Montesinos Rache

Unter der autoritären Herrschaft Fujimoris entwickelt der peruanische Geheimdienst neue Methoden zur Gleichschaltung der Medien.

An den Zeitungskiosken in Lima liegt Repudio neben La Repœblica, eine der letzten kritischen Tageszeitungen des Landes. Die beiden Blätter sind einander zum Verwechseln ähnlich. Repudio verwendet exakt das gleiche Format und Layout der international bekannten Tageszeitung. Doch während La Repœblica die Politik der Regierung von Präsident Alberto Fujimori kritisch begleitet, ist die andere nichts anderes als ein Pamphlet, das sich fast ausschließlich gegen den Herausgeber der oppositionellen Tageszeitung, Gustavo Mohme Llona, richtet und ihn verunglimpft.

Aus dem Boden gestampfte Blätter, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, prominente Oppositionelle, Politiker und Journalisten anzugreifen und zu verleumden, kursieren zahlreich in Lima und den anderen großen Städten des Landes. Diese international wenig übliche Praxis der Einschüchterung, die in Peru vor einigen Monaten begann, hat die Interamerikanische Pressegesellschaft (SIP) bereits mehrfach kritisiert.

Für die SIP, so deren Präsident Tony Pederson, ist die Situation der Journalisten in dem AndenStaat mehr als Besorgnis erregend. Angriffe gegen Vertreter der oppositionellen Presse seien gang und gäbe, viele Berichterstatter hätten Morddrohungen erhalten, einige seien sogar ins Exil gegangen, erklärte Pederson in einem Jahresrückblick Ende Dezember in Miami. Wegen der technischen Ausstattung und der finanziellen Mittel, die bei der Einschüchterung der kritischen Medienvertreter zum Einsatz kommen, vermuten viele, der Geheimdienst könne der Urheber sein, so Pederson.

Eine direkte Beteiligung des Geheimdienstes Servicio de Intellegenc'a Nac'onal (SIN) lässt sich zumindest bei der Übernahme der Frequencia Latina nachweisen. Der mittlerweile in Canal 2 umbenannte, ehemals kritische Fernsehsender hatte 1997 mit einigen Reportagen Licht ins Dunkel der Geheimdienstaktivitäten gebracht. So strahlte der Kanal nicht nur ein Interview mit einer ehemaligen Geheimdienstmitarbeiterin aus, die von ihren Kollegen gefoltert wurde, nachdem sie brisante Informationen an die Presse weitergegeben hatte. Auch ein Beitrag, wonach der SIN die Telefongespräche von mehr als 100 Journalisten, Unternehmern und oppositionellen Parlamentariern abgehört habe, lief über die Bildschirme.

Aber nicht die Geheimdienstpraxis, sondern der Fernsehsender des aus Israel stammenden Unternehmers Baruch Ivcher geriet nach den Sendungen in den Fokus der Ermittlungsbehörden. Ivcher wurde die peruanische Staatsangehörigkeit entzogen, da es angeblich Unregelmäßigkeiten bei seiner Einbürgerung gegeben habe. Damit verlor er das Recht, weiter die Aktienmehrheit an einem peruanischen Medienunternehmen zu halten. Der Kanal ging in die Hände der Brüder Samuel und Mendel Winter - Ivchers ehemalige Partner - über, die als Getreue des peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori bekannt sind. Regierungskritisch ist der Sender seitdem auch nicht mehr.

Mittlerweile ist der Fall Ivcher beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) anhängig. Der peruanische Kongress jedoch sprach dem internationalen Gericht schon im Juli letzten Jahres die Kompetenz ab, über die peruanische Justiz zu befinden.

Der Geheimdienst, der de facto dem Fujimori-Berater Vladimir Montesinos untersteht, hat somit freie Hand, gegen unliebsame Journalisten vorzugehen, wie Santiago Cant-n, Beauftragter der OAS für Fragen der Pressefreiheit, in seinem Bericht vom letzten Mai anprangerte. Unter peruanischen Reportern gilt die Faustregel, dass Berichte, die die Interessen von Geheimdienst, Armee oder Wirtschaft berühren, Probleme nach sich ziehen können - der unterschiedlichsten Art: Wirtschaftlicher Druck auf Zeitungen oder Instrumentalisierung der Steuerverwaltung, in die Geheimdienstmitarbeiter eingeschleust wurden, gehören ebenso dazu wie die direkte Bedrohung von Reportern und deren Familien oder das systematische Abhören von Telefonleitungen. Mit diesen Methoden haben sich die Leute vom SIN so manche Redaktion gefügig gemacht.

Wie dies in der Praxis aussieht, zeigte die Magazinsendung »Enlace Global« im November 1999 - am Beispiel der Nachrichtensendung »America Noticias«. Der Mitschnitt eines Gesprächs zwischen dem Chef des Fernsehsenders, Jose Francisco Crousillat, und dem Chef der Werbeagentur der Regierung, Daniel Borobio, wurde den Zuschauern präsentiert, in dem Crousillat Anweisungen erhielt, welche Themen und in welcher Reihenfolge er sie bringen soll.

Als Druckmittel dienen dabei auch die gut dotierten Werbespots der Regierung. Ein unbequemer Sender oder eine kritische Zeitung erhalten keine Regierungsaufträge bzw. Anzeigen aus jenem Regierungsfonds, der einzig und allein dem Wahlkampf des Präsidenten dient. Solche, die gegen die Opposition wettern und sich vor den Karren der Regierung spannen lassen, machen hingegen Kasse. Dies führt so weit, dass die oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Luis Casta-eda Lossio und Alberto Andrade im Fernsehen kaum mehr einen Sendeplatz finden.

In der Sensationspresse werden die beiden Kandidaten allzu oft diffamiert und beschimpft, und angeblich sollen die Schlagzeilen längst nicht mehr in den Redaktionen, sondern in der Zentrale des SIN fabriziert werden. Für das Entgegenkommen sollen die Zeitungen mit einer Zuwendung von 6 000 US-Dollar entlohnt werden. Belege für dieses Procedere gibt es allerdings nicht: Kaum jemand traut sich, den Mund aufzumachen - sei es aus Angst vor dem SIN oder wegen der Peinlichkeit, sich dem schmutzigen Spiel hingegeben zu haben.

Diesen Umgang mit der Presse hat die nordamerikanische Organisation Freedom House, die sich rund um den Globus für Pressefreiheit einsetzt, dazu bewogen, Peru in die Kategorie »ohne Pressefreiheit« zurückzustufen. Für den Literaten Mario Vargas Llosa, der 1990 im Präsidentschaftswahlkampf gegen Fujimori den Kürzeren zog, eine überfällige Maßnahme. Für ihn ist die Presse, von wenigen Alibi-Ausnahmen abgesehen, längst geknebelt. Und die für April anberaumten Wahlen sind nicht mehr als »ein Possenspiel, die durch die eigentliche Macht, den militärische Geheimdienst, entschieden ist«, schrieb er in einem Essay Anfang Januar.