juni 1989 durch einen unblutigen Militärputsch an die Macht gekommen. Wie seine Vorgänger ließ er anfangs auch Turabi, den Parteichef der von Muslim-Brüdern gegründeten National Islamic Front (NIF), unter Hausarrest stellen. Schon bald wurde deutlich, dass Turabi bereits in die Planungen für den Putsch involviert war.

Nach dem Staatsstreich erklärte Bashir öffentlich: »Wir unterstützten von Anfang an die islamische Tendenz. Als die Kommunisten 1971 versuchten, das Numairi-Regime zu stürzen, wurde in den Streitkräften eine islamische Organisation gegründet. Als die Revolution begann, traf sich die Führung der NIF und beschloss, sich den Behörden anzuschließen. Wir brauchten eine Anzahl von Kadern. Wir versuchen, die (islamischen) Texte schrittweise umzusetzen und beabsichtigen, im Sudan einen islamischen Staat zu etablieren.«

Diese Allianz aus islamischen Militärs und den ehemaligen NIF-Politikern hat in den letzten zehn Jahren versucht, den Sudan zu einem sunnitisch-integralistischen Staat umzubauen. Dabei stieß sie jedoch nicht nur auf den Widerstand der traditionellen Rebellenorganisationen aus dem Süden, sondern auch auf Opposition in der Bevölkerung des Nordens.

Schon wenige Monate nach dem Militärputsch hatten sich die Oppositionsparteien des Nordens in der National Democratic Alliance (NDA) gesammelt: Die traditionell religiösen Parteien, die al-Mahdi nahe stehende Umma-Partei, die dem Sufi-Orden der Khatmiya nahe stehende Democratic Union Party (DUP), Regionalparteien, die Kommunistische Partei und die Gewerkschaften. Nach einigen Jahren schloss sich der NDA sogar die größte Rebellenorganisation des Südens, die SPLA John Garangs, an. Spontane Streiks und Demonstrationen der Studenten der Khartum University zeigten alljährlich auch in der Hauptstadt die Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung mit dem Regime.

Seit 1997 versuchte das Regime verstärkt, seine Machtbasis durch Friedensverhandlungen mit der Opposition zu verbreitern. Am neunten Jahrestag der Machtübernahme des Revolutionären Kommandorats für die Nationale Rettung unter Bashir trat schließlich eine neue Verfassung in Kraft. Das in ihr vorgesehene neue Parteiengesetz wurde am 1. Januar 1999 umgesetzt. Seither sind »politische Vereinigungen« im Sudan wieder zugelassen, der arabische Terminus »hisb« für »Partei« wird aber von allen Beteiligten vermieden.

Trotzdem konnte sich einige Parteien wieder legal als »politische Vereinigungen« konstituieren, unter ihnen auch Oppositionsparteien wie die des ehemaligen SPLA-Rebellenführers Reik Machar, der 1998 ein Friedensabkommen mit Khartum unterzeichnet hatte. Selbst Gafaar al-Numairi, ehemaliger Langzeit-Militärdiktator des Sudan, kehrte am 22. Mai 1998 nach Khartum zurück, um eine »politische Vereinigung« zu gründen.

Sollten die in der NDA organisierten Parteien wirklich wieder in das politische System integriert werden, so bestünde zumindest eine Chance, einen echten Friedensprozess in Gang zu setzen. Schließlich liegt der Regierung viel daran, dass die neue Pipeline, die von den Ölfeldern im zentral gelegenen Khordofan in den 1 500 Kilometer entfernten Exporthafen Port Sudan reicht, nicht ständig von Regimegegnern sabotiert wird.

Doch ohne eine Einbindung der kompletten SPLA wird ein Ende des jahrzehntelangen Bürgerkrieges kaum möglich sein. Dieses Problem wäre nicht einmal mit der Rückkehr zu einem echten Mehrparteiensystem gelöst. Auch vor dem Militärputsch von 1989 gelang es der damaligen Regierung unter Sadiq al-Mahid nicht, mit der SPLA eine Einigung zu erzielen. Erst unter Bashir kam 1998 wenigstens mit Reik Machar und einem Teil der Rebellen ein Friedensabkommen zu Stande. Seither verwalten sie einige Distrikte im Süd-Sudan.

Vereinbart wurde auch, dass in einer Volksabstimmung die Bevölkerung im Süden des Landes über ihre Unabhängigkeit abstimmen soll - in zwei Jahren. Bis dahin muss also die Erweiterung der Machtbasis abgeschlossen sein, wenn das Land nicht auseinander fallen soll.