Boys don’t kott

Nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ fordert Israel einen Sportboykott gegen Österreich und begibt sich damit in eine Tradition, die nur selten erfolgreich war.

Der israelische Sportminister Matan Wilnai hat jüngst einen weltweiten Sportboykott gegen Österreich gefordert. In Wilnais Haus wie auch im israelischen Außenministerium wird gegenwärtig darüber beraten, wie diese beinahe in der gesamten israelischen Öffentlichkeit begrüßte Initiative möglichst erfolgsträchtig in konkrete Politik umgewandelt werden kann.

Schon während der Eiskunstlauf-Europameisterschaften, die in der vergangenen Woche in Wien zu Ende gingen, war in Israel diskutiert worden, ob nicht als Reaktion auf die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei des Jörg Haider die israelische Equipe besser wieder abreisen sollte.

Dazu kam es jedoch nicht, denn die Abreise der sportlich nicht allzu erfolgreichen israelischen Delegation wäre vermutlich nicht so recht aufgefallen. Sevulun Orlev, der im israelischen Innenministerium für Sport zuständig ist, sagte gegenüber der österreichischen Tageszeitung Standard: »Das Hauptziel ist nicht, dass Israel Österreich boykottiert, sondern, die Österreicher aus jedem internationalen Rahmen zu entfernen. Man sollte zwar Sport und Politik trennen, aber der Sport soll Völkerfreundschaft symbolisieren, und Haiders rassistischer Zugang ist mit diesem Wert unvereinbar.«

Israel dürfte in der internationalen Politik einer der glaubwürdigsten Promoter eines Sportboykotts gegen Österreich sein. Nicht nur, weil das Land üblicherweise selbst Opfer vergleichbarer Bestrebungen ist, sondern auch, weil Israel der österreichischen Fußballnationalmannschaft einen der schönsten Abende seiner Geschichte verdankt. Am 6. Juni vergangenen Jahres schlug das israelische Team die mit viel Arroganz (»Gegen Israel verlieren wir zu einer Million Prozent nicht«, Otto Baric, Nationaltrainer) angereisten Österreicher mit 5:0. Österreich verpasste die EM-Qualifikation, doch jetzt, da es darum geht, bei der nächsten Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea mitzuspielen, wurden Israel und Österreich wieder in eine Gruppe gelost.

Sevulun Orlev vom Jerusalemer Innenministerium ist zwar optimistisch, »dass es nicht Israel sein wird, das nicht antritt, sondern Österreich«, aber in Anbetracht des gegenwärtigen sportlichen Leistungsvermögens der Österreicher könnte mit einem Boykott eine Chance zur sportlichen Demütigung des Landes vertan werden.

Ohnehin begibt sich Israel mit der Forderung, ein anderes Land vom Sport auszuschließen, in eine sportpolitische Sphäre, die, schaut man in die jüngere Geschichte, nicht allzuoft von Erfolg gekrönt war. Die ersten umfangreichen Boykottbemühungen gegen die Olympischen Spiele - bis heute weltweit die größten und am meisten beachteten Sportereignisse - hatten sich 1936 gegen Nazi-Deutschland gerichtet. Vereinzelte Gruppen, vor allem in den USA, forderten damals, die Teilnahme an dem Spektakel abzusagen. Die Kampagne wurde im Wesentlichen koordiniert von der Anti Defamation League, einer jüdischen Bürgerrechtsbewegung. Doch nur einige Einzelsportler boykottierten, nicht aber das gesamte US-Team. Der damalige US-amerikanische NOK-Chef und spätere Präsident des IOC, Avery Brundage, wurde mit den Worten zitiert, in seinem Sportclub in Chicago dürften auch keine Juden Mitglied werden.

Gleichfalls erfolglos blieben die Bemühungen, andere Sportkontakte mit Nazi-Deutschland, beispielsweise den Kampf um die Box-Weltmeisterschaft im Schwergewicht 1938 zwischen Joe Louis und dem Deutschen Max Schmeling zu verhindern. »In letzter Minute hat noch einmal in Neuyorks verjudeter Presse ein Feldzug eingesetzt«, hieß es dazu in der Tageszeitung der NSDAP, dem Völkischen Beobachter, »der wohl weniger daraufhin abzielen soll, den Kampf überhaupt zu verhindern, als unter den Zuschauern Stimmung für das 'Lehmgesicht aus Alabama' zu machen.« Das »Lehmgesicht« Louis schlug wenig später die arische Hoffnung Schmeling schon in der ersten Runde k.o.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben Deutschland und Japan erstmal von den meisten internationalen Sportwettkämpfen ausgeschlossen. 1952 aber, bei den Spielen in Helsinki, waren Westdeutschland und das Saarland mit eigenen Mannschaften vertreten, nicht aber die DDR.

Einen umfangreicheren und erfolgreicheren Boykottversuch gab es 1968 anlässlich der Olympischen Spiele in Mexiko. In den USA organisierten schwarze Athleten einen Boykott für den Fall, dass nicht drei Forderungen erfüllt würden: Ausschluss des Apartheidstaates Südafrika von den Olympischen Spielen, Rücktritt des rassistischen und antisemitischen IOC-Präsidenten Avery Brundage und Rückgabe des Schwergewichts-WM-Titels an den Profiboxer Muhammad Ali.

Eine Urabstimmung unter den schwarzen US-Athleten wurde veranstaltet, und wenn mehr als 65 Prozent für den Boykott votiert hätten, wäre die Aktion erfolgreich verlaufen. Diese Marke wurde jedoch knapp verpasst, und stattdessen kam es in Mexiko während der Siegerehrung für den 200-Meter-Laufs und die 4x400-Meter-Staffel der Männer zu »Black-Power-Demonstrationen«.

Unterstützt wurde das Boykottbegehren der US-Sportler zunächst durch Uganda, Algerien und Äthiopien, die auch den Ausschluss Südafrikas forderten. Ihnen schlossen sich 24 weitere, vorwiegend afrikanische Länder an, doch das IOC blieb hart. »Die Spiele werden stattfinden«, sagte Avery Brundage, »und wenn ich allein mit fünf Südafrikanern da sein müsste.« Am Ende wurde Südafrika zwar aus »Sicherheitsgründen« ausgeladen, aus dem IOC ausgeschlossen wurde es jedoch erst 1970.

1972, fünf Tage vor dem Beginn der Olympischen Spielen in München, richteten die vereinigten afrikanischen NOKs eine dringende Resolution an das IOC. Sie zögen sich zurück, wenn das rassistische Rhodesien teilnehmen dürfe. Als sich dann noch Haiti und Kuba der Boykott-Drohung anschlossen, lud das IOC mit knapper Mehrheit das Apartheidregime wieder aus.

IOC-Präsident Avery Brundage nutzte ausgerechnet seine Trauerrede für die während der Spiele ermordeten israelischen Sportler, um nachzukarten, indem er den Boykott auf eine Stufe mit dem Mordanschlag stellte: »Die Spiele der XX. Olympiade sind das Ziel von zwei grausamen Angriffen gewesen, denn wir haben im Falle Rhodesiens den Kampf gegen die politische Erpressung verloren.«

1976, bei den Spielen im kanadischen Montreal, war eine Intervention von 14 afrikanischen NOKs gegen Neuseeland, das Rugby-Kontakte zu Südafrika unterhielt, nicht erfolgreich: Die Afrikaner blieben den Spielen fern, Neuseeland durfte mittun. 1980 verwiesen die meisten Nato-Staaten auf die Afghanistan-Intervention der Sowjetunion, um den Spielen in Moskau fernzubleiben, im Gegenzug boykottierten 1984 die meisten Länder des Warschauer Pakts die Olympiade in Los Angeles. 1988 fehlten bei den Spielen im südkoreanischen Seoul außer dem verfeindeten Nachbarstaat Nordkorea auch Kuba, Äthiopien, die Seychellen, Nicaragua und Albanien. Kuba und Äthiopien begründeten dies mit der durch die Studentenproteste und deren gewaltsamer Niederschlagung unübersichtlichen Situation in Südkorea.

Die folgenden Olympischen Spiele waren seither boykottfrei, freilich wurden andere Sportereignisse immer durch politische Ausschlüsse belastet: So wurde etwa der Irak 1990 nach dem Überfall auf Kuwait von den Panarabischen Spielen und den Asienspielen ausgeschlossen.

1992 schloss der europäische Fußballverband Uefa Jugoslawien von der Teilnahme an der Endrunde der Europameisterschaft in Schweden aus. Das nachnominierte Dänemark telefonierte seine Spieler aus dem Urlaub zurück und gewann unter Trainer Richard Möller-Nielsen im Endspiel gegen die Bundesrepublik den Titel. 1995 beschloss die EU einen Sportboykott gegen Nigeria, nachdem die dortigen Machthaber den oppositionellen Schriftsteller Ken Saro-Wiwa und acht weitere Bürgerrechtler ermordet hatten. Der jüngste Sportboykott ging wieder von der EU aus und richtete sich erneut gegen Jugoslawien. Etliche internationale Verbände schlossen dessen Sportteams aus, andere, wie beispielsweise die Basketballer, kamen der Aufforderung der EU-Sportminister dagegen nicht nach.

Zu den Opfern von Boykottforderungen und realen Boykotten gehörte bislang immer wieder Israel. Nicht nur die arabischen Länder, mit denen das Mittelmeerland jahrzehntelang im Kriegszustand lebte und zum Teil noch lebt, weigerten sich oft, gegen israelische Sportler anzutreten. Auch die meisten sozialistischen Länder (bis 1990) verhinderten Kontakte oder ließen sie nur in »neutralen Ländern«, beispielsweise der Bundesrepublik, zu. Auch von den Asien-Spielen, dem größten Sportereignis des Kontinents, war Israel seit den siebziger Jahren konsequent ausgeschlossen.

Mittlerweile tritt das Land in den meisten Sportarten unter dem Dach des jeweiligen europäischen Verbandes an - und ist dabei durchaus erfolgreich. Der israelischen Fußballnationalelf etwa gelang es zwar noch nicht, sich für ein internationales Turnier zu qualifizieren - Höhepunkt bleibt die WM-Teilnahme 1970 -, aber mit Siegen über Frankreich, Österreich, Russland und Rumänien hat das Team auf sich aufmerksam gemacht, und die EM-Qualifikation nur knapp verpasst.

Jetzt hat Israel neuerdings den als Boykott-Gewinnler erprobten früheren dänischen Fußballnationaltrainer Richard Möller-Nielsen unter Vertrag. Der könnte den zuständigen Sportpolitikern ja den Tipp gegeben haben, darauf hinzuarbeiten, dass die österreichischen Konkurrenten um die WM-Qualifikation ausgeschlossen werden, dann müsste er sich als Nationaltrainer nur ans Telefon hocken und seine Spieler aus dem Urlaub herbeitelefonieren. So wird's gewesen sein.