Wahlen in Griechenland

Lieber Sozis als die Cholera

Die Parlamentswahlen am 9. April haben Griechenland dem Zweiparteiensystem ein gutes Stück näher gebracht.

Tausende von Anhängerinnen und Anhängern der konservativen Nea Demokratia (ND) feierten am Abend des 9. April in den Straßen griechischer Städte und Dörfer den Sieg ihrer Partei, der sich in den ersten Wahlprognosen andeutete. Bis 21 Uhr. Von da an verschob sich mit beinahe jedem Wahlbezirk, dessen Ergebnis in Athen eintraf, das Gewicht ein kleines Stück zu Gunsten der sozialdemokratischen Pasok.

Gegen Mitternacht wurden die Hochrechnungen stabiler, und es war klar, dass die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Konstantin Simitis wieder die stärkste Partei sein würden: Die seit 1981 fast ununterbrochen andauernde Pasok-Ära - nur von 1990 bis 1993 gab es ein ND-Intermezzo - wird um weitere vier Jahre verlängert.

Knapp neun Millionen Wahlberechtigte waren an diesem Tag aufgerufen, in vorgezogenen Wahlen eine neue Regierung zu wählen. Gegenüber der vorhergangenen Wahl im Jahr 1996, bei der sie 41,5 Prozent der Stimmen erhielt, konnte die Pasok ihr Ergebnis sogar noch verbessern: 43,8 Prozent reichen ihr auf Grund des 1993 von der ND eingeführten griechischen Wahlrechts zu einer komfortablen Mehrheit von 158 Sitzen im 300 Abgeordnete starken Parlament. Die Pasok, die ebenfalls kräftig zulegte und 42,7 Prozent erreichte, muss sich mit 125 Sitzen begnügen und bleibt in der Opposition.

Beide Parteien hatten einen bombastischen Wahlkampf geführt und dabei keinerlei Aufwand gescheut: Noch im letzten Augenblick wurden im Ausland lebende Anhängerinnen und Anhänger mit Chartermaschinen eingeflogen, die ihre Parteien bezahlten. Da es keine echten politischen Kontroversen gibt - in den wichtigen Punkten EU, Nato, Privatisierungen und Abschiebungen sind sich beide Parteien einig -, drehte sich der ganze Wahlkampf nur um die Frage, was besser sei für Griechenland: »Erfahrung«, sprich Pasok, oder »Erneuerung«, sprich ND.

Opfer dieses Kampfes um Allgemeinplätze wurden die kleineren linken Oppositionsparteien KKE (Kommunistische Partei), Synaspimos (Linksallianz) und Dikki (Demokratische Soziale Bewegung). Die KKE verfehlte ihr Ziel, eine Sechs oder Sieben vor dem Komma zu erreichen, verlor aber immerhin nur 0,1 Prozent gegenüber dem vorherigen Ergebnis von 5,5 Prozent. Sie wird mit elf Abgeordneten ins Parlament einziehen. Synaspimos verlor über ein Drittel der Wählerinnen von 1996 und schaffte mit 3,2 Prozent gerade eben den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde. An der scheiterte mit 2,7 Prozent die linkspatriotische Pasok-Abspaltung Dikki, die 1996 noch 4,4 Prozent erreicht hatte.

Alle drei Parteien hatten immer wieder gefordert, das aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht gemischte durch ein reines Verhältniswahlrecht zu ersetzen und in den Medien gleichberechtigt behandelt zu werden. Die Regierung ist auf diese Forderungen nicht eingegangen: Zur großen Fernseh-Redeschlacht der Parteivorsitzenden wurden wieder nur Simitis und der ND-Vorsitzende Konstantin Karamanlis zugelassen. Die Linksparteien stellten in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne das »korrupte Zweiparteiensystem«, das mit dem Stimmzettel angegriffen werden müsse.

Daran, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung ging, dürfte vor allem die Angst vieler linker Griechen vor einem Wahlsieg der Rechten schuld sein, die noch immer größer ist als die Enttäuschung über die Pasok. Mit dem Slogan »Wer links von uns wählt, wählt ND« wussten die Sozialdemokraten diese Furcht zu mobilisieren. Sprechchöre auf den Pasok-Siegesfeiern zeigten, dass die Parole bei der Linken angekommen war: »Das Volk vergisst nicht, was Rechts bedeutet, das Volk vergisst nicht, es hängt die Faschisten.«

Fast einem Viertel der Wahlberechtigten war das Spektakel indes egal. Weit über zwei Millionen Griechen blieben einfach zu Hause, wählten ungültig oder gaben leere Stimmzettel ab, was in Griechenland eine traditionelle Form ist, seine Unzufriedenheit mit dem System auszudrücken.

Nach der Wahl versucht ND, den Druck auf Simitis aufrechtzuerhalten. Da beide Parteien gleich stark seien, müsse die Regierung »in allen wichtigen Fragen mit ND zusammenarbeiten«, verlangte Karamanlis. Simitis lässt dieses Ansinnen natürlich kalt. Ohne große Verzögerung schritt der Pasok-Chef am 13. April zu personellen Umstrukturierungen, die seine eigene Stellung in der Partei stärken und die Rahmenbedingungen für die Fortsetzung seiner Politik schaffen sollen. Im Rahmen einer umfassenden Regierungsumbildung wechselte er zehn Minister und elf Staatssekretäre aus.

Die noch vor zwei Jahren starke so genannte innerparteiliche Opposition ist nun im Kabinett praktisch nicht mehr vertreten. Die Problem-Ministerien Bildung und Öffentliche Beförderungsmittel sind mit engen Simitis-Vertrauten besetzt. Im konfliktträchtigen Gesundheitsressort erlebt ein alter Simitis-Freund einen zweiten Karrierestart: Der im Zusammenhang mit dem Öcalan-Debakel im Februar vergangen Jahres gefeuerte einstige Außenamtschef Theodoros Pangalos. Ein Comeback gibt es auch für den früheren Innenminister Alekos Papadopoulos und den Minister für Öffentliche Sicherheit, Philippos Petsalnikos, die bei gleicher Gelegenheit hatten gehen müssen.

KKE-Parteichefin Aleka Papariga beharrte in einer ersten Stellungnahme auf dem Ziel ihrer Partei, »eine starke Volksfront gegen die volksfeindliche Regierungspolitik« aufzubauen. Am 9. April habe »das Volk gegen seine eigentlichen Interessen gewählt«. Die linksliberale Tageszeitung Eleftherotypia schlug daraufhin der KKE vor, doch einfach das Volk auszuwechseln.

Innerhalb der Linksallianz haben sich die schon vor der Wahl ausgebrochenen Grabenkämpfe verstärkt. Ein Teil der Partei befürwortet eine engere Zusammenarbeit mit Pasok. Einzelne Überlegungen gehen bis hin zu einem Zusammenschluss. Die Parteilinke um den Vorsitzenden Nikos Konstantopoulos setzt dagegen auf die Fortsetzung des »unabhängigen, ökologischen« Weges in scharfer Abgrenzung zu Pasok. Und Dikki dürfte, darin sind sich alle Kommentatoren einig, langsam wieder in der Mutterpartei aufgehen.