Folklore in Dänemark

Die dänischen Sozialdemokraten beeilen sich, ihre rechte Konkurrenz in der Flüchtlingspolitik zu überholen.

´Zum dritten Mal seit ihrer Wiederwahl im März 1998 haben Dänemarks Sozialdemokraten einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Rechte von Migranten weiter einschränken wird. Mit 78 Einzelvorschriften soll eine »besser funktionierende Integration« erreicht werden. Tatsächlich schränkt das Gesetz die Möglichkeit, junge Ausländerinnen und Ausländer mit ihren Familien zusammenzuführen, drastisch ein.

So wollen die Sozialdemokraten, die in Dänemark die Regierungskoalition anführen, eine Garantie, dass die Ehe zwischen einem in Dänemark ansässigen Immigranten und dessen im Ausland lebenden Partner freiwillig geschlossen wird und nicht auf Zwang beruht. Zusätzlich wird geprüft, ob die Heiratswilligen eine engere Bindung zu einem anderen Land als Dänemark besitzen. Außerdem müssen die im Land lebenden Antragsteller eine eigene Wohnung vorweisen können. Das Gesetz soll für alle Ausländerinnen und Ausländer unter 25 Jahren gelten.

Der Gesetzentwurf läuft darauf hinaus, die Familienzusammenführung von Migranten aus Nicht-EU-Ländern und dem Trikont gänzlich zu unterbinden. Denn die Beurteilung der »Beweislage für die Authentizität einer Ehe« bleibt Staatsbeamten überlassen - und die sind in Dänemark in der Regel männlich und weiß. Haben sie Zweifel, dürfte ihre Entscheidung negativ ausfallen, wenn es sich um einen Partner / eine Partnerin aus einem Land mit anderen religiösen Traditionen handelt.

Thorkild Simonsen, der sozialdemokratische Innenminister, beteuert, das neue Gesetz diene der Integration und sei im Übrigen eine Kampfansage gegen von Familienangehörigen arrangierte Eheschließungen. Irritiert reagierten die Sozialdemokraten immerhin, als ihnen ihr kleiner bürgerlich-liberaler Koalitionspartner De radikale »offene Diskriminierung« vorwarf und dessen Jugendverband schlicht die Aufhebung der Koalition forderte. »Sehr zufrieden damit, dass die rechtlich abgesicherte Förderung der Familienzusammenführung von Ausländern ohne dänische Staatsbürgerschaft jetzt beseitigt wird« ist dagegen Helge Adam M¿ller, ein führender Politiker der Dänischen Konservativen Volkspartei (De Konservative). Der großen Partei der Rechtsliberalen (Venstre) - einer dänischen Variante der CSU - sowie der rassistischen Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti - FP) geht der Gesetzentwurf dagegen nicht weit genug. Sie fordern ein Verbot jeglicher Familienzusammenführung, wenn Personen aus ihnen nicht genehmen Ländern involviert sind.

Die parlamentarische Linke - die linkssozialdemokratische Sozialistische Volkspartei (Socialistisk Folkeparti) und die kleinere linksreformistische Einheitsliste (Enhedslisten) - bezeichnet die Gesetzesinitiative im Einklang mit Migranten-Organisationen als »einen skandalösen Einschnitt in die Rechte der Migranten« und als »rassistische Diskriminierung, die gegen die völkerrechtlichen Bestimmungen verstößt«. Die Opposition wird das Gesetz aber bestenfalls abschwächen können, verhindern kann sie es nicht.

Das Ziel der Regierungspolitik ist die strategische Eindämmung von Migration aus Ländern außerhalb des so genannten westlichen Kultureinflusses. Dass das damit verbundene machtpolitische Kalkül der sozialdemokratischen Strategen nicht aufgeht, verdeutlichen die ständig wachsenden Stimmenanteile der Dänischen Volkspartei. Mit Sorge beobachten die Sozialdemokraten, wie die populistische Partei und ihre charismatische Führerin Pia Kj3/4rsgaard mit Slogans wie »Zurückführung von Einwanderern aus fremden Kulturen in ihr Ursprungsland« für sich wirbt. Die Besorgnis entspringt aber weniger dem offenen Rassismus der FP als den Meinungsumfragen, in denen die Rechten sich jetzt mit 18 Prozent der Stimmen anschicken, die Sozialdemokratie zu überholen, die nur noch 21 Prozent erreicht - rund ein Drittel weniger als bei den letzten Wahlen. Würde jetzt gewählt, stünde einer Regierungskoalition zwischen den noch zögernden konservativ-liberalen Parteien und der FP nichts mehr im Wege.

Doch so weit wollen es die Sozialdemokraten nicht kommen lassen. Also passen sie sich den xenophoben Stimmungen in Teilen der dänischen Bevölkerung an: Etwa mit den - inzwischen wieder zurückgenommenen - Vorschlägen, Migranten künftig nicht mehr als Taxifahrer zuzulassen, Essensmarken und -pakete für Flüchtlinge einzuführen oder die Wohngebiete für Migranten einzuschränken.

Die Forderungen zeigen, wie sehr sich die Sozialdemokraten mittlerweile an der Dänischen Volkspartei orientieren. Diese hat sich in den letzten Jahren zur Partei des puren Populismus entwickelt. Bei allen hat die FP dabei politisch geklaut: Von den Sozialdemokraten übernahm sie die Orientierung auf sozial Unterprivilegierte, die diese im Zuge ihrer neoliberalen Deregulierungspolitik längst abgeworfen hatten, von der Anti-EU-Bewegung deren den Nationalstaat verklärende Position gegen den »bürokratischen Zentralismus und Dirigismus« der EU. Von den traditionellen bürgerlichen Parteien kopierte sie die Forderung nach drastischen Steuersenkungen und Entbürokratisierung des öffentlichen Sektors, von der extremen Rechten das Konzept einer Law-and-Order-Gesellschaft und den Hass auf jegliche Form von multikultureller Gesellschaft.

Ein wichtiger Unterschied zur österreichischen Variante des rassistischen Rechtspopulismus eines Jörg Haider ist allerdings, dass die Dansk Folkeparti keine Koppelung zur Nazi-Ideologie sucht. Großes Medienecho fand die FP mit ihrem jüngsten Vorschlag, alle außerparlamentarischen Aktivitäten und Gruppierungen, die sich gegen die bestehende Gesellschaftsordnung wenden, zu verbieten. Präventiv soll die Gesellschaft von jeglicher Subversion befreit werden - von Autonomen über »multi-ethnische Banden« bis zu den Rockern.

Dass solche Vorschläge momentan keinerlei parlamentarische Unterstützung von den übrigen Parteien erhalten, findet Peter Skaarup, der Stellvertretende Vorsitzende der Dänischen Volkspartei, völlig sekundär. Er meint, es sei »vor allem wichtig, dass die Bevölkerung unsere Vorschläge zu den heutigen Zuständen kennt und dass klar wird, dass etwas geschehen muss«.