Joseph Fischer im Iran

Die grüne Brücke

Wie sich die Zeiten ändern: Als im Mai 1993 zwei FDP-Bundestagsabgeordnete in den Iran reisten, war die Empörung groß, vor allem bei Bündnis 90/Die Grünen. In einer Presseerklärung prangerten sie die liberale Unterstützung für dieDiktatur an.

Als erster deutscher Außenminister seit 1991 hat letzte Woche nun Joseph Fischer den Iran besucht. Die Reise war durch ein Angebot Resa Khatamis, dem Bruder des iranischen Präsidenten Mohammad Khatami, eingeleitet worden: Deutschland könne für den Iran die Brücke zum Westen sein. Und so reiste Fischer in den Gottesstaat, um eine »Entspannung der belasteten deutsch-iranischen Beziehungen« zu bewirken.

Heute warnt niemand vor einer »grünen« Unterstützung der iranischen Diktatur, obwohl die Gefahr besteht, dass die Macht der Mullahs von der Appeasementpolitik der rot-grünen Bundesregierung gestärkt wird. Dem Auswärtigen Amt geht es nach eigenen Angaben um die Frage der Stabilität in einer als sehr gefährlich eingestuften Region, die von Zerfall und Krieg bedroht sei. Hier gilt der Iran zwar als schwierig, aber berechenbar.

Fischer folgt dieser Einschätzung: Er tritt bei seinen Gastgebern nicht nur als Brückenbauer, sondern auch als Mahner auf: Die Verhaftung von iranischen Juden sei unbegründet, die Todesurteile gegen Gefangene gefallen ihm ebenfalls nicht. Das Herrschafts- und Terrorsystem als Ganzes wird allerdings nicht in Frage gestellt.

Auch im Iran gibt es Realos. Sogar innerhalb der iranischen Geistlichkeit haben einige längst eingesehen, dass von Teheran die islamistische Weltrevolution wohl nicht angeführt wird. Im Gegenteil setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass für eine Modernisierung der Diktatur Kapital aus den westlichen Industrieländern gebraucht wird. Kapital, das auch vorhanden wäre.

Spätestens seit Mitte 1999 schielen viele Unternehmen wieder verstärkt auf den iranischen Markt, da sich dort die Konjunktur deutlich verbessert hat. Die europäischen Unternehmen konkurrieren zur Zeit mit Firmen aus Südkorea und Japan, in näherer Zukunft könnten aber auch die USA auf die Idee kommen, ihre Sanktionen zu lockern. Schließlich verspricht die iranische Staatsführung für die nächsten Jahre weniger ökonomische Beschränkungen und steigende Wachstumsraten.

Die Realisierung dieses Versprechens hängt aber von ausländischer Hilfe ab, da die ökonomische Stabilisierung im Iran allein auf die - dank hoher Rohölpreise - gestiegenen Einnahmen aus den Öl-Exporten zurückzuführen ist. Weiteres Geld wird dringend benötigt: offiziell zur Bekämpfung der zunehmenden Armut und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Aber auch für andere Vorhaben könnte etwas abfallen: Trotz der großen finanziellen Schwierigkeiten des Iran wurde in den letzten Jahren in großem Umfang Rüstung importiert. Khatami, der sich gerne neben iranischen Generälen filmen lässt, ist bestrebt, nun der Quantität die Qualität folgen zu lassen: Haben bisher Russland, China und Nordkorea den konventionellen Rüstungsbedarf für die iranische Armee abgedeckt, werden nun Lieferanten für hochwertige Waffensysteme, insbesondere für die Luft- und Seestreitkräfte, gesucht.

Auch darüber hat Fischer mit seinen Gastgebern gesprochen. Wenn auch nicht so, wie die es wohl erwartet hatten: Erneut musste der deutsche Außenminister mahnen und warnen. Schließlich hat der Iran in den letzten Jahren so stark aufgerüstet, dass es sogar dem Bundesnachrichtendienst in seinem jüngsten Bericht angst und bange wurde.