Peru nach der Wahl

Entschieden eingeknickt

Während sich Perus alter und neuer Präsident Alberto Fujimori nach der Wahlfarce feiert, nehmen USA und OAS ihre Sanktionsdrohungen zurück.

Die Drohung war unverhohlen: Falls es keine Verschiebung des Wahltermins gäbe, würden politische und wirtschaftliche Sanktionen folgen. So deutlich wie zwei Tage vor dem zweiten Wahlgang zum peruanischen Präsidentschaftsvotum am 28. Mai war der US-Präsident William Clinton gegenüber seinem peruanischen Amtskollegen Alberto Fujimori zuvor nur selten geworden.

Einige Tage und eine von Fujimori gewonnene Wahl später hört sich das in Washington schon ganz anders an. Nie sei in Erwägung gezogen worden, unilaterale Maßnahmen zu treffen, so Philip Reeker, Sprecher des State Department, am 31. Mai in Washington. Ähnlich bedeckt hielt sich der permanente Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Entscheidungen über eventuelle Sanktionen müsse die Generalversammlung erst noch diskutieren, wurde lapidar in einer Presseerklärung bekannt gegeben.

Es ist nicht zu übersehen: Das Ausland tut sich schwer mit einer gemeinsamen Haltung gegenüber Fujimori. Am liebsten würde man Peru einfach fallen lassen und zur Tagesordnung übergehen. Einige lateinamerikanische Staaten, angeführt von Mexiko, wo demnächst gewählt wird, sind strikt dagegen, dass sich die OAS in nationale Wahlprozesse einmischt.

Im Falle Mexikos ist diese Haltung ausgesprochen eigennützig, denn über Jahrzehnte hat sich die regierende PRI bei Wahlmanipulationen nicht gerade zurückgehalten. Doch auch in anderen Ländern der Region ist ein transparentes Wahlprozedere alles andere als der Normalfall. Dennoch hatte die OAS ihre Wahlbeobachterkommission wegen der fehlenden Wahlvoraussetzungen frühzeitig abgezogen und für eine Verschiebung des Votums plädiert. Aus diesem Grund wäre der Übergang zur Tagesordnung für die OAS peinlich.

Das Dilemma aus Sicht der USA hat ihr Botschafter in Peru, Luis Lauredo, anschaulich umrissen. Eine dritte Amtszeit Fujimoris schade dem Ansehen der Demokratie und der Stabilität in Lateinamerika. Und um die steht es nach Ansicht von Pentagon-Analysen ohnehin nicht sonderlich gut. Krisenszenarien werden für Venezuela, Ecuador und Kolumbien ausgemacht, ein weiterer Destabilisierungsfaktor ist nicht erwünscht.

Auf der anderen Seite sei Fujimori, so Lauredo, sehr effektiv gegen die peruanische Guerilla und den Kokainanbau vorgegangen. Dieses rigide Vorgehen halten ihm viele in Washington zu Gute - egal, was der Präsident sonst noch so getrieben hat.

Die Unentschiedenheit in der OAS und den USA möchte Fujimori nun für sich nutzen. Er hat seinen Premierminister Mauricio Bustamente zu einer diplomatischen Offensive nach Washington, Madrid und Tokio geschickt. Zudem wurden vage Demokratieversprechungen gemacht. Seine dritte Amtszeit sei eine neue Etappe, um »Fehler zu korrigieren und die Institutionen der Demokratie zu stärken«, erklärte Fujimori im nationalen Fernsehen, nachdem ihm die nationale Wahlkommission (Onpe) einen uneinholbaren Vorsprung bescheinigt hatte.

Demnach hat er fast 75 Prozent der gültigen Stimmen erhalten, während auf den nicht zu den Wahlen angetretenen Alejandro Toledo etwas mehr als 25 Prozent entfielen. Allerdings war ein knappes Drittel der Stimmen ungültig und mit einem »Nein zum Betrug« versehen. 18 Prozent der Wahlberechtigten waren den Urnen trotz Wahlpflicht ferngeblieben, weshalb die oppositionelle Tageszeitung La Repœblica schrieb, sechzig Prozent der Wähler hätten gegen Fujimori gestimmt.

Diese Argumentation macht sich auch Alejandro Toledo zu Eigen, der die Bevölkerung zum passiven Widerstand gegen die Diktatur Fujimoris aufrief. Toledo musste sich in den vergangenen Tagen allerdings auch Kritik gefallen lassen. Allzu zögerlich habe er sich verhalten und sich viel zu spät zur Niederlegung seiner Kandidatur entschieden.

Ohnehin ist der Oppositionskandidat keineswegs eine linke und progressive Alternative zu Fujimori, wie des Öfteren behauptet wurde. Er definiert sich als Anhänger eines dritten Wegs, lobt die Politik von Tony Blair und William Clinton und setzt auf eine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik. Die Hungerlöhne von Lehrern und Ärzten im öffentliche Dienst sollen heraufgesetzt, die Gesundheitsversorgung soll verbessert und für alle zugänglich werden. Detaillierte Konzepte zur Armutsbekämpfung hat Toledo allerdings im äußerst populistisch geführten Wahlkampf nicht vorgelegt; sein Wahlkampf reduzierte sich auf die simplen Slogans: »Nein zum Betrug« und »Nein zu Fujimori«.

Diese Parolen werden auch im Mittelpunkt des für den 26. Juli geplanten Protestzugs durch Lima stehen. Zwei Tage vor der neuerlichen Amtseinsetzung Fujimoris will Toledo den Widerstand gegen die dritte Amtszeit noch einmal auf die Straße tragen. Doch auch im Ausland wirbt der Oppositionschef um Unterstützung. Er hat den Kontakt zum spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar aufgenommen, der ihn am vergangenen Montag in Madrid empfing. Spanien, größter Investor in Peru, hat sich bisher zurückgehalten, während andere EU-Mitglieder wie Belgien und Frankreich das Wahlprozedere scharf kritisierten und für Sanktionen durch die EU eintraten.

An diesem Punkt ist das mit 29 Milliarden US-Dollar verschuldete Land angreifbar. Sollten von den internationalen Institutionen Kredite eingefroren werden, könnte das Budget Fujimoris schlagartig um 400 Millionen US-Dollar schrumpfen. Zusätzliche Einbußen erwarten peruanische Unternehmer durch den Rückgang der Auslandsinvestitionen. Doch ähnlich wie die USA hat auch die EU den markigen Worten von Javier Solana keine Taten folgen lassen.

Solana, außenpolitischer Repräsentant der EU, hatte einen Tag nach der Wahlfarce angekündigt, dass die EU energisch reagieren würde, sollte sich herausstellen, dass die Wahlen nicht korrekt verlaufen seien. Doch das war zu diesem Zeitpunkt schon längst klar.