TV-Serien im Internet

Wer spielte eigentlich Yancee Derringer?

»Bezaubernde Jeannie«, »S.R.I.«, »Unser Walther« - die Vergangenheit und die Keller der Fernsehsender sind voller Serien. Die wichtigen Fragen dazu beantwortet jetzt das Netz.

Frühe Fernseh-Erinnerungen haben vor allem eins gemeinsam: Sie sind extrem unvollständig. Meist sind nur ein paar besonders beeindruckende Szenen von den Sendungen im Gedächtnis geblieben, während man die Titel schon lange vergessen hat. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren steht mit dem Rücken zum Zuschauer in waberndem Nebel. Sie dreht sich um - und zeigt anstelle eines Gesichtes einen Totenkopf. Wie heißt die Serie?

»Hooray, and up she rises!« lautete die Titelmelodie einer anderen Serie, die in Schwarz-Weiß ausgestrahlt wurde und deren Titelheld Yancee Derringer professioneller Kartenspieler auf einem Mississippi-Dampfer war. Ein eigentlich vernachlässigenswerter Typ mit Schmierhaar und Schnurrbart, der jedoch über ein unbedingtes Plus verfügte: seinen besten Kumpel, den taubstummen Indianer Pahoo, den Meister des lautlosen Messerwerfens. Aber wie hießen die Schauspieler?

Solche Probleme waren bisher nahezu unlösbar. Denn Erinnerungen an Fernsehserien taugen zwar durchaus dazu, selbst die lahmste Party zu einem fesselnden Gemeinschaftserlebnis werden zu lassen, aber meist erinnern sich die Anwesenden nur an Serien, die heute noch auf irgendeinem privaten Kanal wiederholt werden.

An »Tammy, das Mädchen vom Hausboot« etwa, das mit zwei alten Verwandten mit Hang zum Schwarzbrennen eigentlich eine vorbildliche White-Trash-Existenz führte. Eigentlich, denn ihr reicher Arbeitgeber verliebte sich in sie, obwohl dessen überkandidelte Mutter vehement gegen die unschuldige Tammy (»Hörst du den Südwind, er flüstert dir zu, Tammy, Tammy, sein Freund bist du!«) arbeitete.

Auch »Bezaubernde Jeannie« gehört zu den Serien, die niemand vergessen hat. Wie auch? Eine komplette Generation kleiner Mädchen hatte damals - wider besseren Wissens - den Dschinn-Trick versucht. Um die Mathearbeit zu verhindern, die blöde Zahnspange kaputt zu machen oder Svennie aus der siebten Klasse zu betören. Linke Hand auf rechten Ellenbogen, rechte Hand auf linken Ellenbogen, nicken und blinzeln. Klappte natürlich nie, aber das war eigentlich auch egal, denn Jeannie zeigte immerhin, dass man später mal Brüste und trotzdem Spaß haben konnte.

Im wirklichen Leben dagegen hatte das ZDF den Vorspann des US-amerikanischen Originals geändert und präsentierte statt der gezeichneten sexy Barbara-Eden-Version ein kindlich-quadratisches Pummelchen, um, wie in den Programmzeitschriften jener Zeit sinngemäß zu lesen stand, den Kindern nicht zu schaden. Das Zweite war schon damals ein verdruckster Sender.

Trotzdem war die Serie irgendwann zu Ende, und während Captain-Nelson-Darsteller Larry Hagman später als böser JR in »Dallas« den Durchbruch schaffte, sah man Barbara Eden bestenfalls in drittklassigen, nicht besonders angekündigten Fernsehproduktionen wieder. Ein Zehn-Jahre-später-Film wurde zwar gedreht, aber der litt daran, dass Hagman darin kaum vorkam, stattdessen gab es Eden und zwei Kinder. Das Mädchen hatte Jeannies Zauberkräfte geerbt - die ihr durch die Heirat verloren gegangen waren.

Bei der Gruppen-Auslosung zur Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den USA gelangte Barbara Eden plötzlich wieder ins öffentliche Bewusstsein, sie durfte die Gruppen auslosen. Aber Jeannie ist sie auf keinen Fall mehr. Denn die hatte nicht nur den kleinen Zuschauerinnen ihrer Zeit erfolgreich beigebracht, was mit Frauen passiert, die heiraten - sie verlieren wie Jeannie ihre besonderen Fähigkeiten und müssen putzen und kochen, statt Spaß zu haben -, sie hätte niemals die Frage nach dem guten Aussehen mit den Stereotypen »viel Pflege« und »eiserne Disziplin« beantwortet. Jeannie hätte gezwinkert und vielleicht von Magie gesprochen, wo die schwer gestraffte Barbara Eden nur den Namen ihres Schönheitschirurgen hätte nennen brauchen.

Immerhin, »Bezaubernde Jeannie« wird ständig wiederholt, ebenso wie »Bonanza«, die Serie mit den offensichtlichsten Pappkulissen der Welt. Auch deutsche Produktionen wie »Percy Stuart« laufen gelegentlich in den dritten Programmen, mit guten Einschaltquoten. Aber was ist mit den Serien, die nicht mehr wiederholt werden? Interessieren die denn wirklich niemanden mehr?

Unter www.fernsehserien.de hat man zumindest gute Chancen, in den beiden Diskussionsforen ihre Titel herauszufinden und Menschen zu treffen, die sich vielleicht an weitere Details erinnern. In der Tauschbörse kann man nach historischem Material, also Videos, Soundtracks, Fanartikeln fahnden. Unter dem Link »TV-Termine« werden alle aktuellen Sendetermine von Serien aus den siebziger und achtziger Jahren angezeigt, von der »Biene Maja« über »Graf Yoster« bis zu »Herr Rossi sucht das Glück«. Auch das Wunschfilm-Angebot des Kinderkanals wird hier aufgelistet, damit man mit gezieltem Telefonterror den Kleinen das Programm diktieren kann.

Die Initiatoren von www.fernsehserien.de, Frank Timmers und Armin Grief, legen großen Wert drauf, dass sie einfach nur als Fans betrachtet werden: »Wir (Jahrgang 1973) wohnen und studieren in Aachen. Diese Website erstellen wir als 100 Prozent unkommerzielles Angebot in unserer Freizeit. Wir hoffen, dass wir so ein wenig die Erinnerung wachhalten können - und dass die Serien nicht in den Archiven verstauben.« Dabei helfen soll die TV-Wunschliste, in der die User ihre Favoriten eintragen können. Sie soll den Fernsehstationen vorgelegt werden, und dann, so hoffen Timmers und Grief, könne den Sendern klar werden, dass mit Nostalgie durchaus Quote gemacht werden kann.

So weit ist es allerdings noch nicht, die Seite ist schließlich gerade erst gestartet. Mit gutem Erfolg, man hat es schon geschafft, viele Serien von A wie »Alpha 5« bis Z wie »Zwei Jahre Ferien« aufzulisten, mehr als 6 000 Beiträge stehen schon in den Foren.

Die fernsehserien.de-User sind überdies extrem hilfbereit. Schon kurz nach der ersten Anfrage nach der Serie mit der schwarzhaarigen Totenkopf-Frau ist ihr Titel klar: »S.R.I. und die unheimlichen Fälle«. Die ursprünglich als Kinderprogramm geplante Serie war jedoch weder in ihrem Ursprungsland Japan noch in Deutschland ein großer Erfolg. Zu düster sei sie gewesen, zu gruselig und zu mysteriös, befand das ZDF und nahm sie aus dem Programm, auch in Japan wurde sie nicht verlängert.

Zwei Tage nach der Anfrage gibt es sogar ein Wiedersehen mit der schaurigen Frau. Jemand hat ein Bild von ihr gepostet, das er auf einer japanischen Fanpage gefunden hat, ein anderer Fan verkündet stolz, dass er per E-Mail Kontakt mit dem damaligen Produzenten von »S.R.I.« aufgenommen habe. Der sei sehr verwundert, denn innerhalb weniger Tage habe er gleich zwei Anfragen aus Deutschland erhalten, einem Land, von dem er gar nicht wusste, dass »S.R.I.« dort auch gelaufen sei. Wer heute die deutschen Rechte an der Serie hat, ist dagegen nicht so schnell zu ermitteln, aber daran wird bestimmt schon gearbeitet.

Auch zu Yancee Derringer und Pahoo gibt es Informationen. Die Westernserie von 1958 unterschied sich damals sehr von den üblichen Ballerstücken, denn Derringer und Pahoo, die nur als Spieler getarnt waren und in Wirklichkeit gegen das Böse kämpften, griffen nur in Notwehr zu den Waffen. Yancee wurde gespielt von Jock Mahoney, einem ehemaligen Stuntman, der in zwei Filmen Tarzan war und in der Serie »Kung Fu« die Stunts koordinierte. 1989 starb er im Alter von 70 Jahren an einem Schlaganfall. Über den Pahoo-Darsteller ist dagegen nicht so viel bekannt. X. Brands hatte in vielen Western Gastauftritte, unter anderem in »Rauchende Colts« und »High Chaparral«, spielte bis 1979 in zahlreichen Filmen und müsste heute 73 Jahre alt sein. Die Rechte an »Yancee Derringer« liegen mittlerweile bei Leo Kirch.

Für echte Serien-Nostalgiker ist mit solchen Antworten natürlich noch lange nicht Schluss. Und selbst wenn Yancee und der schwarzhaarige Totenkopf vielleicht sogar irgendwo wieder gesendet werden, gibt es noch viele weitere verschwundene Serien und entsprechend viele Fragen: Was ist aus Zebulon, dem kleinen Sprungfeder-Männchen aus dem Zaubergarten, geworden? Was aus seinem besten Freund, der sächsisch sprechenden Schnecke? Wann wird »Ulrich und Ulrike« wiederholt? Wie hieß die Serie, die in einem Wintersport-Hotel in den Alpen spielte und in der Vivi Bach eine Prinzessin spielte? Warum wird »Die seltsamen Methoden des Inspektor Wanninger« nicht wiederholt? Wie hieß die Regierungsbehörde, die die Pillen entwickelte, die der Tankwart in »Immer wenn er Pillen nahm« schluckte, um dann zum Superhelden zu werden? Was wurde aus Pernell Roberts, dem Darsteller des Adam in »Bonanza«, der die Serie verließ, weil er lieber in anspruchsvollen Produktionen mitwirken wollte? Wer besitzt die Rechte an »Unser Walther»? Und welcher Rechteinhaber sorgt heimtückisch dafür, dass den Zuschauern schon so lange ein Wiedersehen mit »Puschel, das Eichhorn« vorenthalten wird?