Casting-Hallenturnier in Berlin

Angeln müssen fliegen

Beim 42. Internationalen CastingóHallenturnier in Berlin gab es zwar Spitzenleistungen, aber null Zuschauerpräsenz.

Die Olympiabewerbung Berlins vor ein paar Jahren ging zwar kräftig daneben, doch dafür mausert sich die Stadt immer stärker zu einer TopóAdresse für internationale Sportwettkämpfe. Für nationale ist sie dies ó siehe DFBóPokalendspiel ó ja ohnehin schon seit Jahren.

So fand Ende März auch das 42. Internationale CastingsportóHallenturnier, gleichzeitig das erste Europacupturnier dieses Jahres, auf dem Berliner Messegelände statt.

Wer nicht mit dem eigenen Pkw anreisen konnte, musste allerdings einige Mühen auf sich nehmen, um überhaupt erst mal zum Austragungsort zu gelangen; die Lage der Messehallen ist für die Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs richtig katastrophal ó und Sonderzüge, wie sie regelmäßig zum Olympiastadion fahren, werden bei Castingveranstaltungen einfach nicht eingesetzt.

Wenn man es aber erst mal bis zum Messegelände geschafft hat, dauert es nur noch einen Spaziergang über das weitläufige Gelände ó und schon erreicht man auch die richtige Halle, diesmal Halle 25. Die Sportler unter den BVGóOpfern konnten sich so immerhin ihr Aufwärmprogramm sparen.

Die genaue Lage der Halle schon im Vorfeld zu erkunden (Stadtplan), war unabdingbar, denn Hinweisschilder gab es nicht und das sonst so beliebte Motto »Immer mit der Masse« griff wegen mangelnder Zuschauerresonanz überhaupt nicht. Um genau zu sein: Beim Betreten der Halle war keine einzige zivil gekleidete Person zugegen, Tribünen oder Absperrungen gab es nicht. Statt dessen bunte Trainingsanzüge, so weit das Auge reicht ó und das reicht, in Halle 25, weit.

Die Größe der Halle ist fürs Casting allerdings unbedingt erforderlich, denn diese Sportart benötigt Platz, viel Platz.

Casting bedeutet nämlich zielgenaues oder weites Werfen von an Angelruten befestigten künstlichen Fliegen oder Gewichten. Die Wurftechniken der Caster stammen aus der Sportfischerei, aus der diese Sportart auch hervorging.

Das erste Castingturnier in Deutschland fand 1923 in Berlin statt, damals hieß die Sportart allerdings noch »Turnierweitwurf«. Ein bisschen früher war man dagegen in Amerika mit dem Angelwerfen zugange. 1864 wurde im Staate New York das erste Castingturnier ausgespielt, und erstaunlicherweise gab es erst 16 Jahre später im Mutterland des Sports, England, ein ähnliches Ereignis.

Beim Casting unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Wettkampfdisziplinen. Zum einen das Weitwerfen, bei dem geübte Caster Weiten um die 80 bis 90 Meter (EinhandóWeitwurf mit 7,5 Gramm Gewicht) erreichen. Zum anderen das Zielwerfen, bei dem die Fliege (das Gewicht) aus einer Distanz zwischen zehn und 20 Metern in ein dartscheibengroßes Ziel bugsiert werden muss. Darüber hinaus gibt es diese Disziplinen auch noch mit einem 18 Gramm schweren Gewicht. In diesem Fall können beim Weitwerfen bis zu 120 Meter erreicht werden.

Nach den internationalen Wettkampfregeln gibt es vier verschiedene Zieló und fünf unterschiedliche Weitwurfdisziplinen, zusätzlich noch eine Kombination aus beiden Einzeldisziplinen. Beim Berliner Europacupturnier wurden alle Sparten ausgespielt.

Teilnehmer aus ganz Europa waren der Einladung des Verbandes der deutschen Sportfischer / Landesverband Berlin Brandenburg gefolgt. Dokumentiert wurde dies auch mit den Flaggen der anwesenden Verbände, die sehr dekorativ von den Wänden baumelten. Das Berliner Turnier war das erste von acht Europacups (das einzige in Deutschland), von denen jeweils die vier besten in die Wertungen der Einzeldisziplinen eingehen.

Bei den Berliner Wettkämpfen selbst ging es zu wie auf einer Baustelle, Unübersichtlichkeit par excellence. Von sechs Podesten aus, die an einem Ende der Halle aufgebaut waren, warfen die Caster ihre Angelruten so weit es eben ging, um sich das Ergebnis von einer zig Meter entfernten Person, dem Schiedsrichter, dann zurufen zu lassen. Daneben das Gewusel der nächsten Teilnehmer (immer deutlich durch ein rotes Leibchen mit gelber Startnummer gekennzeichnet), Fachsimpelei, Aufrollen der Angelschnüre und das Ganze wieder von vorne. Dass diese Sportart kaum Fans für sich begeistern kann, verwundert bei dieser absoluten Zuschauerunfreundlichkeit nicht.

Die dünnen Angelschnüre sind schon auf kurze Entfernung kaum noch auszumachen, und ohne Opernglas (in diesem Fall: Castingglas) ist man schlicht aufgeschmissen.

Mal ganz davon abgesehen, dass Zuschauer sowieso keinen Platz gefunden hätten. Die komplette Fläche der Halle, und die ist, wie schon erwähnt, nicht gerade klein, wurde von den Aktiven benötigt. Teilnehmer, die gerade nicht mit dem Wettkampf beschäftigt waren, tummelten sich am Hallenrand oder weilten im Vorraum, wo es, wie bei Turnieren üblich, Stärkung in Form von Kaffee, Tee, Bier, Kuchen, Wurst, Brötchen und Süßem gab. Gestiftet und feilgeboten wurden diese, wie bei Turnieren anderer Sportarten auch üblich, von den Familienmitgliedern der Ausrichter und Teilnehmer ó der Kommerz scheint bis jetzt noch nicht zu dieser Sportart vorgedrungen zu sein.

Zwar gibt es in Deutschland 650 000 organisierte Sportfischer, von denen nicht wenige auch das Casting betreiben; doch da die Telegenität dieser Sportart sehr zu wünschen übrig lässt, wird man wohl auch so schnell nicht an die dicken Fernsehgelder kommen.

Casting ist auch keine olympische Disziplin, aber bei den alle vier Jahre veranstalteten Worldgames (kennen die meisten auch nur vom guten alten Có64), den Weltspielen der nichtolympischen Sportarten, steht Casting auf dem Programm. Das ist ja auch schon mal etwas.

Und ein wenig Geld kann man sogar mit dieser Sportart verdienen. Der Präsident des Weltverbandes höchstpersönlich war anwesend, um den Siegern der einzelnen Sparten das Preisgeld auszuhändigen. Sieger erhielten 200, Zweitplatzierte 150 und die Dritten 100 ó nicht Mark, nicht Euro, sondern Dollar. Die Weichen für die Kommerzialisierung und Professionalisierung sind somit gestellt.