Neue Regierung in Ecuador

Dollar und Soldaten

»Es hat nicht lange Bestand gehabt, aber es war schön, nicht?« konstatierte ein Anführer der ecuadorianischen Ind'gena-Bewegung zufrieden nach dem misslungenen Aufstand von vergangener Woche gegenüber Le Monde. Im Übrigen hätte die Bewegung ausreichend trainiert, um auch noch einen dritten Präsidenten - nach Abdalah Bucaram 1997 und nunmehr Jamil Mahuad - zu stürzen, sollte sich dieser schlecht verhalten.

Nach dem kurzen Intermezzo einer Junta zur Nationalen Rettung haben die Techniker des Desasters wieder die Regie übernommen: Der neue Präsident Gustavo Noboa ist schon der sechste innerhalb von vier Jahren. Nach seiner Nominierung letzte Woche sah er sich genötigt zu betonen, dass es sich bei der neuen Administration nicht um eine Marionettenregierung handele.

Noboa hatte das Amt nach turbulenten Ereignissen am vorletzten Wochenende übertragen bekommen. Kurz zuvor hatte Armeechef und Verteidigungsminister Carlos Mendoza den hinter der Ind'gena-Revolte stehenden Oberst Lucio Gutiérrez aus der Junta zur Nationalen Rettung verdrängt, die Junta für aufgelöst erklärt und Noboa als Vize-Präsidenten vorgeschlagen. Mendoza, der seine Ämter mittlerweile niedergelegt hat, erklärte später, er habe sich dem Putsch lediglich angeschlossen, um Zeit zu gewinnen - so lange, bis die »demokratische Ordnung« wieder hergestellt sei.

Möglicherweise plante das Oberkommando des Militärs aber auch, die ganze Macht an sich zu reißen. So verbreitete die Ind'gena-Organisation Conaie letzte Woche Kopien eines Dokuments, das Entsprechendes belegen sollte. Das Papier wurde in der Putschnacht vom Oberkommando verfasst, aber nicht veröffentlicht. Ex-General José Gallardo jedenfalls - in der Woche vor dem Putsch noch Verteidigungsminister - erteilte dem neuen Präsidenten Noboa einen guten Rat: Er solle den neuen Armeechef Sandoval schleunigst ersetzen - man könne ihm »nicht trauen«.

Noch sind zu wenig Informationen bekannt, um die Machtverhältnisse zwischen Regierung und Militär abschätzen zu können. Klar ist jedoch, dass in der Armee eine »Säuberung« in Gang gekommen ist: So ließ am letzten Donnerstag ein Militärrichter Ermittlungsverfahren gegen 300 Offiziere und Soldaten einleiten, denen Meuterei und Befehlsverweigerung vorgeworfen wird.

Als wichtige Säule seiner Macht wird Präsident Noboa die Armee jedenfalls brauchen: Nicht zuletzt, um das höchst unpopuläre Dollarisierungsprogramm seines Vorgängers umzusetzen, das die Verarmung großer Teile der Bevölkerung weiter beschleunigen dürfte. Das Programm hatte der US-Ökonom Paul Krugman zuvor in der New York Times als Versuch bezeichnet, das Vertrauen der Investoren in die ecuadorianische Währung wieder herzustellen - indem man sie abschafft. Mahuad hingegen nannte den Plan einen »Sprung ins Leere»; richtiger wäre es gewesen, ihn angesichts des wachsenden Widerstands von Ind'genas und Gewerkschaften als politisches Suizidprogramm zu bezeichnen. Und das könnte er auch für Noboa werden.

Ob die Dollarisierung für das wirtschaftliche Establishment Ecuadors jedoch tatsächlich der erhoffte Rettungsanker wird, ist noch nicht ausgemacht. Schließlich gehören als unerlässliche Begleitmaßnahme ausgedehnte ökonomische Reformen dazu - was Krugman an den alten Spruch erinnerte, man könne jemanden auch durch Magie umbringen, wenn man ihm nur eine ausreichende Dosis Arsen verabreiche. Der Ökonom geht davon aus, dass Ecuador trotz seiner im globalen Maßstab untergeordneten Bedeutung »eine Art Versuchskaninchen« darstelle: Der Ausgang des ecuadorianischen Dollarisierungs-Experiments dürfte den Umgang mit künftigen Finanzkrisen entscheidend bestimmen. »Irgendwann - fast sicher irgendwann in diesem Jahrzehnt - wird es eine weitere große Finanzkrise geben wie die, die Mexiko 1994 oder Asien 1997 erschütterten. (...) Glauben Sie es oder auch nicht, Ecuador mag die Antwort bestimmen.«