Ist das sooo schlimm?

Yogi-Flieger wählen, Schröder stürzen, Kohl und Schäuble in Ruhe lassen: Unter www.cdu.de erarbeitet die Basis Vorschläge zum Umgang mit der Spenden-Affäre.

Menschen, die sich bisher nichts sehnlicher wünschten, als endlich einmal eine genaue Antwort auf die Frage: »Wie genau sieht eigentlich so eine Partei-Basis aus?« zu erhalten, werden eine sehr schöne Woche hinter sich haben. Denn zeitgleich kamen da die Redaktionen aller deutschen Nachrichten-, News-, Polit-, und Boulevard-Magazine auf die Idee, jemanden in die Provinz zu schicken, der sich an der CDU-Basis umhören sollte.

Ortsgruppenvorsitzende in schwäbischen oder westfälischen Kleinstädten kamen dabei ebenso zu ihren fünf Ruhmesminuten wie der jung-dynamische norddeutsche Nachwuchs oder sächsische Hausfrauen - aber sind die auch tatsächlich die Basis?

Natürlich nicht, denn die ist derzeit gar nicht außer Haus anzutreffen, weil sie damit beschäftigt ist, unter www.cdu.de das Forum vollzuschreiben. Was dort vor dem Spendenskandal los gewesen ist, ist leider nicht bekannt, aber seit einigen Wochen ist die unionseigene Website derart überlastet, dass sie manchmal sogar gesperrt werden muss.

Das Prinzip ist einfach: Unter einer möglichst griffigen Überschrift schreibt man auf, was man denkt, andere antworten, und schon ist eine rege Diskussion im Gange. Erwin Huber gelang das z.B. am 15. Januar mühelos. Um 13 Uhr 48 hatte er seinen Beitrag »Unsere Parteispitze muss bedingungslos unterstützt werden! Wir dürfen nicht uns selbst kritisieren. Auch wenn uns nicht alles erzählt und erklärt wird, müssen wir zu unserer Spitze stehen« auf die Seite gestellt, zwei Minuten später war auch schon die erste Antwort da. »Wirklich?« fragte jemand namens Logi, und dann ging es Schlag auf Schlag: »Dummheit zum Quadrat«, wetterte R.B., Nasi Goreng sprach von »dümmlicher Vasallentreue«, und um 20 Uhr 19 stand fest: Hubers Vorschlag ist durchgefallen.

Aber ist es auch tatsächlich die CDU-Basis, bei der er durchgefallen ist? Schon sechs Stunden zuvor hatte ein anderer Beitragschreiber, diesmal einer namens Bernd Huber, ängstlich gefragt: »Alles SPD-Kommunisten hier im Forum?« und mehr Lob der tollen Politik während der christdemokratischen Regierungszeit gefordert. Alles Kommunisten?

Carsten Heeder geht darauf nicht ein, sondern wird sarkastisch: »Zu wenig Lob für die CDU? Dann lobe ich sie nun dafür, dass sie es geschafft hat, nach 16 Jahren aktivem Bockmist die Republik selbst in der Opposition noch nachhaltig gefährden zu können.« Huber schreibt daraufhin sicherheitshalber in dieser Rubrik nichts mehr, denn dem Kommi-Pack ist schließlich alles zuzutrauen. Kurt Monch dagegen erteilt »ein Lob von mir: Toll gemacht, CDU!!!« und fügt hinzu: »Herr Schröder sollte endlich den Hut nehmen. Staatsgeheimnisse müssen Staatsgeheimnisse bleiben.«

Das schreibt Monch zu jedem anderen Thema im Forum auch, aber diesmal hat er seinen Standardschluss vergessen: »Herr Schröder, packen Sie Ihren roten Koffer«, fügt er normalerweise, mal mit drei, mal mit vier Ausrufezeichen versehen, hinzu.

Monch war wahrscheinlich zu beschäftigt, denn er muss schließlich noch die Diskussion unter der Überschrift »Sofortige Bundestagsneuwahlen! Schröder muss zurücktreten!« alle halbe Stunde mit neuen Beiträgen plus dem Roter-Koffer-Satz auf Trab bringen. Denn die Debatte droht sonst in die völlig falsche Richtung abzudriften, ein Autor namens Caliban hatte z.B. dort gerade geantwortet: »Rühe darf dann die deutschen Kolonien wieder aufbauen.«

Und sogar ein Nicht-CDU-Mitglied gab gute Ratschläge: »Ich kann nur raten (empfehlen) als Außenstehender: Macht den Weg frei für einen Neubeginn. Es können keine Rücksichten mehr genommen werden. Es wird schmerzen - jetzt. Später wird es tödlich. Also Mut: die junge CDU muss vorpreschen!!!«

Um 15 Uhr 43 ist Monch wieder in der Rücktrittsforderungs-Gruppe aktiv. Einen anderen Schreiber raunzt er an: »Sie stellen die Frage: Was wäre wohl, wenn noch die CDU an der Regierung wäre??? Antwort: Die Spendenpraxis der CDU wäre nicht aufgedeckt worden.« So weit, so nachvollziehbar. Dann aber läuft Monch zu Höchstform auf: »Herr Schröder hat dieses Staatsgeheimnis indirekt ausgeplaudert, indem er nur zuschaut und nichts unternimmt. Herr Schröder, packen Sie Ihren roten Koffer!«

Mmmmh. »Verblendet oder was?! Ja, geht's noch?« fragt Roland Minnich besorgt zurück, erhält jedoch keine Antwort.

Unter der Überschrift: »Kohl und Schäuble in Ruhe lassen!« wird indes der Vorschlag eines Schreibers diskutiert, Kohl und Schäuble in Ruhe zu lassen. »klasse mentalität, am besten gar nichts mehr bestrafen. morden, rauben, brandschatzen für jedermann. anarchie für alle - au weh, armes deutschland ...«, erklärt jemand mit dem Klasse-Pseudonym »Ich«. Ein anderer hat dagegen eine Idee: Wenn die Politiker schon so doof sind, dann sollen sie wenigstens nur von intelligenten Menschen gewählt werden dürfen. Oder so ähnlich: »Bei soviel Dummheit, Naivität und Vasallentreue kann ich nur hoffen, dass unser Wahlrecht reformiert wird. D.h.: Vor der Wahl hat jeder Wahlberechtigte 10 Fragen zu unserem Politischen System zu beantworten. Fragen wie z.B.: Unterschied zwischen Bundestag und Bundesrat. Was ist der Vermittlungsausschuss. Wie heißt unser Bundespräsident. Wo liegt der Aufgabenunterschied zwischen Bundeskanzler und -präsident.« Vielleicht auch: Wozu gibt es Fragezeichen?

Nein, aber die Qualifikationsbedingungen sind trotzdem streng: »Wer davon nach dem Multiple-Choice-Verfahren mindestens 50 % richtig beantwortet, darf wählen«, fordert Friedel Wirtz, »denn nur der bzw. die weiß was er / sie tut.«

So richtig steigt darauf niemand ein, denn nebenan wurde gerade die Vertrauensfrage gestellt. Womöglich wieder von irgendeinem Huber, denn auf den beziehen sich die meisten Antworten. »Leute wie Sie hätten früher als erste 'Heil Hitler' geschrien«, schreibt beispielsweise R.B. »Gott sei Dank hat nicht einmal die CDU solche Idioten nötig.« Toni Schuster dagegen ist für eine radikale Neubewertung der ganzen Spendenaffäre: »Ist das wirklich soooo schlimm? Man sollte nicht die eigenen Führer in den Schmutz ziehen (...), sondern die Diskussion auf Sachthemen lenken.«

Jemand namens Klaus findet das auch.Man sollte das Ganze pragmatischer sehen: »WAHLKAMPF HESSEN: Besser ein Wahlkampf wird mit SCHWARZEN Kassen gewonnen als mit ROTEN Zahlen!!!!!! ODER????«

Das sehen Oliver und Patrick jedoch ganz anders: »Helmut Kohls Verhalten schadet dem Staat, dem er Treue schwor. Es ist eine Schande, was der Altkanzler tat. Es ist eine Schamlosigkeit sondergleichen, das Geschehene nicht aufklären zu wollen. Es ist eine Frechheit, wie feige und borniert der Mann dem deutsche Volk gegenübertritt. Armer Wolfgang Schäuble. Er will Kohls Suppe auslöffeln und kleckert noch dabei.«

Und auch mit dem CDU-Votum eines Autors namens Das dumme Stimmviech sollten die Christdemokraten bis auf weiteres nicht rechnen: »Es ist kaum zu glauben, aber nicht irgendwelche links- oder rechtsradikalen Spinner sind zur Zeit die größte Bedrohung für die Demokratie in Deutschland, sondern die alte Volkspartei CDU. Solange Herr Schäuble oder sonst irgendwelche Kohlgetreuen noch etwas zu sagen haben, werde ich meine Stimme eher den Yogischen Fliegern als der CDU geben.«

Und so geht das ewig weiter, es sei denn, der CDU wird's irgendwann zu dumm. Wenn die User weiter so freche Bemerkungen machen wie Ozelot, der den Webpage-Betreibern empfiehlt, »ihr solltet den 'senden'-button in 'spenden' umbenennen!« dann sollte das nicht mehr allzu lange dauern.