Alternative Lebensformen

Abgeordnete aufm Klo

Von

Bundestagsabgeordnete haben es gut. Sie dürfen in Berlin umsonst Taxi fahren oder sich von der Fahrbereitschaft in dunklen Wagen durch die Stadt chauffieren lassen. Sie bekommen jährlich 10 000 Mark für Büromaterial und haben in ihren Büros einen Fernseher mit einem speziellen Bundestagskanal, auf dem man die Plenarsitzungen bequem vom Sessel aus verfolgen kann. Vielleicht mit einem Glas Sherry in der Hand. 20 Minuten vor einer namentlichen Abstimmung läutet eine Sirene, dann können die Damen und Herren ins Reichstagsgebäude eilen, um ihre Stimme abzugeben. Wer das verpasst, muss eine saftige Strafe von 75 Mark zahlen.

Nun gut, diesen kleinen Privilegien auf der einen, stehen natürlich ein ungeheurer Stress, soziale Deprivation und gesellschaftliche Ächtung auf der anderen Seite gegenüber. Nur ein Privileg gibt einen Hinweis auf den direkten Zusammenhang dieser beiden Seiten der AbgeordnetenóMedaille. Es handelt sich dabei um die Pissoirs im MänneróWC des Deutschen Bundestages. Denn während der gemeine Kneipenbesucher ohne Amt und Mandat sich mit anderen Besoffenen eine Pissrinne teilen muss, oder zumindest in einer Reihe von Pissoirs dem Nachbarn solange auf sein Pinkelding schauen kann, bis diesem der Urin garantiert wegbleibt, haben die Herren Abgeordneten im Reichstagsgebäude jeder für sich eine eigene Kabine um das Pissoir herum. Abschließbar!

Wozu das gut sein soll? Zum Koksen sicher nicht. Denn einen Klodeckel haben die Pissoirs leider nicht. Außerdem kann man zu diesem Zweck ja in die normalen WCóKabinen verschwinden. Die reichen sicher auch für den schnellen BlowóJob zwischen zwei Tagesordnungspunkten aus. Es muss also schon mit dem Pinkeln an sich zu tun haben. Klar geht so ein harter Job voll auf die Weichteile. Und natürlich haben Männer mit Macht immer fürchterliche Minderwertigkeitskomplexe. Wenn da einer dem anderen auf den Schwanz blickt, geht sofort gar nix mehr. ProstataóKollaps. Man stelle sich vor, jemand von einer Minifraktion hat einen doppelt so Großen wie der Herr Minister von der Volkspartei. Da muss doch jeder Staatsmann verzweifeln! Außerdem der ganze Stress, die langen Autofahrten, die Bürgersprechstunden im Wahlkreis, der Elektrosmog im Büro, das Handy mit all seinen Strahlen und Wellen! Gesund ist das nicht. Da kann es eben schon mal länger dauern vorm Pissoir. Und wenn dann noch einer neben dir steht, der ebenfalls wartet und hofft, dass es zumindest beim anderen endlich strullt, damit das Plätschergeräusch die eigene Blase in Gang setzt ó das kann peinlich werden. Gespräche wie folgendes sind denkbar: »Na, Herr Kohl, mal wieder im Hause?« ó »Ja, ja, immer im Einsatz.« ó »Aber nur zum Teil, nicht wahr?«

Gut, diese Theorie erklärt sicher, weshalb Bundestagsabgeordneten ein Sichtschutz zwischen den Pinkelbecken zusteht, nicht jedoch, weshalb es gleich abschließbare Zimmer sein müssen. Man könnte natürlich mal bei der Verwaltung nachfragen. Aber die ist bestimmt gerade damit beschäftigt, das HaackeóBeet im Innenhof anzulegen. Im Sommer könnte man dort ein alternatives FreiluftóPissoir errichten. Das wäre Kunst! Die Politiker stehen im Kreis um das Beet herum und besprenkeln die Blumen. Der Bevölkerung zuliebe.