Jugoslawien zerfällt weiter

Separation light

Einen Außenminister hat die kleinere der beiden jugoslawischen Teilrepubliken ohnehin schon. Und was für einen: Branko Perovic heißt der Mann, der für Montenegro unterwegs ist, um den Regierungen in Washington, London oder Berlin die Loslösung seines Bundeslandes von Serbien schmackhaft zu machen. Manchmal auch auf die eher unkonventionelle Art: Im Dezember erhob ein italienisches Gericht Anklage gegen Perovic, weil dieser gemeinsam mit 26 anderen einen Schmuggel-Ring betrieben haben soll - zu der Zeit, als der heutige Chef über das diplomatische Korps Montenegros noch für die staatliche jugoslawische Fluglinie Jat tätig war. Möglicherweise hat Perovic schon bald Gelegenheit, seinen Richtern in Rom die Notwendigkeit klandestiner Geldbeschaffung bei der Gründung eines Staates zu erläutern.

Angeklagt von einem Gericht außerhalb der eigenen Staatsgrenzen: Darin dürften sich die Gemeinsamkeiten zwischen dem montenegrinischen Außenminister und dem höchsten Repräsentanten seines Landes, dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, aber auch schon erschöpfen. Denn Perovic will ebenso wie der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic vor allem eines: mit Milosevic nichts mehr zu tun haben. Montenegro soll unabhängig werden von Belgrad - und das mit allen Mitteln. Die Ernennung eines eigenen Außenministers durfte dabei selbstverständlich nicht fehlen; seit 1998 schon tritt Perovic auf internationalem Parkett für die Abspaltung von Serbien ein.

Das war ein Jahr, nachdem der Milosevic-Getreue Momir Bulatovic die Macht in der montenegrinischen Hauptstadt Podgerica an Djukanovic abgeben musste. Bulatovic ist heute Premierminister in Belgrad, Djukanovic betreibt seitdem von Podgerica aus die Separation von Serbien. Der Kreis schließt sich: Was Milosevic bis zum Beginn des Nato-Krieges nur noch mit Waffengewalt zusammenhalten konnte - die territoriale Integrität zumindest der letzten beiden jugoslawischen Teilrepubliken -, ist für den jugoslawischen Staats-Chef spätestens seit dem Einmarsch der Kfor in das Kosovo nicht mehr zu kitten.

Mit der Einführung der Deutschmark Ende letzten Jahres hat die montenegrinische Regierung die Dynamik des jugoslawischen Zerfallsprozesses wohl ein letztes Mal beschleunigt: Zwanzig Jahre nach dem Tod Titos dürfte in den nächsten Monaten auch das letzte Spaltprodukt des einstigen Vielvölkerstaates den Gang in die Unabhängigkeit antreten. Von einer Föderation kann ohnehin nicht mehr die Rede sein; Milosevic müsste lediglich den Staatsnamen ändern, damit aus der Bundesrepublik Jugoslawien endlich das wird, was die Nato bei der Bombardierung des Landes in erster Linie im Visier hatte: Serbien.

Wohl auch deshalb dürfte Milosevic das Jahr nach dem Nato-Krieg gegenüber der einstigen serbischen Bruder-Republik so versöhnlich eingeleitet haben. »Wenn das Volk Montenegros entscheidet, dass ein Leben außerhalb Jugoslawiens besser ist, hat es das Recht, ein solches Leben zu wählen«, zeigte Milosevic an Neujahr wenig Neigung zu einem letzten jugoslawischen Sezessions-Krieg. Kein Wunder: Mit der Drohung der Nato, Montenegro gegebenenfalls wie das Kosovo von jugoslawischen Truppen zu befreien - nach wie vor die völkerrechtlich legitimen Träger staatlicher Souveränität -, dürfte Milosevic die Lust am gewaltsamen Erhalt Jugoslawiens endgültig vergangen sein.

Viel ändern würde sich dadurch ohnehin nicht: Schließlich üben schon im Kosovo, das gemäß der jugoslawischen Verfassung zu Serbien gehört, die Belgrader Institutionen nur noch begrenzt die Macht aus - in weiten Teilen des Landes haben Kfor und Uno die Kontrolle übernommen. Noch ein Krieg, um dann am Ende Montenegro doch zu verlieren, lohnt sich für Belgrad da kaum. So setzt man eben auf die zarte Art der Separation: Zuerst kommt die Deutschmark - und dann die Unabhängigkeit.